Israel/Libanon
Ohne
jedes Maß - Zivilisten tragen die Hauptlast des Krieges
Seit
Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen der Hisbollah und dem Staat Israel im
Juli 2006 apellierte amnesty international immer wieder an beide Seiten, ihren
Verpflichtungen anhand der internationalen Völkerrechte (der Kriegsgesetze)
nachzukommen und dabei insbesondere jene Regeln zu beachten, die sich auf den
Schutz von Zivilisten beziehen. Um die Konfliktparteien an ihre
Rechtsverbindlichkeiten zu erinnern, veröffentlichte amnesty international im
Juli das Papier Israel/Libanon: Israel
und Hisbollah müssen Zivilisten schonen - Die internationalen, völkerrechtlichen
Verbindlichkeiten der Parteien im Israel-Libanon-Konflikt (Israel / Lebanon:
Israel and Hizbullah must spare civilians – The Obligations under international
humanitarian law of the parties to the conflict in Israel and Lebanon).[1]
Während der Kämpfe besuchten Delegierte amnesty
internationals Israel und den Libanon, um Verstößen beider Seiten gegen diese
Verpflichtungen nachzugehen. Als der Konflikt eskalierte und es durch beide
Parteien mehrfach zum Bruch der internationalen Völkerrechte kam, schloß sich
amnesty international dem von UN-Generalsekretär Kofi Annan und anderen
politischen Führern initiierten Aufruf zum Waffenstillstand an. Gleichzeitig
setzte sich die Mitgliedschaft der Organisation weltweit mit Appellen besonders
für den Schutz der betroffenen Zivilisten ein.
Nach dem Ende der Feindseligkeiten besuchten
Abgesandte der Organisation beide Länder noch einmal, um weitere Nachforschungen
anzustellen und Gespräche mit offiziellen Regierungs- und Armeevertretern zu
führen. Die Ergebnisse dieser Recherchen wurden in zwei Publikationen mit Blick
auf verschiedene Gesichtspunkte des Konfliktes veröffentlicht. Im August 2006
erschien: Israel/Libanon: Absichtliche
Zerstörung oder "Kollateralschaden"? - Die israelischen Angriffe auf
die zivile Infrastruktur (Israel/Lebanon: Deliberate destruction or “collateral
damage”? - Israeli attacks against civilian infrastructure)[2]. amnesty international
kommt hierin zu dem Schluß, daß die israelische Armee nicht differenzierende
und unverhältnismäßige Angriffe durchgeführt und eine Strategie verfolgt hat,
die anscheinend einerseits das libanesische Volk und seine Regierung dafür
bestrafen sollte, daß sie sich nicht gegen die Hisbollah stellten und die
andererseits die militärischen Ressourcen der Hisbollah selbst zu schädigen
gedachte.
Im September
veröffentlichte amnesty international Israel/Libanon:
Unter Beschuß - Die Angriffe der Hisbollah auf den Norden Israels (Israel/Lebanon: Under fire: Hizbullah’s attacks on northern
Israel)[3]. Dieses Papier stellte
abschließend fest, daß die Bombardements der Hisbollah sowohl direkten
Angriffen auf Zivilisten wie auch nicht differenzierenden Angriffen gleichkamen.
Die Attacken verstießen zudem gegen das im internationalen Völkerrecht
festgeschriebene Verbot von Angriffen auf Zivilisten im Zuge von
Vergeltungsschlägen, ungeachtet dessen, welcher Vergehen der Feind sich auch
bedient haben mag.
Der vorliegende Bericht deckt weitere Aspekte
zur Vorgehensweise Israels und den Folgen israelischer Militäraktionen im
Libanon auf. Er geht dem Vorwurf nach, daß Kämpfer der Hisbollah Zivilisten als
"menschliche Schutzschilde" benutzt haben sollen. Der Papier führt zudem
noch einmal die internationalen Standards der für diesen Konflikt relevanten,
menschen- und völkerrechtlichen Bestimmungen sowie des internationalen
Strafrechts aus. Es analysiert die israelischen Angriffsmuster und geht näher
auf eine Reihe spezieller Vorfälle ein, bei denen Zivilisten im Libanon zu Tode
kamen. Der Bericht beleuchtet ferner die Auswirkungen anderer israelischer
Attacken auf die Zivilbevölkerung, einschließlich der Folgen der Streubomben,
die israelische Truppen während der letzten Kriegstage bei ihrer Bombardierung
des Südlibanon hinterlassen haben. Das letzte Kapitel faßt die
Schlußfolgerungen amnesty internationals zu den Vorgehensweisen Israels und der
Hisbollah generell zusammen und führt die Empfehlungen der Organisation an die
beiden Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft aus.
Dieses Papier basiert auf den im Libanon und in
Israel durchgeführten Feldmissionen. Es beruft sich dabei auf die Ergebnisse
von Interviews mit Betroffenen, auf Informationen seitens eines hochrangigen,
israelischen Kommandanten aus dem September 2006 und auf andere Gespräche mit
israelischen und libanesischen Militär- und Regierungsbediensteten sowie
führenden Vertretern der Hisbollah. Informationen von
Nichtregierungsorganisationen, offizielle Stellungnahmen und Medienberichte
wurden ebenfalls berücksichtigt. Während der Monate September und Oktober 2006
bat amnesty international die israelischen Behörden um spezielle Informationen
zu diversen Angriffen der israelischen Armee, hat bis heute jedoch keinerlei
Auskünfte dazu erhalten.
Wie bei anderen Konflikten auch, untersuchte
amnesty international die Vorgehensweisen der einzelnen Kriegsparteien im
Lichte der nach internationalem Recht gültigen, für alle Beteiligten
verbindlichen Standards. Beide Konfliktparteien haben gravierende Brüche des
internationalen Rechts, inklusive Kriegsverbrechen begangen. In ihrem eigenen
Interesse sind diese nun gefragt, sich den Verantwortlichkeiten, der
Wiedergutmachung und Prävention solcher Verstöße in Zukunft zu stellen.
"Ich habe meine Mutter,
meine Schwestern und alle meine Kinder verloren. Meine Frau ist in sehr ernstem
Zustand. Wie soll ich ihr jetzt sagen, daß sie alle ihre Kinder verloren
hat?"
So die Worte von Ahmad Badran, der mit einem Delegierten amnesty
internationals im Dorf al-Ghazieh im Südlibanon sprach. Er hatte zugesehen, wie
die Leichen von sechs seiner engsten Verwandten aus einem Trümmerhaufen gezogen
wurden. Am
7. August hatte eine israelische Rakete das Wohnhaus getroffen. Die vier
Kinder, die Mutter, die beiden Schwestern und eine Nichte Ahmad Badrans
starben. Seine Frau wurde lebensgefährlich verletzt.
Der 34-tägige Krieg, der diese und so viele andere
Familien im Libanon und in Israel zugrunde gerichtet hat, war am 12. Juli
ausgebrochen. Er begann, nachdem der militärische Flügel der Hisbollah (auch
bekannt als al-Muqawama al-Islamiyya
oder Islamischer Widerstand) die
Grenze nach Israel überquerte, eine israelische Patrouille attackierte, dabei
acht Soldaten tötete und zwei weitere gefangennahm. Daraus ergab sich nahezu
sofort eine massive, militärische Konfrontation zwischen der israelischen Armee
und den Kampfeinheiten der Hisbollah.
Schon in den ersten 24 Stunden der Kämpfe kamen
mindestens 38 Zivilisten, darunter viele Kinder, durch israelische Angriffe auf
ihre Häuser ums Leben. Unter den Opfern waren zwölf Mitglieder der Familie
Bze’a, neun Mitglieder der Familie Zein aus dem Dorf Baflay und zwölf
Mitglieder der Familie Akash aus der Ortschaft al-Dweir. Die Familie Bze’a aus
dem Ort Zibqin saß gerade beim Frühstück, als der Angriff sie überraschte.
Durch Raketenangriffe der Hisbollah starb zudem
eine 40-jährige Frau in ihrer Wohnung in Nahariya/Nordisrael. Ein weiterer
Zivilist kam in der Stadt Safed um.
Das Ausmaß der Attacken und der hohe Todeszoll,
den die Zivilbevölkerung innerhalb von nur 24 Stunden zu zahlen hatte, gaben
auf internationaler Ebene Anlaß zu Betroffenheitsbekundungen. Generalleutnant
Dan Halutz, Oberbefehlshaber der IDF (Israelische Armee), gelobte auf einer
Pressekonferenz in Tel Aviv am 14. Juli, daß er die Offensive fortführen werde.
Er sagte, Israel habe die klare Botschaft an:
"beide, den Großraum Beirut und den Rest des
Libanon, daß sie einen Krebs verschlungen haben, den sie nun wieder
heraufwürgen müssen. Denn wenn sie das nicht tun, wird ihr Land einen sehr
hohen Preis dafür zahlen."[4]
Während der folgenden Tage wurden die israelischen
Luftschläge intensiviert und die Zahl ziviler Verluste stieg unaufhörlich an. Von
der halben Million im Südlibanon lebenden Menschen, realisierten viele
schnell, wie gefährlich die Lage war. Sie verließen ihre Häuser und flohen in
den Norden. Mehr als 120.000 Einwohner saßen jedoch in ihren Wohnorten fest und
sahen sich in Städten und Dörfern wie Tyre mit den kontinuierlichen
Bombardierungen Israels konfrontiert.[5] Einige hatten
nicht die finanziellen Mittel für eine solche Reise. Andere waren einfach zu
krank oder altersschwach für eine Flucht. Vielen war klar, daß der Versuch,
sich in Sicherheit zu bringen, inzwischen zu einem waghalsigen Unterfangen
geworden war. In den ersten Kriegstagen hatte die israelische Armee Straßen,
Brücken, Flughäfen, Tankstellen und andere Infrastruktur zerstört und durch die
steten Bombardements konnte jeder Schritt außerhalb der Schutzräume zur
tückischen Falle werden. Oft war es gar nicht möglich nach draußen zu gehen.
Zivilisten, die Israels Evakuierungsbefehlen folgten und ihre Dörfer im
Südlibanon verließen, wurden getötet, weil ihre Fahrzeuge, vollgestopft mit
Menschen, von israelischen Raketen getroffen wurden.
Zum Zeitpunkt des Waffenstillstands am 14. August
2006 waren insgesamt 1.191 Menschen, darunter hunderte Kinder, bei israelischen
Angriffen getötet worden. Mehr als 4.400 Personen trugen Verletzungen davon.[6]
Weit über die Grenzen des Südlibanon hinaus
verbreiteten sich Tod und Verwüstung. Zwar konzentrierten sich die
israelischen Luftschläge auf den Süden des Landes, wo zehntausende Wohnungen
und Wohnhäusern vollständig zerstört oder beschädigt wurden, doch im Zielvisier
lagen auch die Hauptstadt Beirut und das Beqa’a-Tal mit der Stadt Ba’albek.[7] In dem
vorrangig von schiitischen Muslimen bewohnten Vorort Dhahiyeh im südlichen
Beirut, wo die Hisbollah ihr Hauptquartier hatte, fielen gut 250 mehrstöckige
Gebäude mit mindestens 4.000 Wohnungen den Bomben zum Opfer. In Ba’albek und im
Beqa’a-Tal, einem der wichtigsten Agrargebiete des Landes, wurden etliche
Menschen getötet, etwa 400 Häuser zerstört und ausgedehnte Schäden an
Obstplantagen, landwirtschaftlichen Gütern, Fabriken und anderer Infrastruktur
angerichtet.
Nach offiziellen israelischen Angaben flog die
Luftwaffe im gesamten Verlauf des Krieges etwa 7.000 Angriffe auf Ziele im
gesamten Libanon, während die Marine 2.500 Bombardierungen auf küstennahe
Gebiete vornahm.[8] Über die Summe
der von der Armee ausgeführten Schläge gegen den Libanon, einschließlich des
anhaltenden Artilleriefeuers, gaben die israelischen Behörden jedoch keine
Auskunft. Gemäß der vor-Ort-Erhebungen des Minenaktion-Koordinationszentrums
der Vereinten Nationen (UN Mine Action
Coordination Centre / UNMACC) wurden bei israelischen Boden- und
Luftangriffen während der ersten Kriegswochen jeden Tag bis zu 3.000 Bomben,
Raketen und Artilleriegeschosse abgefeuert, wobei diese Zahl gegen Ende des
Krieges auf 6.000 anstieg.[9] Die
israelische Armee verwendete auch in zivilen Gebieten Streubomben mit
Phosphormunition. Bis zu einer Million nicht explodierter Streusprengkörper
verunreinigen nun den Südlibanon. Diese werden auch in Zukunft noch für etliche
tote und verletzte Zivilisten sorgen. Sie behindern zudem die Rückkehr der
Vertriebenen, die humanitären Hilfen und die Bemühungen zum Wiederaufbau des
Landes.[10]
Die umfassenden Bombardierungen führten zur Vertreibung von etwa einer Million Menschen im Libanon, was nahezu einem Viertel der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht. Gut 500.000 davon landeten in Beirut. Schätzungen zufolge sind 200.000 Vertriebene im Libanon bisher noch nicht an ihre Wohnorte zurückgekehrt.[11]
Schätzungsweise 4.000 Raketen feuerten die
Einheiten der Hisbollah auf den Norden Israels ab, darunter solche, die
Metallkugellager enthielten, um möglichst schwere Verletzungen bei den
getroffenen Menschen hervorzurufen. Laut Berichten wurden auch hier Raketen mit
Streukörpersprengköpfen verwendet. 43 Zivilisten kamen bei diesen Angriffen ums
Leben und etwa 300.000 Einwohnern Nordisraels wurden aus ihren Heimatorten
vertrieben. Außerdem hinterließen die Raketen ausgedehnte Gebäudeschäden.[12]
Hinsichtlich der Kampfteilnehmer gaben die
israelischen Behörden an, daß 117 Soldaten getötet wurden. Israel behauptete
ferner, über die Namen von etwa 500 getöteten Hisbollah-Kämpfern zu verfügen,
wollte diese jedoch nicht zur Veröffentlichung freigeben. Laut Hisbollah kamen
74 ihrer Kämpfer ums Leben. Zusätzlich wurde eine kleinere Anzahl Kombattanten
getötet, die anderen Gruppen zuzurechnen sind.[13] Durch
israelische Angriffe starben außerdem vier Bedienstete der internen,
libanesischen Sicherheitskräfte und ungefähr 40 libanesische Soldaten, obwohl
sich die libanesischen Sicherheits- und Streitkräfte nicht an den
Auseinandersetzungen beteiligt hatten.
Es war die
Zivilbevölkerung, die in weit überwiegendem Maß die Last des Konfliktes zu
tragen hatte - nicht nur was die Anzahl getöteter oder nun zeitlebens
behinderter Personen angeht, sondern auch durch die Vertreibung aus ihren
Heimatorten, die Zerstörung von Wohnraum, die psychologischen
Traumatisierungen und die langfristigen Folgen für Wirtschaft und Umwelt.
Entsprechend der Resolution 1701, die der
UN-Sicherheitsrat am 11. August verabschiedete, endeten die Feindseligkeiten
zwischen den Parteien am Morgen des 14. August 2006. Die Resolution legte die
Bedingungen für den Waffenstillstand im Detail fest und erweiterte zudem das Mandat
der UN-Blauhelmtruppen im Libanon (UN Interim Forces in Lebanon / UNIFIL). Am 7. und 8. September hob Israel die zu Beginn
des Krieges verhängte Luft- und Seeblockade auf. Am 1. Oktober verkündete die
israelische Armee, daß sie sich komplett aus dem Libanon zurückgezogen habe,
obwohl sie selbst Anfang November noch eine Einheit in der libanesischen
Ortschaft al-Ghajar an der israelischen Grenze unterhielt.
Nach wie vor halten Truppen der Hisbollah die
beiden am 12. Juli gefangengenommenen israelischen Soldaten fest.[14] Berichten
zufolge sollen sie am Leben sein. Dem Internationalen Rot-Kreuz-Komitee (International Committee of the Red Cross
/ ICRC) wurde jedoch der Zugang zu ihnen verwehrt. Im Verlauf des Konfliktes
nahm die israelische Armee mindestens 20 libanesische Staatsbürger fest.
Wenigstens drei davon, die Berichten zufolge in Israel unter dem Verdacht der
Mitgliedschaft in der Hisbollah angeklagt wurden, befinden sich nach wie vor in
Haft.[15] In der
Zwischenzeit hat auch das ICRC diese drei Gefangenen besucht. Zusätzlich wurden
die Leichen von mindestens 13 toten Hisbollah-Kämpfern durch israelische
Truppen nach Israel verbracht und „könnten“ – wie israelische Militärquellen
in den Medien verlauten ließen – „potentiell in Verhandlungen zur Rückkehr der
beiden entführten Soldaten Verwendung finden." [16]
Während und nach dem Konflikt bemühten sich beide
Parteien, ihre Rückkehr zur Gewalt und die Art und Weise ihrer Kriegführung zu
rechtfertigen. Am 12. Juli startete die Hisbollah ihre "Operation Wahres
Versprechen". Das erklärte Ziel dieser Aktion war, die Freilassung
libanesischer und anderer arabischer Gefangener in Israel zu erreichen, indem
man sie gegen gefangene, israelische Soldaten austausche - ganz wie
Hisbollah-Generalsekretär Hasan Nasrallah es zuvor versprochen hatte. Nach dem
Krieg stellte Nasrallah fest, daß er den Übergriff vom 12. Juli nicht
angeordnet hätte, wäre ihm klar gewesen, daß Israel so harsch reagieren wird. [17]
Indes, die Hisbollah versteht sich selbst und
generell alle Araber und Muslime als Verteidiger des Libanon gegen die
langanhaltende Aggression Israels und seiner Verbündeten, insbesondere der USA.
Konkret wird seitens der Hisbollah behauptet, daß der Konflikt der Organisation
mit Israel im Jahr 2000 keineswegs damit beendet war, daß sich Israel aus dem
Libanon zurückzog, weil sie diesen Rückzug als unvollständig betrachtet. Die
Hisbollah wie die libanesische Regierung führen an, daß die als Sheba’a-Farm
bekannte Grenzregion zum Libanon gehöre, obwohl die Vereinten Nationen diese
als israelisch besetztes, syrisches Territorium definieren. Die häufigen
Überflüge der israelischen Luftwaffe über libanesisches Gebiet stellen
ebenfalls einen nicht unerheblichen Streitpunkt dar, und zudem bemüht man sich
immer noch um die vollständigen Lagepläne der nach der damaligen Besetzung des
Südlibanon hinterlassenen Minenfelder.
Der israelische Premierminister Ehud Olmert
erklärte den Hisbollah-Angriff vom 12. Juli 2006 zu einer "kriegerischen
Handlung" und versprach dem Libanon eine "sehr schmerzhafte und
weitreichende Antwort", als er daraufhin die "Operation
Richtungswechsel" lancierte.[18] Israel
behauptet, den Angriff der Hisbollah-Kämpfer nicht provoziert zu haben, da man
sich im Jahr 2000 aus dem Libanon zurückgezogen habe und die Demarkationslinie
zum Libanon durch die Vereinten Nationen bestätigt worden sei. Israelische
Offizielle sehen die Hisbollah zudem als Teil einer breiteren,
anti-israelischen Front, der auch die palästinensische Organisation Hamas,
Syrien und der Iran angehören. Sie betrachten die enge Allianz zwischen
Hisbollah und Iran mit besonderer Sorge, weil sich der iranische Präsident
bereits mehrfach bedrohlich gegen den israelischen Staat geäußert hat. In den
Augen Israels ist die Militärkampagne gegen den Libanon ein reiner Akt der
Selbstverteidigung gewesen.
Die libanesische Regierung stellte klar, daß sie
nicht vorab über die Aktion der Hisbollah informiert worden sei, einen solchen
Angriff nicht befürwortet und sich von Anfang an um einen Waffenstillstand
bemüht habe. Hisbollah-Führer Hasan Nasrallah erklärte, daß er die Operation
vom 12. Juli angeordnet habe, um israelische Soldaten gefangenzunehmen und daß
die libanesische Regierung an dieser Entscheidung nicht mitgewirkt habe.
Die Beziehung zwischen dem libanesischen Staat
und der Hisbollah ist vielschichtig. Politisch betrachtet war die Hisbollah
während des Konfliktes als Partei sowohl im Parlament wie in der Regierung von
Premier Fouad Siniora vertreten. Auf sozialer Ebene stellt die Hisbollah den
Menschen im Libanon, und hier vor allem den traditionell benachteiligten,
schiitisch-muslimischen Bevölkerungsteilen, wesentliche medizinische,
pädagogische und andere Dienste zur Verfügung. Die Hisbollah, deren bewaffneter
Flügel den Kampf gegen die israelischen Truppen im Libanon anführte, – bis
letztere im Jahr 2000 den Rückzug antraten – hat ihre militärischen Kapazitäten
nicht abgebaut, obwohl die im September 2004 verabschiedete Resolution 1559 des
UN-Sicherheitsrats die "Auflösung und Entwaffnung" sämtlicher Milizen
im Libanon verlangt.
