ISRAEL / BESETZTE PALÄSTINENSISCHE GEBIETE

KAMPAGNE ZUR HÄUSERZERSTÖRUNG

Israelische Behörden müssen Abrisse palästinensischer Wohnhäuser stoppen

Israel setzt in den besetzten palästinensischen Gebieten eine Planungs- und Baupolitik durch, die internationale Menschenrechtsgesetzgebung und internationals Völkerrecht verletzt. Die Zerstörung von palästinensischen Häusern, Wasserzisternen und anderen Gebäuden und privaten Eigentums, sind die Grundlagen dieser Politik. Ziel der Länderaktion ist es, dass die israelischen Behörden die Zerstörung von Gebäuden einstellen. Die Briefkampagne soll  durch direkte Appelle an die israelischen Behörden den Druck auf die israelische Regierung verstärken.  

Senden Sie bitte unsere vorbereiteten Briefe an Premierminister  Benjamin Netanyahu und protestieren Sie gegen den Abriss der Schule des Beduinenstamms der Jahalin. (Laden Sie hier bitte den Brief auf Englisch und hier den Brief auf Deutsch herunter.)

Weitere Kampagnen: DAS DORF ‘AQABA IN DER WESTBANK  (mehr ...)

                                      SO SICHER WIE EIN HAUS? (ISRAELS ABRISSPOLITIK) (mehr ...)

 

Allgemeine Hintergrundinformationen

  Nach Angaben der UN haben die israelischen Behörden allein im Jahre 2009 270 palästinensische Gebäude in der West Bank zerstört, und geschätzte 4.800 Abrissbefehle sind anhängig. Etwa 600 Palästinenser wurden 2009 umgesiedelt, die Hälfte davon Kinder. Die Familien bekommen weder neue Häuser noch Entschädigungen so dass sie auf Hilfe von Freunden, Familie und karitativen Organisationen angewiesen sind. Die Gefährdeten sind häufig die Verwundbarsten der Gesellschaft, etwa Hirten und Bauern in der Zone C der West Bank, die in der Nachbarschaft von israelischen Siedlungen oder Militärgebieten wohnen oder die arme städtische Bevölkerung im palästinensischen Ostjerusalem.

Der offizielle Grund für diese Hauszerstörungen ist der, dass die Gebäude keine Baugenehmigungen der israelischen Behörden haben. Es ist jedoch für Palästinenser fast unmöglich, Baugenehmigungen zu erhalten aufgrund von Hindernissen im Zusammenhang mit der israelischen Baupolitik. Gleichzeitig werden weiterhin israelische Siedlungen, die nach dem Völkerrecht illegal sind, in der West Bank einschließlich Ostjerusalem gebaut.

Verletzungen der Internationalen Menschenrechtsgesetzgebung

Israel ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) und an diesen gebunden. Der ICESR garantiert das Recht auf adäquate Unterkunft einschließlich der Sicherheit des Besitzes. Wo dieses Recht beachtet wird, kann es Grundlage sein auf der andere Rechte durchzusetzen sind, wie das Recht auf eine Familie und auf Arbeit und Bildung. Die Zerstörung von Wasserzisternen ist eine Verletzung des Rechts auf Wasser (als Teil des Rechts auf einen adäquaten Lebensstandard) auf Gesundheit und auf Lebensunterhalt. Die Zerstörung einer Schule verletzt das Recht auf Bildung.

Verletzungen des humanitären Völkerrechts

Artikel 53 der Vierten Genfer Konvention verbietet die Zerstörung von Eigentum ohne militärische Notwendigkeit.

Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention verbietet auch den Transfer der Zivilbevölkerung einer Besatzungsmacht in das besetzte Gebiet.

Israels Argumentation, dass Menschenrechtsverträge und die Genfer Konvention nicht auf die besetzten palästinensischen Gebiete anzuwenden sind, ist von der internationalen Gemeinschaft zurückgewiesen worden.

Amnestys Forderungen an die israelische Regierung:

·         Unverzüglich alle Zerstörungen in den besetzten palästinensischen Gebieten einschließlich Ostjerusalems einzustellen.

