Häuserabrisse durch israelische Truppen: Die palästinensischen 
Bewohner haben keine Zeit, ihren Besitz zu retten: © Amnesty 
International

Häuserabrisse durch israelische Truppen: Die palästinensischen Bewohner haben keine Zeit, ihren Besitz zu retten: © Amnesty International

 

 

So sicher wie ein Haus?

Amnesty International fordert die israelischen Behörden auf, die Praxis der Häuserabrisse zu beenden, die tausende Palästinenser in der tagtäglichen Angst leben lässt, aus ihrem Zuhause vertrieben zu werden.

Unter dem Titel "So sicher wie ein Haus? Israels Abriss palästinensischer Wohnhäuser" (Englischer Originaltitel: "As safe as houses? Israels's demolition of Palestinian Houses") offenbart ein neuer Amnesty-Kurzbericht das ganze Ausmaß der Zerstörung von Wohnhäusern und anderen Gebäuden in den besetzten palästinensischen Gebieten. Die verantwortlichen israelischen Truppen behaupten, diese seien illegal errichtet worden. Laut den Vereinten Nationen wurden allein im Jahr 2009 über 600 Palästinenser obdachlos, nachdem ihre Wohnungen auf Befehl der israelischen Behörden abgerissen wurden. Über die Hälfte der Betroffenen waren Kinder.

Eine unmögliche Situation

"Unter israelischer Besatzung lebende Palästinenser sind mit derart scharfen Einschränkungen bei der Frage, was und wo sie bauen dürfen konfrontiert, dass ihr Recht auf eine angemessene Unterkunft dadurch verletzt wird," so Philip Luther, stellvertretender Leiter der Abteilung Nahost und Nordafrika bei Amnesty International.

"Die israelischen Behörden bringen Palästinenser in eine unmögliche Situation: Wie immer sie sich entscheiden, am Ende droht ihnen Obdachlosigkeit."

Der Mehrzahl der Palästinenser verweigere Israel selbst nach langwierigen und kostspieligen bürokratischen und juristischen Prozessen jede Baugenehmigung. So bliebe ihnen keine Wahl, als ihre Baupläne auch ohne offizielle Genehmigung umzusetzen, so der Amnesty-Experte: "Und noch während sie ihre Häuser bauen, ist ihnen klar, dass diese Gebäude schon bald von israelischen Bulldozern zerstört werden könnten."

 

Textfeld:

Abriss ohne Vorwarnung

Meist werden Häuser ohne Ankündigung eines konkreten Termins abgerissen, sodass den Palästinensern keine Gelegenheit bleibt, ihre Habseligkeiten zu retten, oder anderswo Unterkunft zu finden. Zwangsgeräumte Familien haben nach israelischem Recht keinen Anspruch auf eine Ersatzunterkunft oder Entschädigung. So liegt es an Verwandten, Freunden und Wohltätigkeitsorganisationen, sie vor Obdach- und Mittellosigkeit zu bewahren. Zwar stehen meist die Wohnhäuser im Fadenkreuz der israelischen Behörden, doch haben diese auch schon Befehle zum Abriss von palästinensischen Schulen, Krankenhäusern, Wasserzis-ternen, Strommasten, Schuppen und Tierställen erlassen. Die Vereinten Nationen gehen von derzeit noch 4.800 anhängigen Abrissbefehlen für palästinensische Wohnhäuser aus.

Zum Beispiel in Khribet Tana: Die Bewohner dieses kleinen Dorfes im Jordantal mussten ihre Häuser schon zwei Mal binnen fünf Jahren wieder aufbauen. 2005 zerstörten israelische Behördenvertreter das Schulgebäude der Ortschaft, sowie eine Reihe von Wohnhäusern, Tierställen und Wasserzisternen.

Die Dorfbewohner bauten ihre Wohnhäuser wieder auf. Doch die israelischen Truppen kehrten zurück: Am 10. Januar 2010 rissen sie die Wohnungen von 100 Palästinensern ab, 34 Kinder wurden obdachlos. Auch die Schule wurde ein zweites Mal abgerissen. Die Soldaten zerstörten auch 13 Schaf- und Ziegenställe, die Haupteinnahmequelle des Dorfes. Raeda Nasasreh, 24-jährige Mutter zweier Kinder, erzählte Amnesty International:

"Die Armeejeeps kamen um sechs Uhr früh. Einige von uns sahen sie im Tal und begannen, ihr Hab und Gut aus den Häusern zu schaffen. Wir konnten nicht einmal mehr die Mutterschafe zu Ende melken. Sie haben an diesem Morgen alles hier zerstört - um halb zehn waren sie fertig."