Weder zu den weitgefächerten, ideologischen und
politischen Fragestellungen, die den Feindseligkeiten zwischen der Hisbollah
und Israel zu Grunde liegen, noch zum Status der Hisbollah im Libanon wünscht
amnesty international hier Position zu beziehen. Die Organisation hat weder die
Hisbollah aufgrund der Durchführung des militärischen Angriffs auf Israel am
12. Juli 2006, noch Israel für die Einleitung einer Militärkampagne gegen die
Hisbollah im Libanon verurteilt. Doch von Beginn des Krieges an appellierte
amnesty international an beide Beteiligten, die internationalen, humanitären
Völkerrechte zu beachten. Diese Regeln gelten für den Aggressor wie den
Verteidiger gleichermaßen und sind auf organisierte, bewaffnete Gruppen wie die
Hisbollah ebenso anwendbar wie auf reguläre Staaten.
Seit dem Ende des
Konflikts findet in Israel und im Libanon eine fortlaufende, öffentliche
Debatte um die Vorgehensweise im Kriegsfall statt. In Israel sind offizielle
Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten der israelischen Kriegsvorbereitungen
und der Reaktion auf die Attacken der Hisbollah initiiert worden. Keine davon
ist jedoch mit dem Mandat betraut, der Frage nachzugehen, inwieweit die Art
und Weise der Auseinandersetzungen Israels Verbindlichkeiten anhand der
Kriegsgesetze gerecht wurden. So weit amnesty international bekannt, ist durch
die libanesische Regierung oder die Hisbollah keine solche offizielle
Untersuchung in Gang gesetzt worden.
Dieser Konflikt zerschlug unzählige Lebenswege
und verursachte im Libanon wie in Israel Verwüstungen, die erst nach Jahren
beseitigt sein werden. Vieles davon hätte vermieden werden können, wenn beide
Seiten die Regeln des Krieges respektiert hätten. amnesty international hat die
Vorgehensweisen beider Parteien im Lichte ihrer Verbindlichkeiten nach
internationalem Recht betrachtet, um die Verantwortlichkeit der Täter,
Gerechtigkeit für die Opfer und die Prävention ähnlicher Verstöße in der
Zukunft zu gewährleisten.
Jeder Krieg endet
unvermeidlich in persönlichen Tragödien. Dennoch verlangt jedes verlorene oder
beschädigte Leben, das aus Verstößen gegen die Kriegsregeln resultiert, daß
die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und den Opfern
Wiedergutmachung angedeiht.
Das unten ausgearbeitete, gesetzliche Regelwerk
führt die Grundsätze und Prinzipien aus, die für den Konflikt zwischen der
Hisbollah und Israel von Bedeutung sind. In bestimmten Fällen hat amnesty international
klare Verstöße gegen diese Grundsätze und Prinzipien durch die eine oder andere
Konfliktpartei festgestellt. Um die Handlungsweisen der Parteien und das
Ausmaß ihrer Verstöße in vollen Umfang beurteilen zu können ist - wie in den
Empfehlungen am Ende dieses Berichtes dargelegt - eine umfassende Untersuchung
erforderlich.
Hinsichtlich dieses Krieges
können verschiedene gesetzliche Regelwerke des internationalen Rechts zu Rate
gezogen werden. An das internationale, humanitäre Völkerrecht, oft auch
Kriegsrecht genannt, sind alle Parteien eines bewaffneten Konfliktes, also
auch die bewaffneten Gruppen, rechtlich gebunden. Zudem verlieren auch die
internationalen Menschenrechte im Kriegsfall nicht ihre Gültigkeit und bleiben
für alle regulären Staaten verbindlich. Das internationale Strafrecht bestimmt
über die strafrechtliche Verfolgung von Individuen aufgrund bestimmter
Verstöße, wie zum Beispiel Kriegsverbrechen. Ferner ist mit dem Gesetz über die
Zuständigkeit von Staaten ein rechtliches Regelwerk geschaffen, das sich der
Entschädigung von Opfern diverser Verstöße annimmt.
Die im internationalen, humanitären Völkerrecht
enthaltenen Regeln und Prinzipien, suchen den Schutz jener zu gewährleisten,
die nicht an den Feindseligkeiten beteiligt sind. Dazu zählen insbesondere
Zivilisten, aber auch bestimmte Kampfteilnehmer, wie etwa Verwundete oder
Gefangene. Sie schreiben die Standards des menschlichen Gebarens im Kriegsfall
fest und begrenzen die Mittel und Methoden zur Ausführung militärischer
Operationen. Ihr zentrales Anliegen ist es, menschliche Leiden in Zeiten
bewaffneter Konflikte - soweit umsetzbar – in Grenzen zu halten.
Die vier Genfer Konventionen von
1949 und ihre beiden Zusatzprotokolle von 1977 sind die Hauptinstrumente der
internationalen, humanitären Völkerrechte. Israel ist zwar Vertragsstaat der
Genfer Konventionen von 1949, jedoch nicht Vertragspartei des Protokoll I über
den Schutz der Opfer internationaler, bewaffneter Konflikte. Der Libanon ist
sowohl den Genfer Konventionen als auch dem Protokoll I beigetreten.
Die Hisbollah akzeptierte von
sich aus einige der Grundregeln internationaler Völkerrechte, so zum Beispiel,
als sie der Vereinbarung vom April 1996 zustimmte, die einen früheren Ausbruch
der Kämpfe mit Israel beendete. Dieses Abkommen erlaubte zwar den Fortgang der
Gefechte im Südlibanon, dem Schutz des Lebens von Zivilisten wurde jedoch
besondere Bedeutung zugeschrieben.[19] Nach dem aktuellen Konflikt erneuerte die Hisbollah ihre Selbstverpflichtung
zur Einhaltung dieses Abkommens.
Die grundlegenden Bestimmungen
des Protokoll I, einschließlich der unten zitierten Regeln, gelten als
Bestandteil gewohnheitsmäßigen, internationalen Rechts. Sie sind daher für alle Parteien eines Konfliktes
verbindlich.[20] Grobe Verstöße gegen die Genfer Konventionen und/oder Protokoll I erfüllen
den Tatbestand eines Kriegsverbrechens. Die anerkannten Definitionen dieser
Verbrechen nach gewohnheitsmäßigem, internationalem Recht finden sich im
Römischen Statut zum Internationalen Strafgerichtshof wieder.
Artikel 48 des Protokoll I legt eine der
„Grundregeln“ zum Schutz von Zivilisten fest – das Prinzip der Unterscheidung.
Dieses Prinzip stellt einen wichtigen Eckpfeiler der internationalen
Völkerrechte dar.
„Um die Anerkennung und den
Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu gewährleisten, haben die
Konfliktparteien jederzeit zwischen der Zivilbevölkerung und den
Kampfteilnehmern sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen zu
unterscheiden und dürfen dementsprechend ihre militärischen Operation nur gegen
militärische Ziele richten.“
Gemäß des Römischen Statuts gilt
die absichtliche Ausrichtung von Angriffen auf die Zivilbevölkerung als solche
oder auf einzelne Zivilisten, die nicht direkt an den Kampfhandlungen
teilnehmen, als Kriegsverbrechen.[21] Nach Artikel 51(3) des Protokoll I stehen Zivilisten unter Schutz „es sei
denn, daß – und nur für den Zeitraum während dessen – sie sich direkt an den
Kämpfen beteiligen“. Artikel 52(1) setzt fest:
„Als zivile Objekte gelten alle
Objekte, die keine militärischen Ziele darstellen.“
Artikel 52(2) definiert militärische Ziele wie
folgt:
„all jene Objekte, die ihrer
Natur, ihrer Position, ihrem Zweck oder Gebrauch nach einen effektiven Beitrag zu
Militäraktionen leisten und deren völlige oder teilweise Zerstörung, Einnahme
oder Neutralisierung unter den gegebenen Umständen einen klaren, militärischen
Vorteil erwarten läßt.“
Objekte, die diesen Kriterien nicht entsprechen, sind zivile Objekte. In
Fällen, wo nicht eindeutig geklärt werden kann, ob ein Zielobjekt für
militärische Zwecke benutzt wird, „ist davon auszugehen, daß das fragliche
Objekt keiner solchen Nutzung unterliegt“, (Artikel 52 (3)).[22] Die absichtliche Ausrichtung von Angriffen auf zivile Objekte stellt ein
Kriegsverbrechen dar.
Die Interpretation des Begriffes „militärischer Vorteil“ darf nicht derart
weit gefaßt werden, daß dieser Grundsatz dadurch seine beabsichtigte Wirkung
einbüßt. Angriffe mit dem Hinweis auf einen militärischen Vorteil zu
rechtfertigen, die darauf ausgelegt sind, den wirtschaftlichen Wohlstand eines
Staates zu beschädigen oder die Zivilbevölkerung zu demoralisieren, um deren Kampfkraft
zu schwächen, würde eine Verzerrung der rechtlichen Bedeutung des Wortes, eine
Untergrabung grundlegender, völkerrechtlicher Prinzipien und eine ernste Gefahr
für Zivilisten bedeuten.
Artikel 51(4) des Protokoll I verbietet nicht
differenzierende Angriffe, die:
„ihrer Natur nach
dergestalt sind, daß sie militärische Zielobjekte und Zivilisten oder zivile
Objekte ohne Unterscheidung zerschlagen.“
Als unverhältnismäßige Angriffe, eine Abart nicht
differenzierender Angriffe, werden auch jene betrachtet:
„von denen angenommen werden
kann, daß sie beiläufige Todesfälle und Verletzungen unter Zivilisten oder
Schäden an zivilen Objekten oder eine Kombination dieser Ereignisse in einem
Maße verursachen, das dies im Verhältnis zu einem möglichen, konkreten und
direkten militärischen Vorteil nicht angemessen erscheint.“ (Artikel 51(5))
Die absichtliche Durchführung
eines unverhältnismäßigen Angriffs gilt als Kriegsverbrechen.[23] Die Durchführung nicht
differenzierender Angriffe, die zu Verlusten oder Verletzungen unter Zivilisten
führen oder in der Beschädigung ziviler Objekte resultieren, gelten ebenfalls
als Kriegsverbrechen.[24]
Darüber hinaus dürfen auch
beiläufige Schäden und Todesfälle ein gewisses Maß nicht überschreiten.[25] Ausgedehnte Zerstörungen und Beschlagnahmungen, die nicht durch
militärische Notwendigkeiten gerechtfertigt sind und die unrechtmäßig und
willkürlich durchgeführt werden, sind Kriegsverbrechen. [26]
Artikel 57 verlangt von allen Parteien, daß sie
stete Sorgfalt walten lassen, „um die Zivilbevölkerung, Zivilisten und zivile
Objekte zu schonen“. Artikel 57 (2) legt fest, daß diejenigen, die einen
Angriff planen:
„(i) alles Erdenkliche
unternehmen, um eindeutig festzustellen, daß es sich bei anvisierten Zielen
weder um Zivilisten noch um zivile Objekte handelt, die einem besonderen Schutz
unterliegen, sondern um militärische Zielobjekte im Sinne des Artikels 52, Paragraph
2 und daß ein Angriff auf die fraglichen Objekte nicht durch die Bestimmungen
des vorliegenden Protokolls untersagt ist“,
„(ii) bei der Wahl ihrer
Angriffsmittel und –methoden alle nur erdenklichen Vorkehrungen treffen, um
Verluste und Verletzungen unter Zivilisten und Schäden an zivilen Objekten zu
vermeiden, in jedem Falle aber möglichst gering zu halten“,
„(iii) von Entscheidungen zum Angriff Abstand zu nehmen, wenn zu
erwarten ist, daß diese beiläufige Verluste und Verletzungen unter Zivilisten,
Schäden an zivilen Objekten oder eine Kombination dieser Ereignisse in einem
Maß verursachen, das im Verhältnis zum wahrscheinlichen, konkreten und direkten
militärischen Vorteil als übertrieben anzusehen wäre“,
„(b) sollte sich herausstellen,
daß ein Zielobjekt nicht militärischer Natur ist, daß es einem besonderen
Schutz unterliegt oder daß ein Angriff desselben aller Voraussicht nach zu
beiläufigen Todesfällen und Verletzten unter Zivilisten, zu Schäden an zivilen
Objekten oder zu einer Kombination dieser Ereignisse führen wird und zwar in
einem Ausmaß, das im Verhältnis zu dem erhofften, konkreten und direkten
militärischen Vorteil als exzessiv zu betrachten wäre, so ist ein solcher
Angriff abzusagen oder auszusetzen“,
„(c) Angriffen, die sich auf die Zivilbevölkerung auswirken könnten, muß
eine effektive und frühzeitige Warnung vorausgehen, es sei denn, daß die
Umstände dies nicht erlauben.“
Kriegführende Parteien sind ebenfalls
verpflichtet, alle umsetzbaren Vorkehrungen zum Schutz der Zivilisten und
zivilen Objekte unter ihrer Kontrolle vor den Folgen gegnerischer Angriffe zu
treffen. Protokoll I verlangt, daß die Parteien vermeiden, militärische
Zielobjekte innerhalb oder in der Nähe dichtbesiedelter Gebiete unterzubringen
(Artikel 58 (b)).
Zudem verbietet Protokoll I
ausdrücklich die Anwendung solcher Taktiken wie den Gebrauch „menschlicher
Schutzschilde“ zur Verhinderung von Angriffen auf militärische Ziele. Artikel
51 (7) statuiert:
„Die Anwesenheit oder Verbringung
der Zivilbevölkerung oder einzelner Zivilisten darf nicht dazu benutzt werden,
gewisse Orte oder Areale gegen militärische Operationen zu immunisieren.
Insbesondere ist es nicht gestattet, Attacken oder Militäroperationen gegen
militärische Zielobjekte auf diese Weise vorzubeugen, sie so voranzutreiben
oder zu verzögern. Den Konfliktparteien ist zudem nicht gestattet, die
Bewegungen der Zivilbevölkerung oder einzelner Zivilisten in der Absicht zu
steuern, militärische Zielobjekte vor Angriffen oder Militäroperationen zu
schützen“.
Die geplante Benutzung von
Zivilisten zur Deckung militärischer Ziele ist ein Kriegsverbrechen.[27]
Das Protokoll stellt jedoch
ebenso klar, daß, selbst wenn eine Seite sich hinter Zivilisten verschanzt, ein
solcher Verstoß „... die andere Konfliktpartei eindeutig nicht von ihrer
Rechtsverbindlichkeit zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Zivilisten
befreit.“
Ferner legt Artikel 50 (3) fest,
daß:
„Die Anwesenheit von Personen
innerhalb der Zivilbevölkerung, die nicht unter die Definition des Zivilisten
fallen, enthebt die Bevölkerung nicht ihres zivilen Status.“
Wie durch die autorisierten
Kommentare des ICRC angezeigt:
„Im Rahmen der Umstände eines
Krieges ist es unvermeidlich, daß Personen die zur Kategorie der Kampfteilnehmer
gehören, sich unter der Zivilbevölkerung aufhalten, so zum Beispiel Soldaten,
die sich auf Heimaturlaub bei ihren Familien befinden. Vorausgesetzt, daß es
sich bei solchen Mannschaften nicht um reguläre Einheiten von erheblicher Größe
handelt, verändert deren Anwesenheit nicht den zivilen Charakter der
Bevölkerung.“
Laut der Artikel 51 (6) und 52 (1) sind Angriffe
auf die Zivilbevölkerung, Zivilisten oder zivile Objekte im Sinne der
Vergeltung durch das internationale, humanitäre Völkerrecht ausdrücklich
untersagt. Derartige Angriffe gelten auch anhand des gewohnheitsmäßigen,
internationalen Rechts weithin als verboten. Die Tatsache, daß eine der
Parteien gegen die Gesetze des Krieges verstoßen hat, kann die gegnerische
Partei daher nicht als Begründung dafür anbringen, sich nun selbst
unrechtmäßiger Handlungsweisen zu bedienen, weder um die angreifende Partei zur
Einhaltung der Rechtsvorgaben zu zwingen, noch als Mittel des Gegenschlags oder
der Vergeltung.
In Artikel 33 der Vierten Genfer
Konvention heißt es:
„Keine geschützte Person darf für
eine Tat bestraft werden, die er oder sie nicht persönlich begangen hat.
Kollektivstrafen und gleichermaßen alle Maßnahmen zur Einschüchterung oder des
Terrors sind verboten.“
Gemäß Artikel 55 des Protokoll I ist dafür Sorge
zu tragen, daß Umwelt und Natur vor „ausgedehnten, langanhaltenden und
schwerwiegenden Schäden“ geschützt sind. Methoden oder Mittel der Kriegführung,
die darauf ausgelegt sind oder von denen zu erwarten ist, daß sie solche
Schäden verursachen, sind verboten.
Artikel (2)(b)(iv) des Statuts von Rom zum ICC (Internationaler
Strafgerichtshof / International
Criminal Court) deklariert als Kriegsverbrechen:
„... einen Angriff in dem Wissen
zu starten, daß dadurch beiläufige Verluste und/oder Verletzungen unter
Zivilisten, Schäden an zivilen Objekten oder weitläufige, langanhaltende und
schwerwiegende Schäden für Natur und Umwelt verursacht werden, die im
Verhältnis zum konkreten, direkten und insgesamt wahrscheinlichen,
militärischen Vorteil eindeutig als übertrieben zu werten wären.“
Das Attackieren, Zerstören, Entfernen oder Unbrauchbarmachen
von Objekten, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unerläßlich sind, ist
verboten (Protokoll I, Artikel 54 (2)). Die Konfliktparteien müssen die zügige
und ungehinderte Durchfahrt neutraler, humanitärer Helfer gestatten und befördern
(Protokoll I, Artikel 70). Sie müssen medizinisches Personal und deren
Transportmittel respektieren und schützen (Protokoll I, Artikel 15 und 21).
Das internationale Völkerrecht verbietet den
Einsatz von Waffen, die ihrer Natur nach ungenau sind und außerdem solche, die
von ihrer Art her überflüssige Verletzungen oder unnötiges Leid hervorrufen.
Die Kommentare des ICRC zu den Protokollen erwähnen „Langstreckenraketen, die
nicht präzise auf das Ziel ausgerichtet werden können“, als Beispiel für nicht
differenzierende Waffen.
Bei nicht differenzierenden
Angriffen wurden im Verlauf des Krieges auch andere Waffen verwendet, darunter
solche mit Streukörpersprengköpfen. Derartige Streubomben oder –granaten
versprengen unzählige kleinere Sprengkörper oder Patronen über ein weites Areal
von üblicherweise der Größe eines oder zweier Fußballfelder. Sie können vom
Flugzeug aus abgeworfen oder durch Artilleriegeschütze und Raketenwerfer
abgefeuert werden. Je nachdem, welcher Typ von Füllmunition verwendet wird,
liegt der Anteil der Blindgänger zwischen fünf und zwanzig Prozent. Diese
bleiben dann als explosive Hinterlassenschaft des Krieges zurück und stellen –
ähnlich wie Personen-Landminen – eine Gefahr für die Zivilbevölkerung dar. Der
Einsatz dieser Bomben in zentralen, zivilen Gebieten mit dichter Besiedlung
verstößt gegen das Verbot nicht differenzierender Angriffe, weil weite Flächen
mit zahlreichen Sprengkörpern bedeckt werden und dies eine Gefahr für jeden
darstellt, der mit den Patronen in Berührung kommt, einschließlich der
unbeteiligten Zivilisten.
Die israelischen Streitkräfte
benutzten während des Konfliktes laut Berichten in Gebieten, in denen sich
Zivilisten befanden auch weißen Phosphor. Dieses Material wird in Granaten und
Patronen zur Zielmarkierung, zum Aufbau von Nebelwänden für Truppenbewegungen,
zur Verfolgung von der Geschoßflugbahnen und als Brandbeschleuniger verwendet.[28] Protokoll III zum Verbot oder der Beschränkung des Einsatzes von
Brandwaffen (eines der Zusatzprotokolle der UN-Konvention über das Verbot oder
die Beschränkung der Verwendung konventioneller Waffen von 1980) verbietet den
Einsatz solcher Waffen gegen Zivilisten. Da es sich hierbei um einen Grundsatz
des gewohnheitsmäßigen, internationalen Rechts handelt, ist diese Regel auch
für Israel und den Libanon verbindlich, selbst wenn diese dem Protokoll III
nicht beigetreten sind. Laut ICRC, ist auch das Verbot der Verwendung von
Brandwaffen gegen Kombattanten eine Regel gewohnheitsmäßigen internationalen
Rechts – außer wo es schlichtweg unmöglich ist, andere, harmlosere Waffen
einzusetzen, um etwaige Feindpersonen kampfunfähig zu machen (hors de combat). In Protokoll III ist
diese Regelung nicht enthalten.
Wie durch den Internationalen Gerichtshof und die
Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen bestätigt, sind die
Menschenrechte auch in Zeiten internationaler, bewaffneter Konflikte anzuwenden
und behalten – in Ergänzung der internationalen, humanitären Völkerrechte –
ihre volle Wirksamkeit bei.[29] Beide Rechtsinstrumente sind unverzichtbar, um den Schutz von Menschen
gerade im Verlauf bewaffneter Konflikte zu gewährleisten.
Der Libanon wie Israel, beide
sind Vertragsstaaten wichtiger Menschenrechtsabkommen, einschließlich des
Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR /
International Covenant on Civil and Political Rights) sowie des Internationalen
Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR /
International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). Wie die
Menschenrechtskommission klargestellt hat, sind die aus dem ICCPR
erwachsenden, menschenrechtlichen Verbindlichkeiten von Staaten über deren
Grenzen hinaus gültig.[30] Auch der ICESCR gewährt keine ausdrückliche Einschränkung bezüglich der
territorialen Gerichtsbarkeit.