·         Die Verantwortung für Bauplanungen und damit verbundene Regelungen in den besetzten palästinensischen Gebieten von den israelischen Behörden den örtlichen palästinensischen Gemeinschaften zu übertragen.

·         Den Transfer israelischer Zivilbevölkerung in illegale israelische Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten zu beenden und Außenposten abzubauen.

Hintergrundinformationen:

Die israelische Politik der Häuserzerstörungen ist Teil einer jahrzehntelangen Strategie zur Sicherung der israelischen Kontrolle über das Land in bestimmten Gegenden der besetzten palästinensischen Gebiete, wo gleichzeitig die Präsenz von Palästinensern eingeschränkt ist.

Jerusalem

Die offizielle Kommunalpolitik seit der Annektierung von Ostjerusalem und Teilen seines Hinterlandes in der West Bank 1967 zielte darauf, die Kontrolle Israels über das annektierte Land zu festigen und gleichzeitig das palästinensische Wachstum einzuschränken. Nach dem Völkerrecht sind die Maßnahmen, die zur Verwirklichung dieses Ziels unternommen wurden ungesetzlich: Sie schließen den Bau von Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten und die Zerstörung palästinensischer Häuser im Rahmen einer diskriminierenden Planungs- und Baupolitik ein.

Ein Entwurf des Master-Plans von Jerusalem (ein Dokument der Stadtplanung) “Jerusalem 2000” wurde 2004 für öffentliche Untersuchungen zugänglich gemacht. Darin stellen das Innenministerium und die Jerusalemer Stadtverwaltung das Ziel auf, eine jüdische Mehrheit von 60 % in Jerusalem aufrechtzuerhalten (in West- und Ost-Jerusalem zusammen). Dieses bezeichnet man in der politischen Rhetorik Israels als „das demographische Gleichgewicht“ im „vereinigten Jerusalem“.

Siehe Aussagen des Jerusalemer Bürgermeisters Nir Barakat, zitiert in der Jerusa-lem Post vom 28. April 2010: „Barakat: US Demand ‚A slap in the face ‘” http://www.jpost.com/Israel/Article.aspx?id=174158

Siehe Aussagen früherer Jerusalemer Bürgermeister zitiert in “worlds Apart” in The Guardian (UK) am 6. Februar 2006,
http://www.guardian.co.uk/world/2006/feb/06/southafrica.israel

Siehe Aussagen gegenwärtiger Jerusalemer Stdträte, zitiert im Haaretz-Artikel “Right-wing activists sabotage Jerusalem master plan” am 22. Juli 2009.
http://www.haaretz.com/print-edition/news/right-wing-activists-sabotage-j-lem-master-plan-1.280462

Siehe Master-Plan-Entwurf “Jerusalem 2000” auf der Website der Stadtverwaltung von Jerusalem (in hebräischer Sprache) http://www.jerusalem.muni.il/jer_sys/publish/HtmlFiles/13029/results_pub_id=24819.html

Siehe nichtamtlich englische Übersetzung von “Jerusalem 2000”,
 
http://pcc-jer.org/arabic/Publication/jerusalem_master_plan/jerusalemplan_eng.html

 

Zone C der West Bank

Nach den Oslo-Verträgen von 1995 behält die israelische Armee sowohl die zivile als auch die militärische Kontrolle über die Zone C, die mehr als 60 % der West Bank ausmacht und in der etwa150.000 Palästinenser wohnen. Israelische Siedlungen werden weiterhin in dieser Zone gebaut, während Genehmigungen für palästinensische Bauvorhaben fast immer verweigert werden und infolgedessen vielen abseits liegenden palästinensischen Gemeinden Zerstörungen drohen.

Insbesondere das Jordantal und allgemein das östliche Grenzgebiet der West Bank einschließlich der Berggebiete östlich und südlich von Hebron wurden von mehreren israelischen Regierungen nacheinander als von höchster strategischer Bedeutung für Israels Sicherheit eingestuft. Der Bau von Siedlungen in diesem Gebiet wird als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Kontrolle in diesem Gebiet angesehen, während gleichzeitig die Präsenz von Palästinensern an denselben Orten, ja selbst die Anwesenheit von Hirten und Bauern, dazu führen könnte, dass das Gebiet zukünftig unter palästinensische Zuständigkeit fallen könnte, was als ein Sicherheitsrisiko angesehen wird.