 

Drei Generationen einer Familie - obdachlos

Ein weiterer Fall: Im Oktober 2009 zerstörten israelische Truppen das Wohnhaus von Rida Nimr und ihres Ehemanns Nimr Ali Nimr in der palästinensischen Ortschaft Jabel al-Mukabbir. Drei Generationen der Familie, darunter fünf Kinder, wurden obdachlos. Rida berichtet:

"Noch als die Kinder schliefen erschienen rund 30 Polizisten und Spezialeinheiten mit drei Bulldozern eines Abriss-Unternehmens. Schnell umstellte die Polizei das Gebäude und riegelte das Gebiet ab. Die Abrisskräfte holten nur einige wenige Möbelstücke aus dem Haus, bevor sie es zerstörten. Sie haben uns nicht erlaubt, irgendetwas selbst herauszuholen. Nur nach längerem Bitten durften wir einen Laptop retten, der unserer Tochter Amal gehört, und den sie für ihr Studium an der Universität benötigt."

Forderungen von Amnesty International

Amnesty International ruft die israelischen Behörden zum sofortigen Stopp aller Abrisse auf, die in den besetzten palästinensischen Gebieten einschließlich Ost-Jerusalem geplant sind. Die gesamte Verantwortung für die Planungs- und Baupolitik und die jeweiligen Verordnungen sollte zudem an lokale palästinensische Gemeinden übergeben werden. Die israelischen Behörden müssen außerdem den Bau oder die Erweiterung israelischer Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten stoppen - als ersten Schritt hin zu einem Abbau israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet.

"Abriss- und Räumungsbefehle zerstören nicht nur das Zuhause der Menschen. Sie nehmen ihnen auch ihren Besitz, und die Hoffnung auf eine sichere Zukunft." (Philip Luther, Amnesty International)

 

 

 

Machen Sie mit!

Fordern Sie von den israelischen Behörden,

 

Schreiben Sie Appelle an den:

Premierminister von Israel                                       Bürgermeister von Jerusalem

Benjamin Netanyahu                                                  Nir Barkat
Prime Minister                                                             Mayor of Jerusalem
Office of the Prime Minister                                       Jerusalem Municipality
3 Kaplan Street                                                           1 Safra Square
PO Box 187                                                               
Kiryat Ben-Gurion                                                     
Hakirya
Jerusalem 91950                                                          Jerusalem 91007
Israel                                                                           Israel
Fax: 00972 2 566 4838                                               Fax: 00972 2 629 6014
oder: 00972 2 649 6659                                              Email:
lishka@jerusalem.muni.il

 

 

 

Hintergrund

Das Recht auf Wohnen ist meist eine Voraussetzung für die Verwirklichung anderer Menschenrechte wie das Recht auf eine Familie, auf Arbeit oder Bildung. Rechtswidrige Zwangsräumungen und Häuserabrisse sind schwere Menschenrechtsverletzungen.

Israel ist Vertragsstaat der Internationalen Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR / International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) und an diese Konvention gebunden. Diese garantiert ausdrücklich das Recht auf eine adäquate Unterkunft, frei von jeder Diskriminierung (Artikel 11.1).

Als Besatzungsmacht ist Israel in seinen Handlungen innerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete auch an die Vierte Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen in Zeiten des Krieges gebunden, die Israel ebenfalls unterzeichnet hat. Artikel 53 verbietet jegliche Zerstörung von Eigentum, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt ist. Sowohl der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als auch der Internationale Strafgerichtshof haben festgestellt, dass die Vierte Genfer Konvention auf die besetzten palästinensischen Gebiete anwendbar ist.

Weitere Fallstudien und Hintergründe
Amnesty-Kurzbericht "As safe as houses? Israel's demolition of Palestinian homes" (16.06.2010, Amnesty.org)
Amnesty Jahresbericht 2010: Israel und besetzte Gebiete