Zu den für den Konflikt
relevanten Verbindlichkeiten, gegen die die Parteien verstoßen haben, zählen
das Recht auf Leben (ICCPR, Artikel 6), das Recht auf adäquate Nahrung und
Unterkunft (ICESCR, Artikel 11), das Recht auf Erhalt der bestmöglichen,
verfügbaren Standards für die körperliche und geistige Gesundheit (ICESCR,
Artikel 12), worunter auch das Recht auf Wasser zu rechnen ist, sowie das Recht
auf Bildung (ICESCR, Artikel 13).[31] Aktionen, die auf eine Beeinträchtigung oder Zerstörung der zur
Inanspruchnahme dieser Rechte notwendigen Infrastruktur, einschließlich Schulen
und Krankenhäuser, ausgerichtet waren, oder von denen zu erwarten war, daß sie
eine solche Beeinträchtigung oder Zerstörung nach sich ziehen würden, gelten
als Kriegsverbrechen, für die die Parteien zur Rechenschaft gezogen werden
können.
Das Recht auf Unterkunft
betreffend, könnten bestimmte Aktionen in diesem Krieg – namentlich die
weitverbreitete Zerstörung Zehntausender von Wohnungen – unrechtmäßigen
Zwangsvertreibungen gleichkommen, einem Bruch des Artikels 11 des ICESCR. Die
Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte definiert den
Begriff der „Zwangsvertreibung“ als „permanente oder vorübergehende Räumung des
von den Betreffenden genutzten Wohnraums oder Landes gegen den Willen von
Individuen, Familien und/oder Gemeinden, ohne die Gewähr von und den Zugang zu
angemessenen Formen der Rechtsbeihilfe oder eines anderen gesetzlichen
Schutzes.“[32] Zu diesen Arten der Räumung zählt die Kommission auch jene, die aus
„internationalen, bewaffneten Konflikten, internen Streitigkeiten und aus
kommunaler oder ethnischer Gewalt“ erwachsen.[33]
Der ICESCR kennt – selbst in
Zeiten des Notstands – keine Möglichkeiten der Abweichung, und läßt Einschränkungen
nur insofern gelten, „als sie im Gesetz vorgesehen sind, soweit dies mit der
Natur dieser Rechte in Einklang steht und einzig mit dem Ziel der Förderung
allgemeiner Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft.“ Wie die Kommission
eindeutig feststellte, müssen jedwede Einschränkungen verhältnismäßig sein und
„wo verschiedene Arten von Einschränkungen zur Auswahl stehen, muß die am
wenigsten restriktive Alternative gewählt werden.“ [34]
Gravierende Brüche der Genfer Konventionen und des
Protokoll I gelten wie auch andere schwere Verstöße gegen die internationalen,
humanitären Völkerrechte als Kriegsverbrechen. Die in Artikel 8 des Römischen
Statuts zum Internationalen Strafgerichtshof ausgeführte Liste der
Kriegsverbrechen spiegelt die Bestimmungen des gewohnheitsmäßigen,
internationalen Rechts zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung wider.
Protokoll I verlangt gemäß
Artikel 86, daß „die Konfliktparteien sich grober Brüche der [Genfer]
Konventionen [von 1949] oder dieses Protokolls enthalten und daß sie Maßnahmen
ergreifen, um jegliche anderen Brüche, die aus unterlassenen Handlungspflichten
entstehen, verhindern.“
Individuen können, ob Zivilisten
oder Militärbedienstete und ungeachtet ihres Ranges, aufgrund solcher Vergehen
strafrechtlich verfolgt werden, wobei Truppenkommandanten auch die
Verantwortung für die Handlungen ihrer Untergebenen zu tragen haben. Im
Wortlaut des Artikels 86 (2):
„Die Tatsache, daß ein Bruch der
Konventionen oder dieses Protokolls durch einen Untergebenen begangen wurde,
enthebt seinen Vorgesetzten nicht der strafrechtlichen oder disziplinarischen
Verantwortung. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Vorgesetzte
wußten oder über den Zugang zu Informationen verfügten, die unter den vorhandenen
Umständen den Rückschluß erlaubt hätten, daß ein Untergebener soeben dabei
ist, einen derartigen Bruch zu begehen oder alsbald einen solchen Bruch begehen
wird. Sollten die Vorgesetzten daraufhin nicht alle erdenklichen und in ihrer
Macht stehenden Maßnahmen ergreifen, um diesen Bruch zu verhindern“, [so werden sie selbst in die Verantwortung genommen.]
Auch können Befehle von
übergeordneter Stelle nicht zur Rechtfertigung von Verstößen angebracht werden,
obwohl dies bei der Berechnung des Strafmaßes wohl Berücksichtigung findet.
Dieses seit den Nürnberger Prozessen nach dem II. Weltkrieg anerkannte Prinzip
ist inzwischen in gewohnheitsmäßiges, internationales Recht übergegangen.
Es gibt verschiedene, mögliche Mechanismen, um Verursacher von Verstößen
gegen die internationalen Völkerrechte strafrechtlich zu verfolgen und – im
Rahmen fairer Verhandlungen ohne die Verhängung einer Todesstrafe – zur
Rechenschaft zu ziehen:
(a) Durch die Parteien selbst
Jede Konfliktpartei muß diejenigen ihrer
Staatsangehörigen, die unter dem Verdacht stehen für gravierende Verstöße gegen
die internationalen, humanitären Völkerrechte verantwortlich zu sein, vor
Gericht stellen. Auch Israel und der Libanon sind hierzu verpflichtet.
(b) Durch andere Staaten
Andere Staaten sollten ihren Verpflichtungen
nachkommen und eine strafrechtliche Untersuchung gegen alle Personen einleiten,
die verdächtigt werden, während des Konfliktes schwerwiegende Brüche des
internationalen Völkerrechts begangen zu haben. Wo ausreichend zulässige Beweise
vorliegen und der Verdächtigte sich unter ihrer Gerichtsbarkeit befindet,
sollte der betreffende Staat entweder selbst Anklage gegen diesen erheben oder
ihn an einen anderen Staat ausliefern, der willens und in der Lage ist, den
Verdächtigen gerichtlich zu belangen.
Abgesehen davon, daß sie
verpflichtet sind, bei gravierenden Brüchen der Genfer Konventionen und des
Protokoll I die allgemeine Gerichtsbarkeit auszuüben, dürfen die Staaten von
dieser allgemeinen Gerichtsbarkeit auch bei anderen schwerwiegenden Verstößen
gegen die internationalen, humanitären Völkerrecht Gebrauch machen. Wo
ausreichend zulässige Beweise vorliegen und sich der Verdächtigte unter ihrer
Gerichtsbarkeit befindet, sollten die Staaten diesen strafrechtlich belangen
oder ihn an einen anderen Staat ausliefern, der dazu willens und in der Lage
ist.
(c) Durch den Internationalen
Strafgerichtshof
Weder Israel noch der Libanon haben das Römische
Statut zum Internationalen Strafgerichtshof ratifiziert. Allerdings könnten die
beiden Länder – laut Artikel 12 (3) des Römischen Statuts – die rechtliche
Zuständigkeit des Gerichtshofs innerhalb ihrer Territorien per Deklaration
anerkennen. Außerdem besteht laut Artikel 13 (b) des Römischen Statuts die
Möglichkeit, daß der UN-Sicherheitsrat die Situation in Israel und im Libanon
gesondert an den Internationalen Strafgerichtshof verweist.
Die Kommission für internationales Recht verarbeitete im Jahr 2001 in ihren
Artikeln zur Verantwortlichkeit von Staaten für widerrechtliche Handlungen auf
internationaler Ebene den Grundsatz, daß die Staaten der internationalen
Gemeinschaft gegenüber für „international widerrechtliche Handlungen“
verantwortlich sind. Diese Artikel beschließen das Gesetz über die
Verantwortlichkeit von Staaten und wurden den Regierungen der Staaten im Jahr
2002 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen anempfohlen.[35] Artikel 31
statuiert:
„Der verantwortliche Staat ist an
die Verpflichtung gebunden, durch international widerrechtliche Handlungen
verursachte Verletzungen in vollem Umfang zu entschädigen ... Der Begriff der
„Verletzung“ beinhaltet jedweden Schaden, ob materiell oder moralisch, der
durch international widerrechtliche Handlungen eines Staates verursacht wurde.“
International widerrechtliche
Handlungen umfassen Verstöße gegen die Verbindlichkeiten eines Staates, wie
sie sich aus gewohnheitsmäßigem und allgemeinem Recht ergeben. So stellt zum
Beispiel Artikel 91 des Protokoll I klar, daß jede Partei des Konfliktes „für
alle Handlungen von Personen, die Teil ihrer bewaffneten Streitkräfte sind,
die Verantwortung zu tragen haben.“ Dementsprechend: „Eine Partei des
Konfliktes, die gegen Bestimmungen der Konventionen oder dieses Protokolls verstößt,
soll, so die Sache es erfordert, zu Kompensationszahlungen verpflichtet sein.“
Das Recht auf Entschädigung
individueller Opfer ist auch im internationalen Menschenrecht tief verankert,
wo es sich in internationalen und regionalen Menschenrechtsverträgen als Kernelement
des Rechts auf Wiedergutmachung wiederfindet.[36] In Regel 150 kommt die Studie des ICRC zum gewohnheitsmäßigen,
internationalen, humanitären Völkerrecht[37] zu dem Schluß: „Ein Staat, der für Verstöße gegen die internationalen
Völkerrechte verantwortlich ist, muß Verluste oder Verletzungen, die er
verursacht hat, in vollem Umfang entschädigen.“ Mit ihrer Resolution 60/147 vom
16. Dezember 2005 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen
zusätzlich die Grundprinzipien und Richtlinien zum Recht auf Wiedergutmachung
und Entschädigung der Opfer massiver Verstöße gegen internationale, humanitäre
Völkerrechte. Diese verankern die Verpflichtung der Staaten, den Opfern
wirksame Wiedergutmachungen, inklusive Entschädigungen zur Verfügung zu stellen.
Dieses Instrument schreibt die angemessenen Formen der Entschädigung und -
anhand der Prinzipien 19 - 23 - die Möglichkeiten der Wiederherstellung, der
Kompensation, der Rehabilitation, der Satisfaktion sowie diverse
Unterlassungsgarantien fest.
Nach dem Gesetz zur
Verantwortlichkeit von Staaten, kann eine bewaffnete Gruppe nur dann zur
Bereitstellung von Reparationen verpflichtet sein, wenn sie in der Folge die
Rolle der neuen Regierung eines Staates innehat oder wenn sie erfolgreich einen
neuen Staat auf einem Teil des Territoriums des bereits bestehenden Staates
oder in einem Territorium unter dessen Verwaltung einrichtet.
Die internationalen
Menschenrechtsverträge konzentrieren sich vorrangig auf die Verbindlichkeiten
von Staaten. Von daher schaffen sie hinsichtlich bewaffneter Gruppen keine
Verbindlichkeiten, außer jener, daß der betreffende Staat verpflichtet ist, bei
der Prävention, Bestrafung, strafrechtlichen Verfolgung oder Entschädigung der
von solchen Akteuren verursachten Schäden die erforderlich Sorgfalt walten zu
lassen. Hinsichtlich der Hisbollah stände hier also der Libanon in der
entsprechenden Pflicht.
Das ICRC stellte fest, daß auch
die bewaffneten Gruppen selbst zur Achtung der internationalen, humanitären
Völkerrechte verpflichtet sind. Während zwar einerseits die Frage noch nicht
abschließend geklärt ist, ob bewaffnete Gruppen im Falle von Verstößen gegen
die internationalen Völkerrechte vollständige Reparationen leisten müssen oder
nicht,[38] hat sich in der Praxis doch gezeigt, daß solche Gruppen in einem gewissen
Maß sehr wohl für angemessene Entschädigungen zu sorgen haben.[39]
Die israelische
Regierung behauptete mehrfach, bei der Durchführung ihrer Angriffe während des
gesamten Konfliktes mit dem Libanon allen Vorgaben internationalen Rechts
jederzeit in vollem Umfang entsprochen zu haben. Dies gelte auch für das
Prinzip der Unterscheidung (die Differenzierung zwischen zivilen und
militärischen Zielen) und die Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit.
Letztere stellt sicher, daß Angriffe im Verhältnis zum wahrscheinlichen,
konkreten und direkten militärischen Vorteil keine übermäßigen Schäden
verursachen. Israelische Offizielle erklärten gegenüber amnesty international,
daß sämtliche Zielobjekte vor Beginn eines Angriffs durch internationale
Fachberater für humanitäre Völkerrechte genau geprüft wurden und daß etwaige
zivile Verluste und Zerstörungen im Libanon entweder legitimen
Kollateralschäden oder Fehlern zuzurechnen seien.
Letztlich beschuldigte die israelische Regierung jedoch die Hisbollah, den Konflikt ausgelöst zu haben und macht diese für die zivilen Verluste verantwortlich, die durch Angriffe der israelischen Armee zustande kommen. Sie behauptet, daß die Hisbollah absichtlich Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ vorgeschoben habe, wodurch es für die israelischen Streitkräfte kaum möglich gewesen sei, die Tötung und Verletzung von Zivilisten zu vermeiden. So erklärte Brigadegeneral Amis Eshel, Generalstabschef der israelischen Luftwaffe, zum Beispiel nach dem Angriff vom 30. Juli (siehe unten), bei dem mindestens 28 Zivilisten in einem Haus in Qana starben, die israelischen Militäroperationen wie folgt:
„Militäroperationen sind etwas
sehr Kompliziertes. Wir sprechen über hunderte Raketenwerfer und eine große
Zahl weit über den Libanon verteilter Raketen, wobei alle Typen, von Kurz- bis
Langstreckenwaffen vertreten sind. Wir versuchen, die Elemente dieses
Potentials möglichst häufig zu treffen und damit letztlich die Zahl der
Attacken auf uns und ihre Genauigkeit zu mindern. Darauf konzentrieren wir uns.
Unsere Strategie zielt auf die zur Abfeuerung von Raketen ineinandergreifende
Aktionskette ab, auf die Menschen, die sich ihrer bedienen, auf die dahinter
stehende Logistikkette und die Kommandozentralen, die diese Geschützkräfte
steuern. Wir sprechen über eine hochentwickelte Militärorganisation, die
verschiedene Waffentypen zum Einsatz zu bringen vermag, ich möchte tatsächlich
fast behaupten, es handelt sich um eine regelrechte Armee. Ein anderer Punkt,
mit dem wir uns befassen, ist die Zerschlagung der operationalen Kapazitäten
des Gegners. Wir suchen dies zu erreichen, indem wir die Routen kappen, die er
benutzt, und indem wir in die Abschußzonen feuern, um den reibungslosen Verlauf
seiner Operationen so weit wie möglich zu verhindern oder zu zerstören.“[40]
Für
amnesty international ist klar, daß die Bekämpfung einer Guerillagruppe, die
ihre Basen in der Zivilbevölkerung unterhält, besondere Probleme aufwirft. So
ist es zum Beispiel nicht leicht, Waffen innerhalb ziviler Gebäuden ausfindig
zu machen, diese zu zerstören und etwaige Schäden für Zivilisten dabei
möglichst geringzuhalten. Solche Anforderungen sind in den Regeln der
internationalen Völkerrechte jedoch durchaus berücksichtigt. Folglich können
operationale Probleme bei der Bekämpfung irregulärer Truppen nicht als
Rechtfertigung für eigene, nicht differenzierende oder unverhältnismäßige
Angriffe, unterlasse Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung oder
für andere gravierende Völkerrechtsverstöße herangezogen werden.
Auch
Guerillatruppen dürfen sich nach den internationalen, kriegsrechtlichen
Bestimmungen nur bestimmter Taktiken bedienen. Hier gilt gleichermaßen, daß die
besonderen Anforderungen im Kampf gegen übermächtige, besser ausgerüstete und
organisierte, staatliche Kräfte keine Entschuldigung für gravierende Verstöße
gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte bieten können.
In
einem Informationsgespräch mit amnesty international erklärten israelische
Militärvertreter, daß ihren Truppen während der gesamten Kampagne nur zwei
grobe Fehler unterlaufen seien – zum einen der Angriff auf eine UN-Posten bei
al-Khiam, der vier UN-Beobachter das Leben kostete und zweitens die Attacke auf
ein Gebäude in Qana, bei dem 28 Zivilisten starben. Wohl um der Aufmerksamkeit
und Besorgnis auf internationaler Ebene zu begegnen, gab die israelische
Regierung zu beiden Fällen eine öffentliche Stellungnahme ab. Die angebotenen
Erklärungen, blieben jedoch unzureichend und ließen wichtige Fragen
unbeantwortet.
Angriffe auf einen UN-Posten bei al-Khiam auf ein Haus in Qana
Nachdem Umgegend der
Beobachterposten der Vereinten Nationen bei al-Khiam tags zuvor unter ständigem
Artilleriefeuer gestanden hatte, wurde am 25. Juli das Gebäude selbst von einem
direkten Luftschlag der israelischen Armee getroffen. Die Vereinten Nationen
gaben an, daß ihre Belegschaft über Stunden hinweg mehrfach mit den
israelischen Offiziellen in Kontakt gestanden und darum gebeten hatte, daß die
israelischen Truppen ihre Angriffe in der Nähe des UN-Postens einstellten. Nach
UNIFIL-Berichten kamen 21 Einschläge im Abstand von bis zu 300 Metern und 12
Artillerieladungen im Abstand von bis zu 100 Metern von der Basis entfernt
nieder. Vier davon schlugen direkt in das Gebäude ein.[41]
Am folgenden Tag
erklärte der UN-Sicherheitsrat, daß er durch den Angriff „tief geschockt und
erschüttert“ sei und forderte die israelische Regierung auf, eine umfassende
Untersuchung des Vorfalls durchzuführen. Ebenfalls am 26. Juli gaben die
israelischen Streitkräfte bekannt, daß sie in der Gegend von al-Khiam
operierten, „von wo aus die Hisbollah Raketen gegen Israel abfeuert“.
Angriffe auf einen UN-Posten bei al-Khiam - Fortsetzung
Die israelische
Regierung äußerte ihr Bedauern über den Vorfall und sagte, daß „eine
vollständige Untersuchung in enger Zusammenarbeit mit der UN auf dem Weg“ sei.[42] Eine gemeinsame Untersuchung
mit der UN lehnte der Staat Israel jedoch ab - und machte keine Angaben über
die Art der Untersuchung, die er selbst durchführte oder wie deren Ergebnisse
lauteten. Nachdem sich der Untersuchungsausschuß der UN des Vorfalls angenommen
hatte, erklärte das Büro des Generalsekretärs:
„Der Untersuchungsausschuß stellt fest, daß die
israelischen Behörden die volle Verantwortung für den Vorfall anerkennen, den
sie als Fehler „auf operativer Ebene“ bezeichnen und für den sie sich bei den
Vereinten Nationen entschuldigten. Der Ausschuß hatte keinen Zugang zu
IDF-Kommandanten der operationalen oder taktischen Ebene. Er war insofern nicht
in der Lage, festzustellen, warum die Angriffe auf den UN-Posten – trotz
wiederholter Vorsprachen von UN-Vertretern bei den israelischen Behörden sowohl
im Kampfgebiet wie auch in den Hauptquartieren – nicht gestoppt werden
konnten.“[43]
Angriff auf ein Haus in Qana
Am 30. Juli starben bei einem
israelischen Angriff auf ein dreistöckiges Haus in Qana mindestens 28 Zivilisten,
die meisten davon Kinder, die sich dort versteckt hielten (sämtliche
Einzelheiten hierzu siehe Kapitel 4).
Zunächst hatten
israelische Offizielle behauptet, daß man auf den Abschuß von Katjuschas aus der
Umgegend des Ortes reagiert habe und daß der Einsturz des Hauses wohl eher der
Explosion dort gelagerter Hisbollah-Waffen zu danken sei, als einem
israelischen Angriff.[44]
Drei Tage
später, am 2. August 2006, verkündeten israelische Offizielle den Abschluß
einer diesbezüglichen Untersuchung und erläuterten, daß „der Beschuß des
Gebäudes in Einklang mit den Militärrichtlinien zum Feuereinsatz gegen
verdächtige Strukturen innerhalb von an Gebiete grenzende Ortschaften erfolgte,
aus denen zuvor Raketen in Richtung Israel abgefeuert und deren Einwohner zur
Evakuierung aufgefordert worden waren,”. Nach ihren Informationen sei „das
Gebäude von Terroristen als Versteck genutzt worden.” Zivilisten hätten sich
keine darin befunden.
Angriffe
auf einen UN-Posten bei al-Khiam auf ein Haus in Qana - Fortsetzung
In der genannten Stellungnahme
wurde zudem festgehalten, daß der Generalstabschef der israelischen Armee
„befohlen hat, die Richtlinien zur Eröffnung des Feuers auf verdächtige Ziele
zu überprüfen und umgehend auf den neusten Stand zu bringen.” [45]
In beiden Fällen gab die israelische Regierung keine Auskunft über Methoden
und Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Untersuchungen. Und auch zur Art der
Fehler, die ihrer Meinung nach gemacht wurden, oder dazu, ob die für diese
Fehler Verantwortlichen identifiziert werden konnten, äußerte sie sich nicht.
Zudem ließen die israelischen Behörden nicht erkennen, ob eine Überarbeitung
der Richtlinien zur Eröffnung des Feuers, wie am 2. August 2006 verkündet,
stattgefunden hat und, so dies geschehen sein sollte, wie deren Ergebnisse
lauten.