Die Maßnahmen der israelischen Armee zur Aufrechterhaltung dieser Situation sind nach dem Völkerrecht illegal, ähnlich den Maßnahmen in Ostjerusalem. Es gibt kein offizielles Papier wie etwa ein allgemeiner Masterplan für die West Bank (außer dem annektierten Jerusalem), obgleich es umrisshafte Pläne für die Entwicklungsgebiete israelischer Siedlungen und einzelne Pläne für legale Baugebiete einer Handvoll palästinensischer Dörfer gibt. Für die meisten Dörfer in Zone C gilt, dass nur dicht bebaute Gebiete, die in den 1980er Jahren in Luftaufnahmen festgehalten wurden, von der israelischen Armee als „legal“ angesehen werden.  

Siehe Aussagen von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, zitiert in Haaretz am 2. März 2010 in  „Netanyahu: Israel will never cede Jordan Valley“,
http://www.haaretz.com/news/netanyahu-israel-will-never-cede-jordan-valley-1.266329

Siehe Aussagen von Siedlerorganisationen im Jordantal, zitiert am 18. Mai 2009 im Ynet (Israel) Artikel „MK: Expansion of settlement, slap in Obama’s face“
http://www.ynet.co.il/english/articles/0,7340,L-3717394,00.html

Fallbeispiele

Schlüsseldaten

1) Familie Nimr in Jabal al-Mukabbir, Ostjerusalem – Am 27. Oktober 2009 zerstörte ein israelisches Abrisskommando der Jerusalemer Stadtverwaltung das zweistöckige Wohnhaus der drei Generationen dieser Familie. Fünf Kinder waren mit betroffen. Man ließ der Familie keine Zeit, ihre Habseligkeiten zu retten.

2) Das Dorf Jiftlik im Jordantal – Nach Auskunft von Einwohnern erhielten in den letzten Jahren zig Wohnhäuser in Jiftlik Abrissbefehle, und etwa 30 Gebäude wurden zerstört. Amnesty hat die Zerstörung von Wasserversorgungseinrichtungen in Jiftlik im Bericht „Durst nach Gerechtigkeit“, der am 27. Oktober 2009 veröffentlicht wurde, dokumentiert. (dieser Bericht ist demnächst über die Kogruppe in deutscher Übersetzung erhältlich)

3) Das Dörfchen Hadidiya im Jordantal – In diesem langjährigen Amnesty-Fall drohen den Dorfbewohnern immer noch Abrissbefehle.

4) Das Dörfchen Khirbet Tana, östlich von Nablus – Im Juli 2005 zerstörten die israelischen Behörden die Schule von Khirbet Tana sowie eine Anzahl von Wohnhäusern, Tierställen und Wasserzisternen der Palästinenser. Die Dorfbewohner bauten ihr Dorf wieder auf. Am 10. Januar 2010 drangen wieder israelische Streitkräfte nach Khirbet Tana ein und zerstörten die Behausungen von 100 Palästinensern, darunter 34 Kinder. Sie zerstörten auch die Dorfschule und zwölf Viehställe.  

5) Die Jahalin Schule, östlich von Jerusalem – Am 24. Juni 2009 verfügten die israelischen Militärbehörden den Baustopp für eine kleine Dorfgrundschule, die von der Beduinengemeinschaft der Jahalin gebaut wurde. Dennoch wurde die Schule wegen des Bedarfs für die dort wohnenden Kinder weitergebaut, und der Unterricht der Grundschule begann gegen  Ende August 2009. Im Februar 2010 machte der Stamm der Jahalin eine Eingabe an das Oberste Israelische Gericht, den Betrieb der Schule zu legalisieren. Am 3. März entschied das Oberste Gericht, dass die Schule bis zum Ende des Schuljahres am 1. Juni 2010 weiterlaufen dürfe, lehnte aber den Antrag der Bewohner ab, die Schule durch eine Genehmigung zu „legalisieren“.