Auch in bezug auf andere Vorfälle bedauerte die israelische Regierung regelmäßig
und ausdrücklich die durch Angriffe ihrer Streitkräfte verursachten, zivilen
Verluste – und gab ansonsten die der allgemeinen Politik des Staates
entsprechenden Stellungnahmen ab. Hinsichtlich nahezu aller weiteren Fälle,
waren keinerlei Angaben über die Vorkommnisse im Einzelnen, wie die
beabsichtigten Ziele, Überlegungen zur Proportionalität oder die zum Schutz von
Zivilisten getroffenen Vorkehrungen erhältlich. Soweit amnesty international
dies für die in diesem Bericht enthaltenen Fälle feststellen konnte, deutete
die Beweislage vor Ort zum Zeitpunkt der Angriffe nicht auf militärische
Aktivitäten der Hisbollah in den betroffenen Gebieten hin. Insofern wären
detaillierte Angaben zu den oben erwähnten Elementen für eine Bewertung der
Rechtmäßigkeit dieser Angriffe von besonderer Wichtigkeit.
Die israelische Armee verfügt über hochentwickelte Aufklärungssyteme, vor allem unbemannte Drohnen, die sie während des Konfliktes über dem Libanon auch intensiv nutzte. Angesichts dieser Tatsache klingen die Behauptungen von offizieller israelischer Seite, daß man über die Anwesenheit von Zivilisten in den Zielgebieten nicht informiert gewesen sei, besonders besorgniserregend.
‘Ainata, 19. Juli 2006
Am 19. Juli 2006 wurde das Haus der Familie Wehbe
in der Ortschaft ‘Ainata gleich zwei Mal getroffen. Der 85-jährige Mousa Wehbe
und sein älterer Nachbar Hussein Samhat starben. Kurz darauf schlug eine Rakete
in ein anderes Haus ein und tötete Mousa Darwish, seine 17 Jahre alte Tochter
Amal und dessen Nichten Zainab, 17, und Salwa, 20, sowie die äthiopische
Haushälterin der Familie, Alawiya Muzammal Awali.
‘Ainata, 19. Juli 2006 – Fortsetzung
Mousa Darwish's andere Tochter und sein Sohn und
wurden bei dem Angriff schwer verletzt - die 18-jährige Himyam lag 10 Tage lang
im Koma und erlitt Gedächtnisverluste, ihr jüngerer Bruder Mahmoud wird seine
Beine nie wieder bewegen können.
Das Haus war etwas abseits der Ortsmitte in einer
Siedlung eingeschossiger, durch Obstgärten voneinander abgetrennter Häuser
gelegen. Mousa Darwish's Halbbruder Samih, der direkt neben dem zerstörten Haus
wohnt, erklärte amnesty international:
„Hier war nichts, es gibt hier keine Widerstandsbewegung. Hier leben nur
wir, unsere Familie. Auch die Straße endet hier, also kommt hier noch nicht mal
jemand durch und wir sind über alles im Bilde, was geschieht. Es gab keinen
Grund uns zu bombardieren.“
Auch
die allgemein gehaltenen Erläuterungen ihrer Vorgehensweisen sowie die
israelischen Interpretationen internationaler Rechtsvorgaben, die die israelischen
Behörden veröffentlicht oder mit amnesty international diskutiert haben, geben
Anlaß zu erheblichen Bedenken.
So wurde amnesty international zum Beispiel
während eines Informationsgesprächs mit israelischen Militärvertretern
erzählt, daß wenn israelische Soldaten, einen Mann beim Zünden einer Rakete
beobachten und ihn danach in ein Haus gehen sehen, daß sie dieses Haus dann
ohne weitere Nachfrage angreifen dürfen. amnesty international hält eine solche
Reaktion für unverhältnismäßig. Die bloße Tatsache, daß ein Kampfteilnehmer ein
Haus betritt, berechtigt nicht automatisch zur Attacke dieses Hauses. Wer das
Gebäude angreift, um einen Kombattanten zu töten, ohne den Versuch, erst einmal
zu klären, ob sich nicht etwa Zivilisten dort aufhalten, verstößt gegen das
Verbot unverhältnismäßiger Angriffe.
Ernste Besorgnis wecken auch verschiedene
öffentliche Stellungnahmen aus der politischen und militärischen Führungsriege
Israels, die darauf hinwiesen, daß die israelischen Truppen alle Zivilisten,
die nicht aus dem Südlibanon geflohen waren, als legitime Zielobjekte
betrachteten. Am 27. Juli äußerte der israelische Justizminister Haim Ramon:
„All jene, die sich jetzt noch im Südlibanon aufhalten, sind Terroristen, die
auf die eine oder andere Art mit der Hisbollah in Verbindung stehen.“[46] Er erklärte
weiter: „Ein Dorf wie Bint Jbeil, in dem die Einwohner zur Evakuierung
aufgefordert wurden und fortgegangen sind, wo also nur noch die Scharfschützen
der Hisbollah zurückgeblieben sind, sollte aus der Luft und durch die
Artillerie in Grund und Boden gehämmert werden, bevor die Truppen dort
eintreffen.“[47] Am selben Tag
ließ Dan Halutz, Generalstabschef der IDF, auf einer Pressekonferenz verlauten:
„Bint Jbeil wurde von der Luft aus und durch die Artillerie in dem Maß
bombardiert, das wir für ausreichend hielten. Die humanitäre Frage stellte sich
hier nicht, weil Bint Jbeil von Zivilisten entleert war und sich von innen wie
außen fest in Hisbollah-Hand befand.“[48]
Bint Jbeil war jedoch keineswegs
von „Zivilisten entleert“. Am 31. Juli und am 1. August, als Journalisten und
das ICRC den Ort während einer zweitägigen Feuerpause besuchten, zeigten die
Medien Bilder von Toten und Überlebenden, die aus den Trümmern ihrer Häuser
gezogen wurden. Drei Journalisten erzählten amnesty international, daß sie eine
verzweifelte, mit bloßen Händen im Schutt grabende Frau trafen, die sie
angefleht hatte, bei der Suche nach ihrer Schwester zu helfen. Das taten sie
und konnten letztlich zwei ältere Frauen, von denen eine bettlägerig und
behindert war, und deren noch älteren Bruder noch lebend bergen. Die drei, alle
über siebzig, waren über eine Woche unter den Trümmern ihres Hauses im Zentrum
von Bint Jbeil eingeschlossen gewesen.
Die Befürchtung ähnlicher Vorfälle weckten die
Texte der Flugblätter, die die israelische Luftwaffe mehrfach über dem
Südlibanon abwarf, um die Bevölkerung vor näher rückenden Angriffen zu warnen
und zur Evakuierung aufzufordern. Besonders zu hinterfragen wäre in diesem
Zusammenhang das Flugblatt vom 7. August 2006. Es verkündet, daß „alle
Fahrzeuge jedweder Art, die südlich des Flusses Litani unterwegs sind, aufgrund
des Verdachts des Transports von Raketen, militärischem Equipment oder
Terroristen bombardiert werden“. Hier liegt ein ganz offensichtlicher Bruch der
Prinzipien der Unterscheidung und der Vermutung des zivilen Status vor. Ein
laut dieser Drohung umgesetzter Angriff wäre ein nicht differenzierender
Angriff, der ebenso als direkter Angriff auf Zivilisten gewertet werden kann.
Andere Flugblätter und Angriffsmuster
lassen die Annahme zu, daß israelische Truppen bestimmte Fahrzeugtypen wie
Laster, Lieferwagen und Motorräder bewußt unter dem Verdacht ins Visier nahmen,
daß sie von Kämpfern der Hisbollah benutzt werden. Ein Flugblatt vom 25. Juli
statuiert, daß „offene und geschlossene LKWs“ allein aufgrund dieses Verdachtes
bombardiert werden könnten. amnesty international dokumentiert in Kapitel 4
zwei tödliche Luftschläge gegen einen Bäckereilaster und einen Motorradfahrer.
Beide ereigneten sich am 6. August 2006 auf Straße nach Tyre in der Nähe eines
Konvois der Vereinten Nationen.
Von amnesty international im
September 2006 zu dieser Art Angriff befragt, erklärten israelische Offizielle,
daß in den meisten Fällen dienstliche Informationen vorgelegen darüber hätten,
daß die attackierten Fahrzeuge in „Hisbollah-Mission“ unterwegs gewesen seien.
Die Befragten deuteten allerdings auch an, daß LKWs, die sich noch auf den
Straßen befanden, nachdem die Bevölkerung gewarnt worden war und die meisten
Menschen das Gebiet verlassen hatten, als legitimes Ziel betrachtet wurden,
insbesondere auf Strecken wie der Hauptverbindungsstraße des Libanon mit
Syrien. amnesty international ist davon überzeugt, daß jeder Angriff, bei dem
nicht die konkreten Umstände eines jeden einzelnen Falles in Betracht gezogen
wurden, gegen die Vermutung des zivilen Status verstoßen hat und somit den
Tatbestand eines nicht differenzierenden Angriffs, möglicherweise auch eines
direkten Angriffs auf Zivilisten erfüllt.
Eine Flucht bedeutete für die Zivilbevölkerung jedenfalls keine Garantie ihrer Sicherheit. Israelische Truppen griffen Zivilisten an, die ihre Dörfer verlassen hatten und nach Norden unterwegs waren, obwohl diese den Anweisungen der israelischen Militärbehörden folgten, die durch Luftflugblätter und mit anderen Mitteln verbreitet worden waren. Israel hat bislang keine adäquate Erklärung dafür abgegeben, wie die einzelnen Vorfälle, die zur Tötung unbewaffneter Zivilisten führten, unter solchen Umständen zustande kommen konnten.
Auf der
Flucht attackiert
„Die
Armee sagte uns, daß wir das Dorf verlassen sollen, aber die, die es taten,
wurden daraufhin bombardiert und getötet. Warum? Ein Wagen voller Kinder!“
So schildert ein Angehöriger der Familie
‘Abdallah sein Unverständnis und seine Verzweiflung. Er hatte den Angriff
überlebt, den israelische Truppen auf einen Konvoi von Familien, die aus dem
Dorf Marwahin geflohen waren, gestartet hatten. Dieser Angriff vom 15. Juli
hinterließ 23 tote Zivilisten, mehrheitlich Kinder. Die Einwohner von Marwahin
hatten ihr Dorf geräumt, weil israelische Soldaten sie per Megaphon dazu
aufgefordert hatten. Der Überlebende sagte:
„Von der Nähe des Grenzzauns aus beschuldigten uns israelische Soldaten,
dem Widerstand zu
helfen. Sie sagten, daß wir den Ort verlassen müssen. Aber wir haben mit dem Widerstand
nichts zu tun. Es gab nur einen
Hisbollah-Kämpfer in unserem Dorf und dem machten wir klar, daß wir Waffen im
Dorf oder Attacken aus dem Umland des Dorfes nicht wünschen.“
Als der Flüchtlingskonvoi die Gegend zwischen
Shama’a und Bayada erreicht hatte, geriet er in ein anhaltendes Sperrfeuer, das
offenbar von einem Kriegsschiff der israelischen Marine und von
Hubschrauberkommandos ausging. Es macht wütend, zu lesen, wie hoch der Blutzoll
allein bei diesem einen Vorfall lag.
Die
Liste der Toten von Marwahin:
·
Zahra Fares
‘Abdallah, 45, Mutter von 10 Kindern, ihr Sohn Hedi, 6, und ihre Tochter Mirna,
·
Sana’ Muhammad ‘Abdallah,
30, und fünf ihrer Kinder – ‘Ali, 15, Muhammad, 13, Hussein, 12, Hassan, 10 und
Lama, 2,
·
Muhammad Mousa
Ghannam, 47, seine 35-jährige Ehefrau Suha und ihre sechs Kinder Qasem, 16,
Mustapha, 15, Hussein, 11, Fatima, 14, Zainab, 10 und Do’a, 7,
·
Mariam Brahim
‘Abdallah, 27, und ‘Ali Kamil ‘Abdallah, 55, sein 17-jähriger Sohn Muhammad,
seine alte Mutter Subha Hassan ‘Abdallah sowie die beiden älteren Schwestern
Latifa and Fawzia Abu Hadla.
Viele weitere
Menschen wurden schwer verletzt, darunter auch ein älterer Mann namens Mousa
Touhan Seif, der beide Beine verlor.
Zusätzlich
besorgniserregend ist die israelische Interpretation des Begriffs des
militärischen Vorteils in bezug auf die Verhältnismäßigkeit. Israel behauptet,
daß der militärische Vorteil „nicht in einem einzelnen Angriff, sondern in der
Militäroperation als ganze zu sehen ist.“[49] Israelische
Sprecher deuteten amnesty international gegenüber an, daß die einfache
Tatsache, daß bestimmte Objekte, wie Elektrizitätswerke und Tankstellen, auch einen
militärischen Nutzen haben, dazu führe, daß diese ihrer Ansicht nach als
legitime Zielobjekte einzustufen sind.
Diese Definition ist zu weit gegriffen. Ein legitimer, militärischer Vorteil kann nicht dergestalt sein, daß er nur einen potentiellen oder unbestimmten Vorteil bietet, sonst könnte diese Interpretation zur Rechtfertigung tatsächlich aller Attacken herangezogen werden, weil nahezu jedes zivile Objekt potentiell auch militärisch genutzt werden könnte, selbst Nahrungsmittel und Wasser. Stattdessen müssen militärischer Vorteil und wahrscheinliche Schäden für Zivilisten in Balance gehalten werden. Die militärischen Truppen sind daher verpflichtet, von Angriffen abzusehen, bei denen die Schäden auf der einen Seite den Vorteil für die andere Seite überwiegen.
Die Muster und Reichweite der
israelischen Angriffe auf die Infrastruktur des Libanon, gepaart mit den
Stellungnahmen israelischer Offizieller, spiegeln diese überdehnte
Interpretation des Konzepts des militärischen Vorteils deutlich wider. Einige
Angriffe waren offenkundig darauf angelegt, der libanesischen Bevölkerung eine
Art kollektiver Bestrafung zukommen zu lassen, um einerseits die libanesische
Regierung gegen die Hisbollah aufzubringen und andererseits die militärischen
Möglichkeiten der Hisbollah selbst zu schwächen.[50] In diesem
Zusammenhang führte die israelische Armee anscheinend auch direkte Angriffe auf
zivile Objekte durch, wie etwa bei der Zerstörung von Industrieanlagen und des
kleinen Hafens von of al-Ouza’i mit seinen Fischerbooten (siehe Kapitel 5).
Die möglicherweise strafende Natur der Angriffe
auf die Infrastruktur des Libanon zeigt sich auch in den Stellungnahmen
israelischer Offizieller. Während der ersten Kriegstage, kurz nach
Gefangennahme der beiden israelischen Soldaten durch die Hisbollah, erklärte
IDF-Generalstabschef Halutz, daß: „Wenn die Soldaten nicht zurückgegeben
werden, wird die Uhr im Libanon um 20 Jahre zurückgestellt.“[51] Laut der
israelischen Tageszeitung Jerusalem Post
drohte ein hochrangiger Offizier der IDF, daß Israel die libanesischen
Elektrizitätsanlagen zerstören werde, wenn Kämpfer der Hisbollah
Langstreckenraketen auf strategische Einrichtungen in Nordisrael abfeuerten.[52] Am 24. Juli
2006 erklärte ein hochrangiger Offizier der israelischen Luftwaffe auf einer
Pressekonferenz gegenüber Reportern, daß Generalstabschef Halutz das Militär
angewiesen habe, für jeden Hisbollah-Raketenschlag auf die Stadt Haifa[53] zehn Gebäude
in Beirut zu zerstören. Laut New York
Times sagte Halutz, daß die Luftangriffe dem Zweck dienten, libanesische
Offizielle unter Druck zu halten und der libanesischen Regierung die Botschaft
zu vermitteln, daß sie die Verantwortung für die Aktionen der Hisbollah zu
tragen habe. [54]
In jedem Fall scheint es wahrscheinlich, daß ein Großteil der Zerstörung
der Infrastruktur des Libanon durch Israel eher die fliehende Zivilbevölkerung
und die Konvois humanitärer Hilfsorganisationen trafen, als daß sie
Hisbollah-Akteure daran gehindert hätten, ihre Kämpfer oder deren Ausrüstung zu
transportieren.
Jiyye – eine Umweltkatastrophe
Die israelische
Bombardierung des Kraftwerks von Jiyye vom 13. und 15. Juli wirkte sich
verheerend auf die Umwelt, die Wirtschaft des Landes und die Lebensumstände der
dort lebenden Menschen.
Zwischen 10.000
und 15.000 Tonnen Öl quollen ins Meer. Weitere 55.000 Tonnen verbrannten und
verbreiteten dicken Rauch mit herunterfallenden Öltropfen über ein weites
Areal.
Jiyye – eine Umweltkatastrophe – Fortsetzung
Der Ölschlamm bedeckte in variierender
Stärke gut 120 Kilometer der Mittelmeerküste. Große Teile des Meeresbeckens
wurden verseucht. Die Ökosysteme der See und der Küste, einschließlich der
Vögel und Fische, wurden stark geschädigt.[55]
‘Abd al-Razaq
al-Eitani, Direktor des Kraftwerks, erklärte gegenüber amnesty international,
daß am 13. Juli der erste Tank mit 10.000 Tonnen Öl durch einen Luftschlag
zerstört wurde. Zwei Tage später wurde der 15.000-Tonnen-Tank getroffen. Dieser
setzte einen weiteren Behälter mit 25.000 Tonnen Öl in Brand. Ein Mensch wurde
bei den Angriffen leicht verletzt und verschiedene weitere Personen, auch er
selbst, trugen Rauchvergiftungen davon.
Nach Schätzungen der
libanesischen Regierung wird es 10 Jahre dauern, bis die betroffenen Gebiete
sich vollständig erholt haben. Die UN schätzten die Kosten für eine erste
Aufräumaktion auf 64 Millionen US$.
Da das Kraftwerk und seine
Treibstofftanks direkt am Meer liegen, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch,
daß ein Angriff darauf sofortige, verheerende und langanhaltende Folgen für
die maritime Umwelt mit sich bringen würde. Solche Risiken übersteigen
eindeutig jeden anzunehmenden, militärischen Vorteil. amnesty international
glaubt, daß die Angriffe auf das Kraftwerk von Jiyye unverhältnismäßig waren.
Sie gelten ebenfalls als Verstoß gegen das Verbot von Kriegsmitteln oder
Methoden, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu weitverbreiteten,
langanhaltenden und schweren Umweltschäden führen.
Zu den israelischen Angriffen, die offenbar über
jedes Maß weit hinausgingen, zählen auch die Attacken auf den Südbeiruter
Vorort Dhahiyeh, wo die Hisbollah ihr Hauptquartier hatte.
Dhahiyeh wurde mit intensiven und schweren
Bombenangriffen von der See her und aus der Luft überzogen, auch nachdem die
meisten Einwohner längst geflohen waren. Diese Bombardierungen verursachten
massive Schäden – Berichten zufolge wurden rund 250 mehrstöckige Gebäude mit
mindestens 4.000 Wohnungen zerstört.[56] Nach
Schätzungen verloren zwischen 30.000 und 60.000 Menschen ihre Wohnung.[57] Zwar stellten die
im Hisbollah-Hauptquartier gelegenen, militärischen Kommandozentralen ein
legitimes Angriffsziel dar, das Ausmaß der Schäden in dem Stadtteil ringsum
läßt jedoch vermuten, daß die israelischen Luftschläge sich gegen jedes Haus
richteten, daß auch nur im Entferntesten mit irgendwelchen Aktivitäten der
Hisbollah in Zusammenhang gebracht werden konnte. In diesem Sinne handelt es
sich hier um direkte Angriffe auf zivile Objekte, die womöglich auch als Mittel
zur kollektiven Bestrafung der Einwohner von Dhahiyeh dienen sollten.
Während des gesamten Krieges setzten israelische
Streitkräfte den Libanon zu Land, von der See her und aus der Luft heraus unter
massiven Beschuß und feuerten dabei fast täglich tausende Granaten ab. Diese Bombardierungen
kosteten Zivilisten das Leben und zerstörten deren Wohnhäuser und andere
Gebäude, oder machten sie unbrauchbar. Dies mag Bestandteil der Taktik gewesen
sein, die die IDF als „in die Abschußzonen feuern, um den reibungslosen Verlauf
ihrer [Hisbollah] Operationen so weit wie eben möglich zu stören oder zu
unterbrechen.“ beschrieb. [58]
Bei der Bombardierung des Südlibanon durch die
Artillerie hat man indes auf eine solche Differenzierung verzichtet. „Im
letzten Libanonkrieg feuerten wir wie die Verrückten, ohne uns an irgendwelche
Sicherheitsbereiche zu halten“, ließ Berichten zufolge[59] ein
Artillerist verlauten. Ein anderer, israelischer Soldat erklärte gegenüber
amnesty international, daß seine Artillerieeinheit Anfang August die
Zielkoordinaten für eine Reihe libanesischer Dörfer mit dem Zusatz „überfluten“
– dichter Beschuß – erhalten habe. Eines dieser Dörfer sei, wie er glaube,
Tayyabah gewesen (siehe auch Kapitel 4).
Die überwiegende Mehrheit der zerstörten oder
beschädigten Gebäude, die amnesty international besichtigte, zeigten keinerlei
Hinweise darauf, daß sie von Hisbollah-Kämpfern als Versteck oder Waffenlager
benutzt wurden. Das Muster der Zerstörungen ließ in den meisten Fällen jedoch
die Annahme zu, daß die Grundstücke wohl eher beschossen wurden, um sie außer
Stand zu setzen, als in der Absicht dort einzelne Kämpfer zu töten oder
versteckte Waffen zu vernichten. Auch hätte die Art der Schäden, die durch
Artilleriesperrfeuer an den getroffenen Gebäuden verursacht wurde, in keiner
Weise verhindern können, daß die Hisbollah ihre dort gelagerten Waffen
gegebenenfalls nicht hätte wieder einsammeln können. In den meisten der
besichtigten Häuser konnten die Delegierten amnesty internationals auch keine
Brandreste feststellen. Die hätten jedoch vorhanden sein müssen, wenn in den
Gebäuden ein Munitionslager getroffen oder ein etwaiger Brand auch nur durch
Feuerprojektile oder andere Munition hervorgerufen worden wäre.
Während der letzten drei Tagen des Konfliktes, als der Waffenstillstand
schon vereinbart war, intensivierte Israel seine Luft- und Artillerieangriffe
und die Armee setzte vielerorts zusätzlich auch Waffen mit Streusprengkörpern
in Wohngebieten ein. Gut vier Millionen dieser Sprengkörper, von denen rund ein
Viertel nicht explodierte, wurden über den südlichen Libanon verteilt und kamen
– wie in Kapitel 5 illustriert – in Dörfern und Wohnhäusern, auf Feldern,
Straßen und in Obsthainen zu Boden.
Die beiden
12-jährigen Schwestern Marwa und Sikne Me’ri sowie der 10-jährige Hassan Tehini
erlitten Verletzungen, als am 17. August eine Streubombe in der Nähe ihres
Wohnhauses im Dorf ‘Ait al-Sha’b explodierte. Marwa Me’ri erzählte amnesty
international, daß sie, Sikne und Hassan beim Spielen auf den Trümmern des
Hauses eines Verwandten, daß die israelische Armee zerstört hatte, einen
kleinen Gegenstand entdeckten:
„Ich hob die Bombe auf, aber ich wußte nicht, daß es eine Bombe war und
Hassan sagte, daß ich das Ding wegwerfen soll. Als ich das tat, explodierte
es.“
Die drei Kinder
wurden verletzt. Hassan trug schwere Verletzungen am Bauch davon. Marwa und
Sikne hatten am ganzen Körper Splitterwunden. Der behandelnde Arzt, der Hassan
als erster begutachtete, sagte:
„Die Verletzungen des Jungen waren horrend. Seine Gedärme hingen heraus und
wir machten uns große Sorgen, daß wir ihn verlieren würden. Glücklicherweise
hat er überlebt.“
Marwa’s Mutter
erzählte amnesty international:
„Einen Tag nach Kriegsausbruch nahm ich die Kinder und wir flohen, weil die
israelische Armee das Dorf bombardierte. Wir verbrachten einen Monat weit weg
von Zuhause und kamen erst am 15. August, dem Tag des Kriegsendes, zurück. Aber
unser Haus war zerstört. Jetzt sind wir bei Verwandten untergekommen. Ich
dachte, daß wir nun, wo der Krieg vorbei ist, wenigstens in Sicherheit sind.
Aber es liegen überall Bomben, die nicht explodiert sind. Wir haben noch nicht
mal eine Wohnung und auch der Schulunterricht wird dieses Jahr später beginnen,
weil die Schulen und alles im Dorf zerstört wurden, so daß die Kinder oft
draußen spielen. Ich bin jedes Mal außer mir vor Sorge, wenn ich sie nicht mehr
im Blickfeld habe.“
Streubomben stellen eine
erhebliche Gefahr für die Zivilbevölkerung dar. Die Sprengkörper, die sie verteilen,
sind sehr klein und verschieden geformt – manche sind so groß wie Tennisbälle,
andere gleichen Taschenlampenbatterien. Das macht sie für Kinder attraktiv und
durch ihre geringe Größe sind sie viel schwerer zu entdecken als andere nicht
explodierte Munition.
Wohl noch über Jahre wird die große Zahl nicht
explodierter Sprengkörper im Libanon weitere Menschen ohne jeden Unterschied
töten und verstümmeln. Israel verteidigte seinen Einsatz von Streubomben mit
der Aussage, daß solche Waffen nach internationalem Recht legal seien und daß
man sich „energisch bemüht“ habe, zivile Verluste zu vermeiden. Streubomben
unterliegen dem internationalen, humanitären Völkerrecht jedoch in gleicher
Weise wie jede andere Waffe auch. Der massive Einsatz dieser Waffen in
bewohnten Gebieten reicht insofern eindeutig an den Tatbestand eines nicht
differenzierenden Angriffs heran.
amnesty international stellte zudem gewisse
Zerstörungsmuster fest, die die israelischen Angriffe hinterließen. Diese
deuten darauf hin, daß die israelischen Streitkräfte auch solche Objekte bewußt
ins Zielvisier genommen haben, die für das Überleben der Zivilbevölkerung
unerläßlich sind, inklusive Supermärkte und andere
Lebensmittelverteilungsstellen, sowie Tankstellen und Wasserpumpen. Die Wirkkraft
dieser Zerstörungsmusters wurde durch die See- und Luftblockade, die von Beginn
des Krieges an bis fast vier Wochen nach dem Waffenstillstand über den Libanon
verhängt war, noch verstärkt. Die israelische Regierung hält an der Behauptung
fest, daß diese Blockade notwendig gewesen sei, um Waffen- und andere
Lieferungen an die Hisbollah zu verhindern und daß man deren Aufhebung nach dem
Waffenstillstand hinausgezögert habe, um den Aufmarsch der internationalen
Friedenstruppen abzuwarten, die dann eine Wiederbewaffnung der Hisbollah von
der See her und aus der Luft zu verhindern hätten.
Zwar sind solche Blockaden nach internationalem, humanitärem Völkerrecht nicht verboten, sie dürfen jedoch die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Nahrungsmitteln und anderen essentiellen Gütern nicht unterbinden. Die israelische Blockade führte jedoch dazu, daß lebenswichtige Lebensmittellieferungen und humanitäre Hilfe die bedürftigen Menschen nur schwer oder gar nicht erreichten. Sie könnten daher sowohl als Form der Kollektivstrafe wie auch als Mittel zur Behinderung militärischer Operationen der Hisbollah angeordnet worden sein.
Es ist dringend erforderlich, daß sämtlichen
Informationen, die auf Verstöße gegen die internationalen, humanitären
Völkerrechte hinweisen – wie etwa die in diesem Bericht präsentierten Beweise –
gründlich nachgegangen wird. Eine Untersuchung ist notwendig, um die für
solche Verstöße, inklusive Kriegsverbrechen, Verantwortlichen vor Gericht zu
stellen, die Opfer umfassend zu entschädigen und neue Vorgehensweisen und
andere Maßnahmen umzusetzen, die eine Wiederholung solcher Vergehen in Zukunft
verhindert.
„Es war
gefährlich, auf den Straßen unterwegs zu sein, aber es war ebenso gefährlich
zuhause zu bleiben.“ Ein Überlebender aus
der Familie ‘Awada, die am 17. Juli neun Angehörige beim Einschlag einer
israelischen Rakete in ihre Wohnhaus verlor.
Die von Kriegsbeginn an hohe Frequenz der
israelischen Bombardierungen bewirkte, daß sich innerhalb nur weniger Tage der
größte Teil der halben Million Einwohner des Südlibanon sowie zehntausende
Besucher des Landes in den Norden flüchteten. Viele waren jedoch tage- oder
wochenlang in ihren Dörfern gefangen und bis zu 120.000 Menschen blieben,
solange der Konflikt anhielt, in den Dörfern und Städten des südlichen Libanon
den israelischen Bombardierungen ausgesetzt. [60]
Einige konnten aufgrund ihres Alters oder ihrer
Behinderungen nicht fliehen. Manche wollten die Gegend zwar verlassen, befürchteten
aber, daß eine solche Reise zu gefährlich sei oder sie verfügten nicht über die
finanziellen Mittel. Wieder andere wollten ihre Häuser nicht im Stich lassen.
Mit dem ersten Kriegstag begann die Flucht der
Menschen aus ihren Dörfern. Doch die israelischen Angriffe auf
Flüchtlingsfahrzeuge aus der Ortschaft Marwahin vom 15. Juli 2006 (siehe
Kapitel 3) und die weitverbreiteten Attacken auf die Straßen und andere
Infrastruktur hielt offenbar viele zunächst von der Flucht ab. Am 30. Juli
verkündete Israel eine 48-stündige Luftangriffspause ab dem folgenden Tag.
Etliche der noch anwesenden Einwohner der südlichen Dörfer ergriffen jetzt die
Chance zur Flucht. Am Ende der Feuerpause waren viele Dörfer weitgehend
geräumt.
In der zweiten
Konfliktwoche warf die israelische Luftwaffe Flugblätter über dem Süden ab und
wies die Libanesen zur Evakuierung an. Dabei wurden grundsätzlich keine
bestimmten Orte benannt. Stattdessen forderte Israel alle südlich des Litani
lebenden Menschen auf, ihre Heimatorte vollständig zu räumen.
Zu diesem
Zeitpunkt war es für die betroffenen Einwohner äußerst schwierig geworden, die
Gegend zu verlassen. Viele Routen waren nicht mehr passierbar und die
israelischen Angriffe auf Fahrzeuge, die auf den noch intakten Straßen
unterwegs waren, gestalteten ein Fortkommen zunehmend gefährlich.
Die Blockade und die
gezielten Angriffe israelischer Streitkräfte auf die Treibstofflager und
Tankstellen führten zu Benzinengpässen. Die meisten Tankstellen, die noch nicht
zerstört oder ausverkauft waren, blieben geschlossen, weil die Eigentümer einen
Angriff fürchteten. Dadurch fehlte selbst jenen, die ein Fahrzeuge hatten, oft
das Benzin für die Flucht.
Für
Flüchtlinge ohne Auto stiegen – aufgrund der Benzinknappheit und der unterwegs
drohenden Gefahren – die Preise für selbst kurze Reisen dramatisch an.
Flugticketpreise kletterten ins Unermeßliche. Landbewohnern, die sich eine
solche Reise noch leisten konnten, gelang es oft nicht, mit der nächsten Stadt
in Kontakt zu treten, um den Transport zu organisieren. Durch israelische
Bombardements waren die Telefon- und Stromnetze zu diesem Zeitpunkt bereits
außer Stand gesetzt. Die Busverbindungen in die Städte existierten nicht mehr.
Handy-Akkus konnten nicht mehr an der Steckdose aufgeladen werden, wenn sie
erst einmal leer waren.
Die von der israelischen Armee abgeworfenen
Flugblätter forderten ursprünglich jeden auf, das gesamte Gebiet südlich des
Flusses Litani – Heimat von etwa 500.000 Menschen – zu verlassen. Später
folgende Flugblätter warnten, daß in dieser Gegend sämtliche Fahrzeuge jedweder
Art, unter Beschuß genommen würden. So wurden Zivilisten in die unmögliche Lage
versetzt, daß sie – egal, ob sie blieben oder fortgingen – in jedem Fall ihr
Leben riskierten. Wie die Attacke vom 11. August 2006 auf die aus dem Dorf
Marjayoun abreisenden Zivilisten zeigt, bot es keinerlei Sicherheitsgarantie,
Teil einer Fahrzeugkolonne zu sein, auch wenn dies mit den israelischen
Streitkräften koordiniert war (siehe unten).
An die in den Dörfern südlich des Flusses Litani
lebenden Einwohner
Aufgrund
terroristischer Operationen, die von Ihrem Dorf und Ihren Wohnungen aus gegen
den Staat Israel durchgeführt werden, sind die israelischen Streitkräfte
gezwungen, diese Aktivitäten sofort und selbst innerhalb Ihrer Dörfer zu
beantworten.
Zu
Ihrer eigenen Sicherheit!!!
Wir fordern Sie auf, Ihre Dörfer sofort in
nördlicher Richtung des Flusses Litani zu verlassen! [61]
An das libanesische Volk Beachten Sie diese
Anweisungen!!
Die IDF (Israeli
Defence Forces / israelische Armee) wird ihre Aktivitäten verstärken und das
gesamte Areal, aus dem Raketen auf den Staat Israel abgefeuert werden, unter
schweres Bombengeschütz setzen.
Jeder, der in diesen Gebieten anwesend ist, gefährdet
sein Leben!
Zusätzlich wird jeder offene oder geschlossene LKW,
der südlich des Flusses Litani unterwegs ist, des Raketen- und/oder
Waffentransports verdächtigt und könnte bombardiert werden.
Seien
Sie sich darüber im Klaren, daß jeder, der sich in einem offenen oder
geschlossenen LKW auf die Straße begibt, sein Leben gefährdet.
Der
Staat Israel [62]
An
die libanesischen Zivilisten südlich des Flusses Litani
Lesen Sie diese Ankündigung aufmerksam und
folgen Sie den Befehlen
Die IDF wird ihre Einsätze verstärken und mit großer Kraft gegen die
Terrorgruppen vorgehen, die Sie als menschliche Schutzschilde mißbrauchen und
die Raketen aus Ihren Wohnungen auf den Staat Israel abfeuern.
Sämtliche
Fahrzeuge aller Art, die südlich des Flusses Litani unterwegs sind, werden
aufgrund des Verdachtes Raketen, militärische Ausrüstung und Terroristen zu
transportieren, bombardiert.
Jeder,
der sich in irgendeiner Art Fahrzeug auf die Straße begibt, bringt sein Leben
in Gefahr.
Der
Staat Israel [63]
Diese Flugblätter
erreichten nicht alle Dörfer. Mancherorts wurden die Blätter erst abgeworfen
wurden, als die Bomben längst gefallen waren.[64] In den von amnesty international besuchten Dörfern sagten viele
Menschen aus, daß sie nie ein Flugblatt zu Gesicht bekommen hatten.
Libanesische und internationalen Radio- und Fernsehanstalten machten die
Inhalte dieser Flugblätter ebenfalls weithin publik. Doch hatten die Menschen
in einigen Gebieten den Anschluß an die Außenwelt über Medien und
Kommunikationswege schnell verloren, weil Radio- und Fernsehsender sowie Strom-
und Kommunikationsnetzwerke längst durch israelische Angriffe zerstört waren.
Andere Personen, die
Flugblätter gesehen oder davon gehört hatten, in denen stand, daß die
israelischen Streitkräfte jene Gebiete bombardieren würden, aus denen Raketen
abgefeuert wurden, kamen – weil sie wußten, daß sich in näherer Umgebung Ihres
Dorfes keine Raketenabschußrampe befand – zu dem Schluß, daß es sicherer sei
zuhause zu bleiben. Außerdem glaubten sie, daß sie unterwegs womöglich
unabsichtlich in Gebiete gelangen könnten, aus denen Raketen abgefeuert wurden
oder in denen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Truppen und
Hisbollah-Kämpfern im Gange waren.
In manchen Dörfern wie
‘Ainata, ‘Aitaroun and Bint Jbeil, in deren Umland die israelische Armee von
Beginn des Konfliktes an präsent war, sahen sich die Einwohner plötzlich von
Kämpfen um ihre Dörfer herum eingeschlossen. Andernorts waren den Menschen zwar
klar gewesen, daß israelische Truppen in den Südlibanon vorgedrungen waren, um
die Hisbollah zu bekämpfen, sie wußten aber nicht genau, wo sich diese Truppen
aufhielten und trauten sie sich deshalb nicht nach draußen.
„Keiner von uns hat irgendetwas mit
dem Krieg zutun. Ich verstehe nicht, warum sie unser Haus bombardierten.“ Fatima
al-Akhras, die 12 Familienangehörige verlor, als ihr Haus in der Ortschaft
‘Aitaroun am 16. Juli bei einem israelischen Angriff getroffen wurde.
Vom 12. Juli 2006, dem ersten Konflikttag, an gab es Berichte über Artillerieangriffe der israelischen Armee auf Dörfer im gesamten Südlibanon. Am zweiten Tag wurden viele Häuser in etlichen Dörfern von Luftschlägen getroffen und Dutzende Zivilisten starben.
In den Fällen, die in diesem Kapitel
beleuchtet werden, fand amnesty international keine Hinweise auf militärische
Aktivitäten der Hisbollah in oder nahe den betroffenen Orten. Zu den meisten
Fällen bat amnesty international die israelische Regierung um Auskunft, mit
Blick auf deren Rechtmäßigkeit im Sinne internationaler Kriegsgesetze und vor
allem hinsichtlich der Gründe für diese Attacken, bei denen Zivilisten starben
und verletzt wurden. Israel teilte amnesty international zwar mit, daß die
Angriffe vorab juristisch geprüft und freigegeben waren, lieferte aber keine
weiteren Details. Bis heute sind die von amnesty international erbetenen Zusatzinformationen,
die klar darüber Auskunft geben könnten, ob sich die Angriffe im Rahmen
internationaler, humanitärer Völkerrechte bewegten, nicht bereitgestellt
worden. Basierend auf den verfügbaren Beweisen und in Ermangelung der
erbetenen, konkreten Details, geht amnesty international davon aus, daß die
zivilen Todes- und Verletztenfälle wahrscheinlich aus Verstößen der
israelischen Streitkräfte gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte
resultierten.
Bei einem Luftangriff auf das Haus der 78-jährigen Fatima Ahmad Bze’a im
Zentrum von Zibqin kamen zwölf Angehörige der Familie ums Leben, zwei weitere
Familienmitglieder wurden schwer verletzt. Die Familie hatte am 13. Juli am
Frühstückstisch gesessen, als eine Rakete in das Haus einschlug. Einige
Mitglieder der Familie lebten eigentlich anderswo im Ort und leisteten der
Großmutter Gesellschaft. Manche waren auch dort, weil sie es für gefährlicher
hielten, in den eigenen Häusern am Rande des Dorfes zu bleiben, denn die
israelischen Streitkräfte hatten diese bereits am Tag zuvor bombardiert.
Folgende Personen starben:
·
Fatima Ahmad Bze’a,
und ihre 60-jährige Schwester Thania,
·
ihre 44-jährige
Tochter Amal und deren drei Töchter, Khouloud, 18, Farah, 14, and ‘Aziza, 12,
·
ihre 45- jährige
Schwiegertochter Mariam al-Husseini Bze’a und ihre drei Söhne, die 17-jährigen
Zwillinge Malik und Mohammed und der 12 Jahre alte Hussein,
·
ihre Schwiegertochter
Sou’ad Nassour Bze’a, 40; und ihr 18jähriger Enkel Na’im Wa’el Bze’a.
Die beiden Söhne von Fatima Ahmad Bze’a, ‘Ali and
Darwish Bze’a, sagten amnesty international:
„Wir saßen auf
der Veranda und tranken Kaffee ... Es war für ein paar Stunden ziemlich ruhig
gewesen. Gegen circa fünf Uhr nachmittags hatten wir in der Umgegend des Dorfes
Raketeneinschläge gehört, danach nicht mehr. Auch am Abend zuvor hatte es gegen
sieben Uhr abends außerhalb des Dorfes einige Einschläge gegeben, aber nicht im
Dorf selbst. Wir waren zu Mutters Haus gegangen, um bei ihr zu sein. Es war ein
altes und stabiles Haus. Dem ursprünglich ebenerdigen Gebäude war ein zweites
Stockwerk hinzugefügt worden ... Wir wissen nicht, ob die Bombe kam durch das
Dach ins Haus kam oder seitlich durch die Mauern schlug. Es hörte sich an wie
zwei Explosionen. Wir wurden weggeschleudert, aus dem Haus raus und davon weg.“
‘Ali und
Darwish wurden schwer verletzt. ‘Ali, der durch den Angriff seine Ehefrau
Mariam und seine drei Kinder verlor (Malik, Mohammed und Hussein), erlitt eine
Kopfverletzung, einen Nasenbeinbruch und einen Bruch des rechten Fußgelenks.
Darwish verlor seine Frau Sou’ad und erhielt ebenfalls eine Kopfwunde, außerdem
schwere Verbrennungen, sowie über die ganze rechte Körperhälfte verteilte
Splitterwunden und Bänderrisse am rechten Fuß. Er verbrachte 27 Tage im
Krankenhaus, vier davon auf der Intensivstation.