6) Das Dorf Tuwani, in den südlichen Hebron-Bergen – Die meisten Gebäude des Dorfes sind vom Abriss bedroht. Im Juli 2009 gaben die israelischen Behörden einen Abrissbefehl für Elektroleitungs-Masten im Dorf Tuwani in den südlichen Hebron-Bergen heraus, der am 25. November 2009 durchgeführt wurde. Die Armee gab auch Baustopp-Anordnungen gegen sieben neue Wohnhäuser von Palästinensern und eine Wasserzisterne. Das Dorf liegt in der Nähe der Siedlung Ma’on, und die palästinensischen Bewohner leiden häufig unter Gewaltanwendung durch die Siedler.  

7) Das Dorf Aqaba im nördlichen Jordantal – Jahrelang haben die Bewohner von Aqaba befürchtet, ihre Häuser zu verlieren. Seit den späten 90iger Jahren hat die israelische Armee 48 Abrissbefehle ausgegeben, wovon fast 95 % des Dorfes betroffen waren; darunter Wohnhäuser und andere Gebäude wie Kindergarten, Klinik, Frauenzentrum, eine Moschee und die Straße, die die Dorfbewohner gepflastert haben.

Ziel:

Einstellung aller Zerstörungen in den besetzten palästinensischen Gebieten.

Zwischenziele:

1)    Die Medienberichterstattung über Häuserzerstörungen in den besetzten palästinensischen Gebieten nimmt zu. Zerstörungen von palästinensischen Häusern werden im Zusammenhang mit Artikeln über israelische Siedlungen erwähnt.

2)    Regierungen, die mit Israel verbunden sind, kritisieren öffentlich die israelische Politik der Häuserzerstörungen aufgrund des Druckes von Amnesty-Mitgliedern, den Medien, der Öffentlichkeit und von Parlamentsabgeordneten.

Schwerpunktbotschaft:

Palästinenser, nicht israelische Siedler haben in den besetzten palästinensischen Gebieten das Recht auf Wohnraum ohne Zerstörungen befürchten zu müssen.

Materialien:

 

Veröffentlichungen von Amnesty International:

‘So sicher wie ein Haus? Israels Abrisspolitik gegen palästinensische Wohnhäuser’, Kampagnenzusammenfassung (Index MDE 15/006/2010), 16. Juni 2010 (deutsche Übersetzung über die Kogruppe zu erhalten http://www.amnesty-koeln-gruppe2415.de/ )  http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/006/2010/en

‘Beendet die Zerstörung in den besetzten palästinensischen Gebieten’ Online-Aktion, 30. April 2010, Beispielfall  ‘Das Dorf Aqaba’: (deutsche Übersetzung über die Kogruppe zu erhalten http://www.amnesty-koeln-gruppe2415.de/) http://www.amnesty.org/en/appeals-for-action/stop-demolitions-occupied-palestinian-territories  

‘Stand up united. An international team defending human rights’ article on demolitions in ‘Aqaba village and Haj Sami, who campaigns for saving ‘Aqaba: http://www.amnesty.org/en/worldcup2010/haj-sami-sadeq-israel-occupied-palestinian-territories

‘Israel muss den Siedlungsbau in Ostjerusalem beenden’ Artikel, 10. März 2010, http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/israel-urged-stop-settlement-expansion-east-jerusalem-2010-03-10  

‘ Die Weiler von Hadidiya und Humsa’, Aktionsanleitung zum Briefschreibmarathon (Index MDE 15/026/2009), 5. Dezember 2009, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2009/en

‘Durst nach Gerechtigkeit: Der eingeschränkte Zugang der Palästinenser zum Wasser’ Bericht (Index MDE 15/027/2009), 27. Oktober 2009: (deutsche Übersetzung über die Kogruppe zu erhalten http://www.amnesty-koeln-gruppe2415.de/) http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/027/2009/en

‘Der Tag an dem die Bulldozer kamen…’ Artikel zum Fall der Zerstörung der Wasserleitung in Beit Ula und in den Häusern im Jordantal, 27. Oktober 2009: http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/day-bulldozers-came-20091027