Zahra Bandar, eine Nachbarin der Familie Bze’a, sagte amnesty international:
„Gegen acht Uhr früh ging ich zum Haus meiner
Nachbarin Fatima, um etwas Mehl zum Brotbacken zu borgen ... Sie luden mich
ein, noch dort zu bleiben und mit ihnen gemeinsam zu frühstücken, aber ich
blieb nur ein paar Minuten, ging zurück nach Hause und frühstückte dort. Ich
war erst kurz Zeit zurück gewesen, als das Nachbarhaus bombardiert wurde. Es
war schrecklich, unbeschreiblich. Die Körper der fünf Familienmitglieder, die
ich zuletzt im Schlafzimmer getroffen hatte, lagen immer noch da. Fatima‘s
Körper war in Stücke gerissen, die Körper von Farah und Na’im waren auf die
Felder hinaus geschleudert worden und auch ‘Ali war weit weg geflogen. Ich
konnte nicht glauben, daß auch nur einer überlebt hatte. Mariam‘s Körper blieb
tagelang unauffindbar.“
Zahra Bandar
erzählte dann von den Grausamkeiten, die sie und ihre Familie in den Wochen
nach diesem Angriff auszustehen hatten:
„Nachdem Fatima’s Haus bombardiert worden war,
wurde die Lage im Dorf sehr schwierig. Die Menschen, die in den Randbezirken
wohnten, hatten schreckliche Angst. Viele Verwandte kamen zu meinem Haus, weil
es etwas geschützter liegt. Wir waren etwa 20 Personen. Am frühen Freitagabend
gab es viele Explosionen und es kamen noch weitere Verwandte und Bekannte aus
dem Dorf. Insgesamt waren wir etwa 60 oder 70 Personen, vor allem Frauen,
Kinder und alte Leute. Die Druckwellen rissen die Türen aus den Zimmern, es war
sehr beängstigend und wir hatten nicht genug zu essen für alle, aber es war zu
gefährlich nach draußen zu gehen und nach Lebensmitteln zu suchen. Am Samstag
zogen wir alle in die Garage eines anderen Hauses in der Nähe um, weil uns das
sicherer erschien. Aber dort gab es nicht einmal Wasser.“
„Es kam auch ein bewaffnetes Fahrzeug der
UNIFIL-Truppen vorbei und wir versuchten sie anzuhalten und baten sie uns zu
evakuieren, aber das konnten sie nicht. Einige von uns zogen in ein wieder
anderes Haus um. Wir gingen an immer wieder andere Orte, die uns sicherer
erschienen, doch die Bomben kamen näher. Dann sahen wir wieder eine
UNIFIL-Patrouille, dieses Mal in einem Fahrzeug der libanesischen Armee, aber
sie konnten uns wieder nicht fortbringen. Wir zogen immer weiter von Haus zu
Haus. Einmal, als wir ein Haus verlassen und gerade die Straße zu einem anderen
Haus überquert hatten, das leer war und früher einer älteren Dame gehörte, die
nun gestorben war, fiel die Bombe genau dort auf die Straße, wo wir zwei
Minuten zuvor noch gegangen waren. Wir fühlten, daß man uns ins Visier genommen
hatte.“
Auch am 13. Juli starben bei israelische Luftangriffen vor Sonnenaufgang in
den drei Dörfern Baflay, al-Dweir und Srifa mindestens 25 Zivilisten.
·
Neun Angehörige der
Familie Zein starben in ihrem Haus in Baflay – der Farmer Mounir Zein, seine
Frau Najla, ihre fünf Kinder sowie der Ehemann ihrer Tochter und dessen Vater.
·
Zwölf Angehörige der
Familie Akash wurden in ihrem Haus in al-Dweir, etwa 15 Kilometer nördlich von
Tyre, getötet. ‘Adil Akash, ein religiöser Geistlicher, seine Frau Rabab und
ihre 10 Kinder im Alter von zwei Monaten bis 18 Jahren. Auch die Haushälterin
der Familie, eine Frau aus Sri Lanka, starb bei dem Angriff. Laut Berichten
stand ‘Adil Akash dem politischen Flügel der Hisbollah nahe. Es gibt jedoch
keinerlei Hinweise darauf, daß er oder eine andere im Haus anwesende Person an
militärischen Aktionen beteiligt war.
·
Um vier Uhr morgens
starben bei einem Luftangriff auf ein zweistöckiges Haus in Srifa vier
Mitglieder der Familie Mer’i – ‘Aqil Mer’i, seine Frau Ahlam, ihr neunjähriger
Sohn Hedi und ihre sechs Jahre alte Tochter Fatima. Nachbarn hörten, Hedi und
Fatima noch bis acht Uhr morgens weinen. Es handelte sich um eine Familie aus
Brasilien. Alle waren brasilianische Staatsbürger, die zum Urlaub bei
Verwandten in den Libanon gekommen waren. Sie wohnten bei Cousins, die in einem
anderen Teil des Hauses schliefen und den Angriff unbeschadet überlebten. Ein
Angehöriger der Familie erklärte amnesty international:
„Unsere Verwandten waren hier in Urlaub. Sie haben
nicht mal einen Monat im Libanon verbracht. Sie sind den ganzen, langen Weg von
Brasilien aus angereist, um hier im Schlaf ermordet zu werden. Die Bombe oder
Rakete, ich weiß es nicht, aber ich glaube, es war eine Rakete, schlug auf der
Seite des Hauses ein, wo sie im zweiten Stock lagen und tötete sie. Andere
Angehörige, die auf der anderen Seite des Hauses schliefen, starben fast durch
den Schock. Die Leichen konnten erst sehr viel später am Tag aus den Trümmern
geborgen werden, weil die Bombardierungen weitergingen.“
Der hohe Todeszoll in der Zivilbevölkerung des Libanon
während der ersten 24 Stunden des Konfliktes ließ auf internationaler Ebene
umgehend Besorgnisse laut werden. Vor dem UN-Sicherheitsrat erklärte der
israelische Abgesandte, daß Israel am 14. Juli „Bollwerke und Infrastrukturen
der Hisbollah und keine zivilen Ziele“ angegriffen habe.[65] Israelische
Offizielle ließen verlauten, daß die Bombenkampagne so weitergehen werde, wie
sie begann.
In den Tagen darauf nahmen die israelischen
Luftangriffe und damit auch die zivilen Verluste weiter zu.
‘Aitaroun
und Tyre – 16. und 17. Juli
Bei drei Luftangriffen auf das Dorf ‘Aitaroun
und auf die Stadt Tyre, die größte Stadt des Südens, starben am 16. und 17.
Juli über 30 Zivilisten, darunter wiederum etliche Kinder. Einige weitere
Menschen trugen Verletzungen davon.
Bei
dem israelischen Luftschlag auf das zweistöckige Wohnhaus der Familie al-Akhras
im Zentrum von ‘Aitaroun am 16. Juli 2006 kamen zwölf ihrer Mitglieder um.
Viele Kinder und alte Leute starben. Die Opfer:
·
Ali Ahmad al-Akhras,
seine Frau Amira Raslan und ihre vier kleinen Kinder,
Saja, 7, Zeinab, 5, Ahmad, 3, and Salam, 1, – alle sechs kanadische
Staatsbürger,
·
Ali al-Akhras’
Tanten Fadda und Haniya, beide über sechzig,
·
sein Großvater
Hassan Mahmoud, 82, und seine beiden Onkel Muhammad Mahmoud, 86, and Ali
Hassan, 65,
·
sowie Amira Raslan’s
Schwester, die 16jährige Manal Raslan.
Ali al-Akhras’
Vater, der 65-jährige Ahmad Hassan, ebenfalls Kanadier, and seine Schwester
Fatima Hassan erlitten Verletzungen.
Fatima und Sikne al-Akhras, die beiden Töchter von
Muhammad Mahmoud al-Akhras, hatten sich in einem anderen Teil des Hauses
aufgehalten und überlebten unverletzt. Fatima erzählte amnesty international:
„Ich war im Haus bei der Familie. Es war 17:45 Uhr
am Sonntag [den 16. Juli]. Tags zuvor ein unbewohntes Gelände im Dorf aus der
Luft attackiert worden, an diesem Tag hatten aber bis dahin noch keine Angriffe
auf das Dorf stattgefunden. Und dann war unser Haus plötzlich getroffen und die
Menschen darin waren tot. Mein 86-jähriger Vater starb vor meinen Augen. Mein
Cousin Ali Ahmad hat noch nicht mal im Libanon gelebt. Er lebte mit seiner Frau
und seinen Kindern in Kanada. Sie verbrachten hier ihre Sommerferien und sind
einfach nur in den Krieg hineingeraten. Von uns hatte keiner etwas mit dem
Krieg zu tun. Ich frage mich, warum sie gerade unser Haus bombardierten.“
„Als die Bombe einschlug, war ich auf der anderen
Seite des Hofes, alle anderen befanden sich in der Küche, bis auf Amira und
ihre zwei Kinder. Sie waren draußen am Brunnen. Ihre Körper sind 35 Tage lang
im Brunnen liegengeblieben, weil ein Bulldozer nötig war, um sie auszugraben
und kein Bulldozer kommen konnte. Es war zu gefährlich. All diese Fahrzeuge
wurden bombardiert. Letzten Endes konnten wir ihre Leichen erst bergen, als wir
nach dem Waffenstillstand zum Haus zurückkehrten.“
„Nach dem Massaker an unserer Familie blieben wir
unter extremer Angst noch für zwei Tage im Dorf und flohen dann nach Rmeish
[eine nahegelegene Ortschaft] und blieben zwölf Tage da. Es waren Zehntausende
von Flüchtlingen aus vielen Dörfer dort und man konnte kaum an Nahrungsmittel
kommen. Es war sehr überfüllt. Letztlich konnten wir das Lager in einem aus
Hunderten von Autos bestehenden Konvoi verlassen und gingen nach Sidon.“
Am nächsten Tag bombardierte die israelische
Luftwaffe ein weiteres Haus voller Zivilisten. Neun Mitglieder der Familie
‘Awada, darunter sechs Kinder unter zwölf Jahren, starben. Drei weitere Kinder
und ihre Mutter trugen Verletzungen davon. Die Todesopfer waren: Musa Naif ‘Awada; seine Ehefrau Jamila und ihre fünf Kinder – ‘Ali, 12,
‘Abir, 11, Hassan, 7, Mariam, 6, und Muhammad, 5, sowie Hassan Mahmoud ‘Awada
und sein 18 Monate alter Sohn Hussein. Hassan ‘Awada’s Ehefrau Mayda Mansour
und drei ihrer Kinder (Katia, 13, Jana, 8, und Ali, 4) wurden bei dem Angriff
verletzt.
Zwölf weitere Familienmitglieder befanden
sich in einem angrenzenden Haus und überlebten die Attacke. Einer von ihnen
erklärte amnesty international:
„Es war der
zweite Luftangriff auf ‘Aitaroun; der
erste hatte am Tag zuvor das Haus der Familie al-Akhras getroffen. Vor allem in
der Umgegend des Dorfes hatte es einige Explosionen gegeben. Wir hatten alle
Angst und blieben deswegen im Inneren des Hauses im Erdgeschoß, um nicht in die
Nähe der Außenwände und des Daches zu geraten. Abends gegen 23:45 Uhr kam der
Angriff. Einige Menschen wurden über 20 Meter weit geschleudert. Nach dem
Massaker sind alle Überlebenden, geflüchtet. Auch unsere Nachbarn flohen,
obwohl es riskant war, draußen unterwegs zu sein, zuhause zu bleiben war ja
genauso riskant.“
Nabil
Baidoun erzählte amnesty international, daß seine Frau mit den beiden Kindern
gerade bei ihrer Familie (die Familie ‘Awada) in ‘Aitaroun zu Besuch war, als
am 12. Juli der Krieg ausbrach, und dort in der Falle gesessen hatte. Erst
nachdem, ihre Verwandten bei einem Angriff getötet wurden, fand sie den Mut zur
Flucht.
„Wir wußten tagelang nicht, ob meine Frau und unsere Kinder noch lebten.
Als wir endlich wieder zusammen waren, zeigte sich, daß meine Frau durch die
Grausamkeiten, die sie erlebt hatte, tief traumatisiert war. Sie war bei
Nachbarn gewesen, als das Massaker stattfand. Sie hat so viele Menschen
verloren. Sie und die Kinder hätten auch tot sein können. Sie ist immer noch in
einem schrecklichen Zustand, spricht fast überhaupt nicht mehr und bringt kaum
noch etwas zustande.“
Am Nachmittag des 16.
Juli griff die israelische Luftwaffe ein 13-stöckiges Gebäude in Tyre an, wo
Tausende von Flüchtlingen aus den Dörfern Schutz gesucht hatten. Das Gebäude
beherbergte auch die Büros der libanesischen Bürgerwehr. Der Einschlag brachte
das sechste Stockwerk zum Zusammensturz und begrub die dort Anwesenden unter
sich. Herabfallende Bruchstücke fielen auf die Menschen im Café vor dem Haus. Mindesten
11 Zivilisten kamen dabei ums Leben. Anwohner erklärten amnesty international,
daß die Hisbollah hier in dieser Gegend nicht aktiv sei. Auch amnesty
international selbst fand keinerlei Hinweise darauf, daß das Gebäude militärisch
genutzt wurde.
Innerhalb der ersten
Konfliktwoche starben bei israelischen Luftschlägen rund 200 Zivilisten und
über 500 Menschen erlitten Verletzungen. Wieder wurde auf seiten der
internationalen Gemeinschaft Besorgnis laut.[66] Offizielle Sprecher der israelischen Regierung erklärten auch
weiterhin, daß die Armee nur militärische Ziele angreife. Eine Erklärung für
diesen speziellen Angriff, der so viele zivile Verlusten verursacht hatte,
konnten sie jedoch nicht liefern.
Im weiteren Verlauf des
Konfliktes bekamen auch in anderen Gebieten des Libanon, einschließlich der
Hauptstadt Beirut, immer noch weitere Wohnhäuser und Wohnungen der am Krieg
unbeteiligten Zivilisten die volle Schlagkraft israelischer Raketen zu spüren.
Die 75-jährige Zeinab Khanafer lebte allein in
ihrem Haus im Zentrum von ‘Ainata. Es ging ihr gesundheitlich schlecht. Sie
konnte sich nur schwer bewegen. Ihre nahen Verwandten in Beirut glaubten, daß
es zu gefährlich sei, nach ‘Ainata zu fahren und die Frau aus dem Dorf zu
holen. Als dort auch die Telefone ausfielen, verloren sie vollständig den
Kontakt zu ihr. amnesty international Delegierte, die am 1. August das Dort
‘Ainata besuchen wollten, mußten zu Fuß gehen, weil sämtliche Straßen dorthin
durch israelische Angriffe unpassierbar gemacht worden waren. Als sie das Haus
von Zeinab Khanafer erreichten, fanden sie es durch einen israelischen Angriff
zerstört. Es gab keinerlei Munitionsreste oder andere Beweise für irgendwelche
militärischen Aktivitäten der Hisbollah im Haus selbst oder im Umfeld des
Hauses.
Zwei Wochen später
wurde Zeinab’s Leiche unter den Trümmern des nahegelegenen Hauses eines
entfernten Verwandten gefunden, das am 28. Juli bombardiert worden war. Bei
dieser Attacke auf das Wohnhaus der Familie nahe der Moschee im Zentrum von
‘Ainata starben 15 Angehörige der Familien Khanafer und Fadlallah. Zwölf von
ihnen waren Frauen und Kinder. Die Opfer:
·
Almaza Fadlallah, 68, Mariam Shbiti Fadlallah, 60, Zahra Fadlallah,
·
Zeinab Khanafer, 75, Kamila Khanafer, 70, Fayez Khanafer, 33, seine Frau
Rima Samhat und ihre vier Kinder – Ali, 8, Abdallah, 6, Muhammad, 3, und
Dumu’a, 1,
·
Um Khader Fadlallah, 28, und ihr Sohn Khader Amir, 3,
·
‘Afif Fayes Khanafer, 47, und
·
Muhammad Ali Wehbe, 75.
Es gab Berichte, nach
denen zwei verletzte Männer, die kurz vor dem Angriff in dem Haus nach Hilfe
gesucht hatten, ebenfalls zu Tode kamen. Die beiden Männer stammten nicht aus
dem Dorf. Wie es hieß waren sie unbewaffnet und zivil gekleidet. Delegierte
amnesty internationals fanden keine Beweise dafür, daß in dem Haus etwa
militärische Aktivitäten stattgefunden hätten oder daß dort oder in der Nähe
Waffen gelagert wurden.
Am 30. Juli kamen bei einem israelischen
Luftschlag auf das Dorf Qana mindestens 28 Zivilisten, größtenteils Kinder, ums
Leben. Der Ort ist schon vom April 1996 her bekannt, als bei einem israelischen
Artillerieangriff auf eine Unterkunft der UNIFIL 102 Zivilisten starben, die
dort Schutz gesucht hatten.[67]
Gegen 1:00 Uhr morgens leiteten
die israelischen Streitkräfte am 30. Juli einen Luftschlag gegen ein
dreistöckiges Haus im Bezirk Khraibe in Qana ein. Dort hatten etwa 60
Angehörige der Familien Shalhoub und Hashem im Erdgeschoß Zuflucht gesucht.
Die Beschreibungen der Überlebenden und die vor Ort gefundenen Fragmente weisen
darauf hin, daß eine lasergesteuerte Präszisionsbombe verwendet wurde. Diese
Waffen durchschlagen das getroffene Gebäude von oben nach unten und kommen erst
im untersten Stockwerk zur Explosioen. Dies geschah auch hier und traf den
einzigen Bereich des Gebäudes, in dem sich überhaupt Menschen aufhielten.
Unter den Toten befanden
sich Khadija ‘Ali Younes, ihre fünf Kinder Haura’, elf Jahre alt, Ali, 10,
Yahia, 8, Qasem, 6 und die zweijährige Zahra sowie die 70 Jahre alte
Schwiegermutter Hasna Hazme. Khadija’s Ehemann Mohamed Qasem Shalhoub wurde
verletzt, überlebte den Angriff jedoch. Er sagte amnesty international:
„Außer mir und einem
weiteren Mann starben alle um uns herum. Ich fühlte, daß der Boden unter mir
abhob und ich herumgewirbelt wurde. Dann hörte ich die Leute schreien, so als
ob ich vorher taub gewesen wäre. Einen Jungen brachte ich nach draußen. Ich
glaube es war der fünfjährige Hassan Mohammad Shalhoub, aber ich bin mir nicht
sicher. Es war das erste Kind, das ich zu packen bekam und ich legte ihn unter
einen Baum, etwa 50 Meter vom Haus entfernt. Ich war auf dem Rückweg zum Haus,
als es dort zu einer zweiten Explosion kam, die mich wegschleuderte. Ich
rappelte mich auf und fing an, die Leute im Nachbarhaus um Hilfe zu rufen,
während ich dorthin lief. Vor der Haustür brach ich zusammen.“
Es starben:
·
Maryam Brahim Hashem, 60,
·
verschiedene Kinder aus der Familie Shalhoub – Samih, 8, Husan, 10, Brahim, 6, ‘Ali 2, Jaafar, 11, Zainab, 6,
·
ihre Tante Nabila Shalhoub, um die 40, und ihr Onkel (Nabila’s Bruder),
Taysir Ali Shalhoub, 38,
·
Ahmad Mahmoud Shalhoub, 50, seine Ehefrau Afaf Zabat, etwa 40 Jahre alt,
ihre Tochter Ola, 25, und ihr Sohn ‘Ali, 17.
Auf einer Pressekonferenz am 30.
Juli 2006 erklärtem hochrangige Vertreter des israelischen Militärs, daß aus
Qana und Umgebung seit Kriegsbeginn 50 Raketen abgefeuert worden seien und die
israelischen Streitkräfte versucht hätten diese “Serie von Raketenabwürfen” zu
durchbrechen. Die israelischen Behörden verwiesen darauf, daß das Haus wohl
eher durch die Explosion dort gelagerter Waffen eingestürzt sei, als aufgrund
ihres Angriffs. Sie beschuldigten wiederum die Hisbollah, Zivilisten als
„menschliche Schutzschilde“ zu benutzen, daher sei diese für alle Schäden
verantwortlich, die Zivilisten durch israelische Angriffe zu erleiden hätten.[68]
Am 2. August verkündete Israel,
daß das Haus laut einer Untersuchung, die man durchgeführt habe, um 0:52 Uhr
von zwei Raketen getroffen wurde, wobei die erste explodierte und die zweite
offenbar ein Blindgänger war. Die israelische Regierung stellte klar, daß das
Haus „entsprechend der Militärrichtlinien zum Einsatz von Kampfmitteln gegen
verdächtige Strukturen innerhalb von Dörfern, deren Einwohner bereits zur
Räumung aufgefordert wurden und die an Gebiete grenzen, aus denen Raketen auf
Israel abgefeuert werden, ins Zielvisier genommen wurde.“ Sie fügte hinzu, daß
das Gebäude ihrer Kenntnis nach „als Versteck für Terroristen“ benutzt wurde
und daß „der Angriff nicht gestartet worden wäre, wenn Informationen vorgelegen
hätten, daß es Hinweise auf anwesende Zivilisten gab.“[69] Den früheren Verweis auf die
Zerstörung des Gebäudes durch etwa dort gelagerte Waffen wiederholten sie
jedoch nicht.
Von den israelischen Behörden
bereitgestellte Luftüberwachungsvideos zeigen wie Raketen aus einem Gebiet
abgefeuert werden, das in einiger Entfernung dieses Hauses liegt. Das Video ist
nicht datiert. Die Existenz von Überwachungsfotos dieses Areals und die
Aussagen von Überlebenden und Verwandten, die in einem Gebäude nahebei Schutz
gesucht hatten, deuten an, daß sich die israelischen Truppen durchaus darüber
im Klaren hätten sein müssen, daß in dem Zielgebäude und dem benachbarten Haus
eine hohe Konzentration von Zivilisten anzutreffen war. Die Opfer und ihre
Verwandten, über 100 Menschen, hatten sich schon zwischen 10 und 18 Tagen in
den betreffenden Gebäuden aufgehalten. In dieser Zeit waren ständig israelische
Aufklärer über dem Ort präsent.
Najwa Shalhoub, die
durch den Angriff schwere Verletzungen davontrug, erzählte amnesty
international:
„Den ganzen Tag standen Überwachungsflugzeuge über
dem Ort. Tagsüber waren wir oft draußen und wuschen die Kinder. Die Kinder
spielten auch draußen, eben der normale Tagesablauf. Es ist nicht möglich, daß
die Flugzeuge nicht gesehen haben, daß der Ort voller Frauen und Kinder war.“
In
einem informativen Gespräch mit amnesty international im September 2006
erklärte ein hochrangiger, israelischer Militärkommandant, daß das Gebäude, in
dem die Zivilisten starben, aus Versehen getroffen wurde und daß die
israelische Luftwaffe in der Nähe verschiedene Gebäude und einen Raketenwerfer
geräumt hatte. Erneut warf er Zweifel hinsichtlich der Verantwortung Israels
auf und klagte daß Hisbollah an, die Gegend tagelang abgeriegelt und nur den
Medien Zutritt gewährt zu haben, wobei sie letzere nur habe das sehen lassen,
das gezeigt wissen wollte.
Durch
die Hinweise, die amnesty international vor Ort gesammelt hat, wird diese
Aussage nicht gestützt. Am 30. und 31. Juli 2006 besuchten die Delegierten der
Organisation die Ortschaft Qana und das Umland. Sie trafen keine
Hisbollah-Kämpfer an. Es gab niemanden, der ihre Bewegungsfreiheit in dem
bombardierten Gebäude und dessen Umfeld oder sonstwo auf dem Gelände
eingeschränkt hätte. Etliche Journalisten waren ebenfalls da und filmten,
fotografierten, interviewten Überlebende. In dem bombardierten Haus selbst, in
seiner Umgebung und in den angrenzenden Gebäuden wurden keine Hinweise auf
Raketen, Raketenwerfer oder andere Waffen gefunden.
Das
ICRC nahm zu dem Vorfall Stellung und beschrieb ihn als „beispielhaft für
andere“. ICRC-Sprecher Roland Huegenin sagte:
„Tatsächlich war die
praktisch ausschließlich aus Frauen und Kindern bestehende Gruppe von Menschen,
die in einem Wohngebäude getötet wurde, in dem sie Zuflucht gesucht hatte – und
bei dem es sich im Übrigen um einen Rohbau handelte – das so offensichtlich
falsches Ziel. Es gab dort keine Kämpfer und keine Waffen in erreichbarer Nähe.
Nur Frauen und Kinder ...“[70]
Bis Anfang November 2006
hatte die israelischen Regierung weder Angaben zu Methodik und Ergebnissen der
von ihr durchgeführten Untersuchung gemacht, noch ließ sie erkennen, ob sie
irgendeine Verantwortlichkeit für die Fehler feststellen konnte, von denen sie
annimmt, daß sie bei dieser fatalen Attacke gemacht wurden.
Am 7. August 2006 gegen 19:00 Uhr starben durch
einen israelischen Luftangriff auf ein sechsstöckiges Wohngebäude und ein angrenzendes
Haus nahe einer Schule und eines Einkaufszentrums im dichtbesiedelten Beiruter
Vorort al-Shiyah mindestens 39 Menschen, darunter 11 Kinder. Eine Warnung, daß
sie beabsichtigten die Gegend zu bombardieren, hatten israelischen Streitkräfte
nicht ausgegeben. Faltblätter, in denen die Einwohner aufgefordert wurden,
al-Shiyah, Hay Selloum und Bourj al-Barajneh zu verlassen, warf die israelische
Luftwaffe erst am 10. August über Beirut ab.
Bis zur
Bombardierung galt al-Shiyah als sichere Wohngegend und viele, die aus dem
Beiruter Vorort Dhahiyeh und aus Dörfern im Südlibanon geflohen waren, hielten
sich dort auf. Einige der Todesopfer waren solche Flüchtlinge.
Huda Rmeiti,
ihr Ehemann und ihr Sohn wurden durch die Bombardements verletzt. Sie erzählte amnesty
international:
„In der
Siedlung war das Leben fast normal. Flugblätter, die uns zum Gehen aufgefordert
hätten waren keine abgeworfen worden. Niemand war an diesem Tag sonderlich besorgt.
Nachts legten wir uns gewöhnlich in einem der geschützteren Räume des
Erdgeschosses zum Schlafen hin. Zum Zeitpunkt des Bombenangriffs hatten wir
abends auf dem Balkon gesessen. Wir hörten noch die israelischen
Überwachungsflugzeuge, als das Haus plötzlich bombardiert wurde.“
Ma’roub – 7. August
Am 7. August 2006 starb die
34-jährige Najma Hassan Moussa mit ihren drei Kindern Zahra, 16, Hyder, 14 und
Ousra, 3, durch einen israelischen Luftangriff auf das Erdgeschoß eines
Schulgebäudes in Ma’roub, wo die Familie Zuflucht gesucht hatte.
Najma’s
Ehemann, der 40-jährige Abu Ali Ahmed Moussa war zwölf Jahre lang Hausmeister
dieser Schule für Waisenkinder gewesen. Die Familie wohnte auf am Haupteingang
des Schulgrundstücks im Hausmeistergebäude, etwa 50 Meter vom
Unterrichtsgebäude entfernt. Als der Krieg begann, suchte die Familie im
betonierten Souterrain der Schule Schutz, wo ihnen genug Nahrung und Wasser zur
Verfügung stand. Etwa 10 weitere Familienangehörige hatten sich zu ihnen
gesellt. Bis zur Ankündigung der 48-stündigen Angriffspause am 31. Juli 2006
verließ kaum jemand das Gebäude.
Verwandte
hatten der Familie Moussa zuvor angeboten mit ihnen nach Tyre zu gehen. Doch
weil in dem LKW nicht genug Platz für fünf weitere Personen war, entschieden sie
sich zu bleiben.
Am 7. August um 11:30 Uhr
vormittags verließ Abu Ali das Souterrain und ging zum Haus der Familie am
Schuleingang, um Wäsche zu waschen und zu beten. Er hatte das Schulgebäude
gerade verlassen, als plötzlich vier israelische Kampfflugzeuge und eine
Aufklärungsdrohne am Himmel erschienen und acht Raketen über der Schule
abwarfen. Geschockt sah Abu Ali wie die Schule, in der sich seine Frau und die
Kinder befanden, zusammenfiel. Er lief auf die Hauptstraße und versuchte Hilfe
zu holen, aber es war niemand dort. Am nächsten Tag brachten Rettungskräfte ihn
nach Tyre, doch aufgrund der anhaltenden Luftschläge konnte er erst am 11.
August wieder nach Ma’roub zurückkehren. In den Trümmern suchte er die Leichen
seiner Frau und seiner Kinder. Da ihm jedoch die nötigen Geräte fehlten, sie
auszugraben, fuhr er nach Tyre zurück. Mit dem Waffenstillstand kehrte er dann
endlich ganz nach Ma’roub zurück. Erst dann konnten die Leichen seiner Familie
geborgen werden.
Al-Ghazieh – 7. - 8. August
„Als die Bomben kamen, war
ich gerade draußen. Der Angriff hat mich völlig schockiert. Warum gerade unser
Haus? Wir sind nur einfache Zivilisten und haben mit der Partei [Hisbollah]
oder was auch immer nichts zu tun. Warum meine Familie? Ich habe alle meine
Kinder verloren, meine Mutter, meine Schwestern. Meine Frau ist in sehr
kritischem Zustand, ich weiß nicht, ob sie überlebt; wie soll sie sich erholen?
Wie sagt man einer Mutter, daß sie all ihre Kinder verloren hat?“
Nachbarn erzählten amnesty
international, daß der Angriff auf das Haus jeden überrascht habe, weil es der
erste Luftschlag gegen ein Haus in al-Ghazieh war – bis zu diesem Zeitpunkt
waren nur die Brücken um den Ort herum zerstört worden – und weil die Familie
keinerlei Verbindungen zur Hisbollah hatte.
Am nächsten Tag traf gegen
14:30 Uhr eine Rakete ein Haus in Hay Bashroun bei al-Ghazieh und tötete sieben
Mitglieder der Familie Khalife: Mahmoud Khalife, ein 32-jähriger Apotheker,
seine Ehefrau Ibtisam, 30, und die drei Kinder Hussein, 10, Fatima, 6, und
Ahmad, 2. Seine beiden Schwiegereltern kamen ebenfalls ums Leben.
Sein Bruder Ahmad Khalife
und seine Frau Ibtisam wurden bei verschiedenen Luftschlägen getötet, die am
selben Tag nacheinander auf ihre und die benachbarten Häuser verübt wurden –
darunter auch das Haus eines dritten Bruders, der Berichten zufolge mit der
Hisbollah in Verbindung stand, zu diesem Zeitpunkt aber nicht dort war.
Später am 8. August führte
die israelische Luftwaffe während der Beerdigung der Angehörigen der Familie
Khalife weitere Luftschläge auf den Friedhof im Hay Ruwais Distrikt von
al-Ghazieh durch. Ein zweijähriges Mädchen, das in der Nähe des Friedhofs
lebte, starb. Eine junge Frau, die ebenfalls in der Gegend wohnte, erlitt
schwere Verletzungen.
In ersten paar Tagen des Konfliktes gingen
israelische Evakuierungsbefehle an die Bewohner einiger Grenzdörfer aus. Die
Einwohner von ‘Ait al-Sha’b, zum Beispiel, erzählten amnesty international, daß
die israelische Armee am Nachmittag des 14. Juli per Lautsprecher den Befehl
zur Räumung des Ortes erteilt hatte. Viel flohen ins nahe Rmeish, ein
überwiegend von Christen bewohntes Dorf, das daher als sicherer galt.
Einige
Dorfbewohner jedoch, die dem Befehl zum Verlassen des Ortes gefolgt waren,
wurden auf der Straße von israelischen Truppen attackiert. Die Ermordung der
Menschen, die am 15. Juli 2006 mit dem Konvois aus Marwahin flohen, (siehe auch
Kapitel 3), hat weltweit die Aufmerksamkeit der Medien erregt. Am 11. August
2006 ereignete sich ein ähnlicher Vorfall.
Nachdem
israelische Truppen in die Stadt Marjayoun einmarschiert waren und das örtliche
Hauptquartier der libanesischen Armee und verschiedene zivile Gebäude besetzt
hatten, entschlossen sich einige Einwohner zur Flucht. Diese Menschen hatten
bis dahin trotz erheblicher Entbehrungen den gesamten Krieg in Häusern
ausgeharrt. Jetzt wurde einem langen Fahrzeugkonvoi in Begleitung libanesischer
Streitkräfte und einer UNIFIL-Patrouille, die Passiererlaubnis der israelischen
Behörden[71] erteilt. Die Verhandlungen
über die Abfahrtgenehmigung des israelischen Militärs und über eine abgestimmte
Route aus Marjayoun hinaus, waren langwierig gewesen. Daher konnte der Konvoi
erst gegen vier Uhr nachmittags losfahren. Die Kolonne kam nur extrem langsam
voran, zum einen weil die Straßen in so schlechtem Zustand waren (manche waren
von israelischen Streitkräften bombardiert worden und nur teilweise befahrbar),
zum anderen dank der von der israelischen Armee vorgegebenen, weit ausholenden
Route. Die UNIFIL konnte den Konvoi nur für ein paar Kilometer begleiten, bis
er das Operationsgebiet der UNIFIL verlassen mußte. [72]
Einige
Stunden später, als der Konvoi ein Gelände zwischen den Dörfern Joub Jenine und
Kefraya erreicht hatte, feuerte ein israelischer Flieger – Berichten zufolge
eine unbemannte Drohne – mehrere Raketen auf die Fahrzeuge ab. Sieben Menschen
starben, darunter Colette Rashid, Ely Salame, Khaled Abdallah, Kamil Tahtah und
der freiwillige Rot-Kreuz-Helfer Mikhail Jabaili, der getötet wurde, während er
einen der Verwundeten versorgte.[73] 32 weitere Personen wurden
verletzt. Einer von ihnen, der 28-jährige ‘Abir Abla erklärte amnesty international:
„Am 10. August war Marjayoun von israelischen Panzern, die in dem Ort
stationiert waren, bombardiert worden. Auch unser Haus wurde beschädigt, aber
von uns wurde keiner verletzt. Andere Einwohner trugen durchaus Verletzungen
davon und mußten ins Krankenhaus. Viele entschlossen sich, die Stadt zu
verlassen, obwohl die israelische Armee die Bevölkerung nicht dazu aufgefordert
hatte. Es gab schon keine Telefonverbindungen mehr und keine Kommunikation mit
der Außenwelt. Das Krankenhaus wurde geschlossen und man brachte die
Verwundeten mit dem Konvoi aus der Stadt.“
„Am 11.
August hatten sich etwa 1.000 Fahrzeuge bereit gemacht, um Marjayoun zu
verlassen. Alle waren voll besetzt mit Einwohnern, die sich vor der Anwesenheit
der israelischen Armee in der Stadt in Sicherheit bringen wollten. Die
Fahrzeuge folgten jenen des Libanesischen Roten Kreuzes und der libanesischen
Armee. Seit dem Morgen hatten Verhandlungen zwischen der israelischen und der
libanesischen Armee stattgefunden. Und die Kolonne hatte von 8:00 Uhr morgens
bis nachmittags um 16:00 Uhr zur Abfahrt bereit gestanden , bis sie sich
endlich in Gang setzen konnte.“
„Ich war
zusammen mit meiner Tante und meiner Mutter in einem Auto in der Mitte des
Konvois. Die Wagen bewegten sich sehr langsam. Der Konvoi konnte den normalen
Weg nicht nehmen, weil die israelische Armee uns eine schwierigere und
langsamer zu befahrende Route zugewiesen hatte. Abends, gegen 10:OO Uhr
näherten wir uns der Stadt Kefraya, die auf dem Weg nach Beirut liegt.
Plötzlich feuerten israelische Flugzeuge sieben Raketen auf den Konvoi ab. Nach
einer Viertelstunde kam uns das Libanesische Rote Kreuz aus Kefraya zur Hilfe.
Als sie uns erreichten, wurden sie auch bombardiert und ein freiwilliger Helfer
des Roten Kreuzes wurde von einer Rakete getötet. Ich hatte Wunden an der Hand,
im Gesicht, an der Brust und mein Oberkörper war voller Splitter.“
Am nächsten Tag sagten die israelischen Behörden, daß
israelische Streitkräfte „verdächtige Bewegungen entlang einer Strecke
identifizierten, auf der der Verkehr verboten war und die von
Hisbollah-Terroristen zum Transport von Raketen und anderem Kriegsgerät benutzt
wurde. Auf der Handlungsgrundlage des Verdachts, daß es sich um
Hisbollah-Terroristen handele, die Kriegsgerät transportierten, wurde ein
Angriff aus der Luft durchgeführt.“ Die israelischen Behörden bestritten, daß
der Konvoi genehmigt war und verwiesen darauf, daß „einige Tage zuvor über alle
nicht genehmigten Fahrzeuge südlich des Flusses Litani ein Bewegungsverbot
verhängt worden war.“[74] Das Dorf Kefraya liegt nordwestlich des Flusses.
Die Intensität der Kämpfe
warf bedeutende Schwierigkeiten für die Durchführung humanitärer Hilfsaktionen auf.
Rettungsfahrzeuge gerieten bei israelischen Angriffen unter Beschuß und
humanitäre Organisationen mußten ihre Versuche zur Rettung von Menschen oder
zur Bereitstellung humanitärer Hilfen immer wieder einstellen, selbst wenn sie
über eine offizielle Genehmigung der israelischen Behörden verfügten.
In Qana
zum Beispiel wurden am 23. Juli kurz nach 11:00 Uhr abends zwei
Rot-Kreuz-Fahrzeuge durch eine Rakete der israelischen Luftwaffe getroffen.
Sechs Rettungssanitäter des Roten Kreuzes und drei Patienten erlitten
Verletzungen. Die Fahrzeuge waren am Dach getroffen worden, das in beiden
Fällen eindeutig durch ein großes, rotes Kreuz markiert und einen Scheinwerfer
beleuchtet war. Zum Zeitpunkt des Angriffs waren die Rettungsmannschaften
dabei, die drei Kranken – allesamt Zivilisten – von einem Fahrzeug zum anderen
hinüberzubringen. Die drei Patienten, darunter auch ein Kind, waren bei einem
früheren Angriff verwundet worden und trugen nun noch zusätzliche Verletzungen
davon.
Nach
dieser Attacke erklärte Balthasar Staehelin, Generaldelegierter des ICRC für
den Mittleren Osten und Nordafrika:
„Das ICRC
ist in tiefer Sorge um die Sicherheit seines medizinischen Personals ... Wir
haben das Problem gegenüber den israelischen Behörden angesprochen und sie
darauf gedrängt, dringend notwendige Maßnahmen zur Vermeidung solcher Vorfälle
in Zukunft zu ergreifen.“
Ein
anderer Sprecher des ICRC, Roland Huegenin, beantwortete eine eher allgemeine
Frage zu derlei Angriffen:
„Es kann kein
militärisches Ziel darin liegen, Ambulanzfahrzeuge zu zerstören und die
Menschen darin zu töten, egal ob es sich um Verletzte, einen Fahrer oder wen
auch immer handelt. Warum also sollte so etwas überhaupt geschehen?“[75]
Freiwillige der Bürgerwehr
und des Libanesischen Roten Kreuzes berichteten über Luftschläge, die von
Drohnen ausgeführt wurden und sehr nah bei ihren gekennzeichneten Fahrzeugen
niedergingen, obwohl es in ihrer Nähe keinerlei Anzeichen für Aktivitäten der
Hisbollah gegeben hatte –zuweilen war weit und breit nicht mal ein anderes
Fahrzeug auf der Straße oder ein Gebäude ringsum zu sehen.
Zum Beispiel am 22. Juli
hatte das ICRC die israelischen Behörden davon in Kenntnis gesetzt, daß ein
Konvoi von vier Ambulanzfahrzeugen des Libanesischen Roten Kreuzes acht
Personen mittels einer Behelfsbrücke über den Fluß Litani etwa neun Kilometer
nördlich von Tyre evakuieren werde. Unweit dieser Stelle trennt sich die Straße
in zwei verschiedene Wegstrecken, die später wieder zusammenführen. Der Konvoi
benutzte die weniger befahrene und leichter passierbare Route. Wie amnesty
international erfuhr, feuerte eine Drohne kurz darauf eine Rakete ab, die aber
etwa 200 Meter vom Konvoi entfernt in den Feldern niederging. Es waren weder
Gebäude noch andere Fahrzeuge in Sichtweite, noch hatte es Anzeichen für
Aktivitäten der Hisbollah gegeben. Neben der schmalen Straße befand sich ein
steiler Abhang und die Rettungsfahrzeuge konnten sich nur mit Glück der
Erschütterung der Detonation zum Trotz auf der Fahrbahn halten.
Ein Freiwilliger des
Libanesischen Roten Kreuzes, der am Nachmittag des
3. August bei einer Evakuierungsaktion mit im Fahrzeug saß, erzählte amnesty
international von einem weiteren Vorfall. Das Libanesische Rote Kreuz war in
einem Minibus mit neun Personen aus dem Salah Ghandour Hospital in Bint Jbeil
unterwegs. Als sie sich der Stadt Tibnin näherte, verschwand plötzlich die
Drohne, die sie die ganze Zeit am Himmel begleitet hatte,. Kurz darauf gingen
etwa 500 Meter von dem Fahrzeug entfernt Bomben auf die Feldern nieder. Auch
hier befanden sich keine Gebäude oder andere Fahrzeuge in Sichtweite noch hatte
es irgendwelche Anzeichen für Hisbollah-Aktivitäten gegeben.
Am 6.
August geriet ein durch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen organisierter
Konvoi mit humanitären Hilfsgütern unversehens sehr nahe an eine Gruppe von
Fahrzeugen heran, die durch israelische Streitkräfte attackiert wurde. Die
Kolonne war von Beirut nach Tyre unterwegs. Sie bestand aus acht LKWs der
Hilfs- und Arbeitsorganisation für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UN Relief and Works Agency for Palestine
Refugees in the Near East / UNRWA) in Begleitung einiger Fahrzeuge zur Vor-
und Nachhut. Die Kolonne war vor der Abfahrt durch das israelische Militär
abgefertigt worden. Etwa 15 Kilometer nördlich von Tyre näherte sie sich dem
von einer Rakete getroffenen LKW eines Bäckers. Das verantwortliche Geschoß war
vermutlich von einer israelischen Drohne abgefeuert worden. Der LKW taumelte
auf das Führungsfahrzeug der Kolonne zu, verfehlte es knapp und prallte dann
gegen eine Mauer. Die beiden Insassen des Fahrzeugs starben. Auf der Rückreise
des Konvois wurde ein Motorradfahrer, der diesen gerade überholt hatte, von
einer Rakete getroffen und getötet. Auch diese Rakete stammte aller
Wahrscheinlichkeit nach von einer israelischen Drohne. Der Gruppenleiter und
vier der Fahrer des Konvois reichten bei der Ankunft in Beirut ihren Abschied
ein. Die israelischen Behörden genehmigten Berichten zufolge in Tagen darauf
keine weiteren UN-Konvois nach Tyre.
Die vier
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, die den Libanon und Israel
besuchten, stellten fest, daß die Bombardierung von Straßen und andere Infrastruktur
„einen besonders lähmenden Effekt auf die ... Bereitstellung humanitärer Hilfen
und den Zugang zu medizinischer Versorgung hatte.“ [76]
Die UNIFIL erklärten
amnesty international, daß die israelischen Armee von ihnen verlangt hatte, daß
sie zunächst eine Genehmigung für humanitäre und andere Einsätze einholten. Bei
der Beantragung solcher Genehmigungen sah man sich jedoch immer wieder mit
Problemen konfrontiert. Am 17. Juli berichteten die UNIFIL zum Beispiel, daß
die Antwort bezüglich eines Antrags für den Transport humanitärer Hilfsgüter
aus Tyre zu zwei verschiedenen Grenzorten seit 14. Juli anhängig war.[77] Bis 9. August war – so die UNIFIL – „aufgrund der Verweigerung der
Zustimmung der IDF“ die Auslieferung von Lebensmitteln durch einen humanitärer
Konvoi bereits um vier Tage hinausgezögert worden.[78] Die entsprechende Genehmigung wurde erst erteilt, nachdem die
Feindseligkeiten am 14. August eingestellt worden waren. Der Bericht der vier
UN-Sonderberichterstatter beschreibt, daß Genehmigungen zuweilen erst spät oder
nur mit Einschränkungen erteilt wurden, wodurch sich die UNIFIL gezwungen
sahen, Transporte zu streichen.
Tausende zivile Wohnhäuser wurden zerstört, eine noch
größere Zahl beschädigt. Die meisten davon befanden sich in Dörfern und Städten
südlich des Flusses Litani, einige aber auch im Beiruter Stadtteil Dhahiyeh
(siehe Kapitel 3) sowie in Ba’albek und Umgebung. Gut eine Millionen Menschen
wurde obdachlos. Viele davon landeten in überfüllten und schmuddeligen
Unterkünften, wo grundlegende Versorgungsanlagen wie Wasser und Strom oft nur
mangelhaft oder gar nicht vorhanden waren.
Delegierte von amnesty international besuchten einige
der am schlimmsten betroffenen Wohngebiete und sprach mit den Überlebenden.
Die Stadt Bint Jbeil zum
Beispiel die tief im Süden des Landes liegt, wurde weitgehend zerstört. In
vielen Stadtteilen war fast jedes Haus dem Erdboden gleich gemacht oder – oft
irreparabel –beschädigt.
Der 72-jährige Huseyn Sa’id
Bazzi zeigte amnesty international den Haufen Trümmer, der früher sein
zweistöckiges, 100 Meter vom Zentrum Bint Jbeils entfernt gelegenes Wohnhaus
gewesen war. „Es war das Haus meiner Eltern und Großeltern. Mein Vater wurde
hier geboren und starb hier,“ erklärte er. Sämtliche Gebäude in der Umgebung
waren schwer beschädigt oder komplett zerstört.
Durch israelische Angriffe wurden im Südlibanon etwa
7.500 Wohnhäuser zerstört und 20.000 weitere beschädigt. In Ba’albek und im Beqa’a-Tal waren es laut der
Berichte rund 500 Häuser, die zerstört und 5.000, die
beschädigt wurden. Auch im Norden des Landes fielen
Häuser der Zerstörung anheim oder wurden beschädigt.
Laut den Erhebungen der UNIFIL sind in den beiden
Dörfern Tayyabah und al-Ghanduriyah 80 % aller zivilen Gebäude vernichtet
worden; in Zibqin 60 %, in al-Markaba, al-Qantarah, Jabal al-Butm und Bayada 50
%, in Meis al-Jebel und Beit Leif 30 %, in Kafra 25 %, in Hula 20 % und in
Talusha 15 %.[79]
Sidiqin und Srifa erlitten durch den Artilleriebeschuß
und die Angriffe der israelischen Luftwaffe extrem hohe Schäden. In der letzten
60 Stunden vor dem Waffenstillstand fielen die Angriffe auf Zibqin und Sidiqin
besonders heftig aus.
Oftmals konnte nicht geklärt werden, worin hier der zu
erwartende, konkrete und direkte militärische Vorteil dieser Angriffe lag.
Nach dem Waffenstillstand kehrten die Menschen
schnell wieder an die verstaubten Orte zurück, die einmal ihr Zuhause gewesen
waren. Als amnesty international die Gebiete besuchte, waren viele dabei den
Schutt zu sortieren oder sie warteten auf einen Bagger, der die schweren
Trümmer beiseite räumte, so daß sie vielleicht einige ihre Habseligkeiten
retten konnten.
Bei ihrer Ankunft in Dhahiyeh trafen die
Delegierten amnesty internationals auf Mariam al-Shuqeiri und ihren Ehemann
Muhammad Akram al-Shuqeiri, einen palästinenischer Schriftsteller und Poet, die
bei den Aufräumungsarbeiten zusahen. Muhammad al-Shuqeiri sagte, daß dies seit
1948 nun das dritte Haus war, das er verloren habe. Er hatte lediglich ein paar
seiner Gedichte und seinen Personalausweis retten können. Die Nächte verbrachte
das Paar im Haus der Familie ihrer Tochter nördlich von Sidon.
Das Haus des IT-Händlers Mustafa Wazni, seiner Frau
und seiner sieben Kinder wurde schwer beschädigt, als bei einem israelischen
Angriff am oder um den 10. August die Wohnsiedlungen gegenüber in der Obayni
Straße von Dhahiyeh bombardiert wurden. Die Vorderseite des Hauses war
weggerissen worden. Die Zimmer des Hauses wurden durch die Druckwellen der
Explosionen verwüstet. Zum Zeitpunkt des Angriffs hatten sich die Bewohner
nicht dort aufgehalten – die Familie Wazni selbst war zum Beispiel nach
Tripolis geflohen. Als amnesty international dort eintraf, war Mustafa Wazni
mit seinen beiden Söhnen Hasan, 12 und Rida, 10, zum Aufräumen in seine Wohnung
zurückgekehrt. Die Wohnung hatte immer noch keine Vorderfront. Mustafa Wazni:
„Es gab keine Pistolen, keine Gewehre, nichts [hier in der Gegend].“
Für nahezu jeden im Libanon hatte der Krieg
tiefgreifende Folgen. Die Luft- und Seeblockade beraubte das Land seiner lebensnotwendigen
Lieferverbindungen und fror alle Im- und Exporte ein. Die Zerstörung
grundlegender Infrastruktur und die Bombardierung wichtiger Industrieanlagen
und agrarwirtschaftlicher Areale hatten verheerende Auswirkungen auf die
Wirtschaft des Landes. Humanitärer Beistand für die notleidende Bevölkerung war
nicht verfügbar. Die Schäden an Krankenhäusern in Kombination mit der
Unterbrechung der Strom- und Wasserversorgung schränkten den Zugang zu
gesundheitlicher Versorgung massiv ein. Schulen wurden zerbombt oder
geschlossen. Eine Million und mehr, von israelischen Truppen abgefeuerte und
nicht explodierte Streusprengkörper verwandelten den Südlibanon letztlich in
ein weites Minenfeld. Der Erfolg dessen wird sein, daß auch weiterhin
Zivilisten getötet und verstümmelt werden und daß viele für die nächsten Monate
oder gar Jahre nicht zu ihren Häusern, Obsthaine und Feldern zurückkehren
können.
„Unsere Hilfsoperation ist – wie ein
Patient, der unter Sauerstoffmangel leidet – von Lähmungserscheinungen
gezeichnet und ringt mit dem Tode.“
Zlatan Milisic,
Koordinator der Libanon-Nothilfe des Welternährungsprogramms der Vereinten
Nationen am 10. August 2006[80]
Sofort, als der Krieg begann, setzten israelische
Truppen den internationalen Flughafen von Beirut außer Funktion. Sie
versiegelten den Libanon durch eine See- und Luftblockade und bombardierten die
Ein- und Ausfallstraßen des Landes und die dazugehörenden Brücken. Ihr
erklärtes Ziel war es, die Operationen der Hisbollah zu behindern – auch indem
Waffennachschub an die Kämpfer unterbunden wurde. Die blockierten oder
gravierend unterbrochenen Luft-, See- und Landrouten ließen nur noch sehr
wenige Lieferkanäle offen und gesamte Wirtschaft glitt in eine Krise ab.
Dringend benötigte Lebensmittel– und Notfallhilfen
wurden häufig verzögert. Schäden an Straßen und Brücken führten dazu, daß sich
der Fahrzeugverkehr nur auf langen Umwegen über Nebenstraßen oder auf
Schotterwegen bewegte, die für Lieferfahrzeuge teilweise nicht befahrbar
waren.
Mindestens eine Woche
lang konnten weder das ICRC noch irgendeine andere humanitäre Hilfs- oder
Flüchtlingsorganisation die Dörfer im belagerten Südlibanon erreichen. Die
Organisation für Landwirtschaft und Ernährung der UN (FAO) warnte, daß durch
Schäden an Straßen und Brücken die Nahrungsmittelkette unterbrochen sei und die
Gefahr einer massiven Lebensmittelkrise bestehe. Am 4. August widmeten sich
israelische Flieger der letzten Verbindungsstraße des Libanon mit Syrien.
Dieser Angriff blockierte einen Konvoi mit 150 Tonnen Hilfsgütern und
durchtrennte die von der UN ihre als „Nabelschnur“ bezeichnete
Hilfslieferungsroute. Die Blockade und die Bombardierung führten auch im Norden
des Landes zu Störungen und Engpässen.
Als am 14. August der Waffenstillstand in Kraft
trat, weigerte sich Israel mit dem Argument die Blockade aufzuheben, daß erst
genug UNIFIL-Kräfte stationiert werden müßten, um die Wiederbewaffnung der
Hisbollah von der See her und aus der Luft zu verhindern. UN-Generalsekretär
Kofi Annan warnte, daß diese Entscheidung als „kollektive Bestrafung“ des
libanesischen Volkes verstanden werden könnte.[81] Die
Fortsetzung der See- und Luftblockade bis zum 7. bzw. 8. September verzögerte
die Bemühungen zum Wiederaufbau und die Erholung des Libanon erheblich.
amnesty international traf im Libanon auf viele
Menschen, die schwer unter der Blockade zu leiden hatten, einschließlich der
Vertreter von Fischerei- und Baugewerbe sowie des landwirtschaftlichen und
medizinischen Sektors.
Mit am schwersten getroffen wurden die Fischer des
Landes. Ohne die Chance auf Fang zu gehen, blieben die Boote von etwa 8.000
Fischern in den Häfen liegen und viele der Männer mit ihren Familien wurden
mittellos. Zusätzlich zerstörte der israelischer Luftangriff vom 4. August den
Fischereihafen al-Ouza’i im Südwesten Beiruts. Betroffene Fischer erklärten
gegenüber amnesty international, daß zwischen 300 und 400 Boote – jedes in
einem Wert von 5.000 bis 50.000 US$ - bei den wiederholten Luftschlägen der
israelischen Armee schwer beschädigt oder zerstört worden sind. Die Büros der
Fischereigenossenschaft, das Café, die Metallreparaturwerkstatt, die
Schreinerei, die Netzreparaturwerkstatt, der Markt und ein dreistöckiges
Gebäude der libanesischen Armee wurden ebenfalls allesamt vernichtet. Jamal
‘Allama, der Direktor der Fischereigenossenschaft erklärte, daß
Hisbollah-Kämpfer diesen Hafen aufgrund seiner sensiblen und leicht zu
überblickenden Lage nicht hätten nutzen können, da dieser nur ein paar Meter
vom Begrenzungszaun des Flughafens Beirut und in der Nähe eines militärisch
kontrollierten Zugangs zum Flughafengelände liege.
Der Fischereivertreter erläuterte zudem die durch
die Blockade verursachten Probleme: seit bereits sechs Wochen hatten die
Fischer keinerlei Verdienstmöglichkeiten mehr gehabt. Khalil Taha, Direktor
der Fischereikonsortiums für den Süden sagte, daß es im Südlibanon ungefähr
1.300 Fischer gebe – davon 620 in Tyre, 100 in al-Naqoura und etwa 600 in
al-Sarafand – dazu die vielen ehemaligen Fischer, die nun mit der Herstellung von
Netzen, Tauen und Metallgewichten beschäftigt waren und die Markthändler. Er
erklärte, daß all diese Menschen von der Hand in den Mund leben und nur wenige
über Rücklagen verfügen. „Selbst unsere Netze sind zerfallen, weil sie so lange
außerhalb des Wassers in der Sonne gelegen haben. Die Motoren mancher Boote
springen nicht mehr an, weil wir sie so lange nicht bewegt haben.“
Einer der Fischer aus Tyre, der 50-jährige Rida
Qassaab, hatte seine gesamten Ersparnisse aufgebraucht. Er hat vier Kinder.
„Wir essen Brot, Käse und trinken Tee, sonst kaum etwas. Gestern habe ich zum
ersten Mal im Leben eine Dose Thunfisch gegessen – gerade wir sollten
eigentlich frischen Fisch essen.“
Selbst als die Seeblockade aufgehoben wurde,
normalisierte sich das Leben der Fischer nicht. Ursache hierfür war die Ölpest,
die das israelische Bombardement des Küstenkraftwerks Jiyye Mitte Juli
verursacht hatte (siehe Kapitel 3).
Andere Bereiche der libanesischen Wirtschaft
wurden von der Blockade ebenfalls schwer getroffen, weil sie sehr auf den
freien Waren- und Personenverkehr angewiesen sind. Die libanesischen Behörden
schätzen, daß die Blockade dem Land Handelsverluste in Höhe von 30 – 50
Millionen US$ eingebracht hat.[82]
Fünfundzwanzig Jahre harte Arbeit
und in 10 Minuten ist alles zerstört ... es gab hier kein Militär, nichts
Militärisches, gar nichts. Nicht mal die Aufseher hatten Pistolen.“ George Hanna,
Generaldirektor der Dalal Steel
Industries Stahlfabrik in Ta’nayel im Beqa’a-Tal, die am 23. Juli bei einem
israelischen Luftangriff zerstört wurde.
Die 34-tägige Bombardierung schädigte die
libanesische Infrastruktur ganz erheblich und verwüstete weite Teile des Handels-
und Agrarsektors des Landes.
Die Zerstörung hatte direkte und indirekte Folgen
für die Wirtschaft. Gut 900 Gewerbebetriebe erlitten zum Teil erhebliche
Schäden und über 30.000 Wohngrundstücke, Büros und Geschäfte wurden
vernichtet.[83] Der libanesische
Handel, stark angewiesen auf den Im- und Export von Gütern, brach für die Dauer
des Konfliktes zusammen. Viele Familien verloren ihre einzige Einkommensquelle,
weil ihr Geschäft den Bomben zum Opfer fiel. Tausende Firmen konnten den
Betrieb kaum aufrecht erhalten, weil sie durch die Zerstörung der
entsprechenden Infrastruktur ohne Strom und ohne Möglichkeit zur Einfuhr
notwendiger Zulieferungen oder zum Verkauf ihrer Produkte waren. Hotels und
andere vom Tourismus abhängige Firmen verzeichneten verheerende Einbußen, weil
Touristen aus dem Land flohen, Reisen abgesagt und die Einkünfte der gesamten
Feriensaison ausradiert wurden. [84]
Die Luftschläge trafen auch die
Kommunikationsnetze, inklusive der Telefon- und Fernsehanstalten. So traf am
22. Juli traf ein Luftangriff die Übertragungsstation des Senders LBC TV in Satqa östlich von Beirut. und
tötete den Techniker Sliman Shidiac. Am selben Tag wurden im Norden des Landes
die Antennen von Terbel bei Luftangriffen zerstört, einschließlich der
Sendeanlagen von Avenir und al-Manar TV.
Ein im August veröffentlichter Bericht amnesty
internationals faßt die ersten Ergebnisse der israelischen Angriffe auf die
Infrastruktur des Libanon zusammen.[85] Delegierte der
Organisation besuchten nach und nach gewerbliche und agrarwirtschaftliche
Produktionsstätten, die zum Ziel israelischer Angriffe geworden waren und
fanden keine Hinweise, daß diese von Kämpfern der Hisbollah genutzt wurden oder
anderen militärischen Zwecken gedient hätten. Israel machte keine Angaben über
die Gründen für diese Angriffe.
Bei
israelischen Angriffen wurden mindestens 30 Fabriken vollständig oder teilweise
zerstört[86] und
rund 5 % des libanesischen Industriesektors lahmgelegt.[87]
Berichten zufolge erlitten über 700 Industrieunternehmen erhebliche Schäden.[88]
Produktionsanlagen von Firmen aus wichtigen Industriesektoren sind zerstört
oder geschädigt worden, zum Beispiel der größte Milchproduzent des Landes Liban Lait in Ba’albek, die
Glasfabrik Maliban in Ta’nayel im
Beqa’a-Tal, der Gesundheitsartikel-Hersteller Safieddin in Bazouriye/Südlibanon, der Papierhersteller Fine
in Kafr Jara bei Sidon, der Baustofflieferant Musawi aus dem Kreis Ba’albek und die Dalal Steel Industries aus Ta’nayel im Beqa’a-Tal, die Fertighäuser
herstellt.
amnesty international besuchte die Milch- und Molkereiproduktefabrik Liban Lait, die am 17. Juli gegen 3:00
Uhr morgens durch einen Luftangriff zerstört wurde. Kontrollraum,
Produktionsanlagen, Verpackungskette und Käserei lagen in Schutt und Asche. Liban Lait hatte 90 % der
pasteurisierten Milch im Libanon sowie frische Milch, Joghurt, Käse und Lebneh
– ein libanesisches Milchprodukt – produziert und geliefert. Hisham Oraybi,
Chefingenieur des Betriebs, erklärte amnesty international, daß die Firma Ende
August 160 Arbeiter in der Fabrik beschäftigte, von denen jetzt nur noch 18
eine Arbeitsstelle hatten. Die Zerstörung von Liban Lait unterbrach die Frischmilch-Versorgung der Schulkinder,
die von zwischenstaatlichen Agenturen und Nichtregierungsorganisationen
koordiniert worden war [89]
Hisham Oraybi sagte, daß der Angriff der Firma schätzungsweise 20 Millionen US$
allein an Schäden gekostet habe, und daß „wir die Belegschaft während der
ersten Hälfte des Krieges zwar weiter entlohnten, aber jetzt nicht wissen, wann
uns das wieder möglich sein wird.“
Am
19- Juni wurde der Glashersteller Maliban,
der in seinen Hallen Glasflaschen und andere Gefäße produziert, gegen 12:30
Uhr mittags bei einem Luftschlag zerstört. Einer der Arbeiter, Devesh Kumar
Swain, starb und einige weitere Personen erlitten Verletzungen. Ein Kollege lag
15 Tage lang im Koma. Die Fabrik, die einem britischen Staatsbürger indischer
Abstammung gehörte, war laut Berichten die größte im Beqa’a-Tal
gewesen und hatte etwa 190 Tonnen Flaschen und Gefäße täglich für den
Export in den Mittleren Osten und nach Europa produziert. Firmenmanager Roy
Chowdhury sagte, daß die Fabrik nicht wieder instandgesetzt werden könne: „Sie
muß ganz neu aufgebaut werden. Ob uns das möglich sein wird, entscheiden die Aktionäre.
Wir schätzen, daß wir allein für den Wiederaufbau 60 bis 70 Millionen US$
benötigen sowie zusätzliche Gelder für die Aufräumarbeiten.“ Er erklärte, daß
die Gesellschaft ihren 350 Beschäftigten seit dem 19. Juli keinen Lohn mehr
ausgezahlt habe und daß etwa 400 Zulieferfirmen gleichermaßen betroffen seien.
Die Fertigungsanlagen und Lagerstätten der Dalal Steel Industries wurden am 23. Juli attackiert und
vernichtet. Schwere Maschinen, Stahlaufhängungen und Hochkräne blieben als
Wracks zurück. Generalmanager George Hanna sagte, daß die Firma Dalal, die 650 Arbeiter beschäftigt
hatte, Verluste in Höhe von 25 Millionen US$ zu verzeichnen habe.
Am
4. August wurden der Elektrogerätehersteller Elektra und das angrenzende Café im Beiruter Stadtteil al-Ouza’i
komplett zerstört, als gegen 17:00 Uhr etwa neun Raketen am Ort niedergingen.
Drei Arbeiter, die dort ihre Mittagsruhe hielten, trugen Verletzungen davon:
‘Abd al-Karim Khalaf, irakischer Staatsbürger, wurde von umherfliegenden
Splittern am Bein getroffen und verlor auf einem Ohr das Gehör. Musa al-‘Abud
al-‘Attiyeh, ein Syrer, erlitt einen Armbruch. Der Sudanese Haytham ‘Abd
al-Rasul Marhum Muhammad wurde unter den Trümmer begraben und mußte aufgrund
einer Kopfwunde fünf Tage lang intensivmedizinisch behandelt werden. Die drei
Männer sagten, daß 35 Familien im Ort von den Arbeitsplätzen hier abhingen und
daß sie selbst sich in der Hölle sahen - Geld konnten sie nun nicht mehr
verdienen und die Summe für die Heimreise zu ihren Familien konnten sie auch
nicht aufbringen
Außer den großen Fabriken wurden auch hunderte
kleine und mittelständische Gewerbebetriebe im gesamten Libanon beschädigt oder
zerstört.
Zu den Standorten, die amnesty internationals Delegierte
besuchten, zählte auch ein Flachbau an der Hauptstraße etwa einen Kilometer
südlich von Nabatiyeh, in dem die Firma Samar
Pharmacy, ein Obst- und
Gemüsemarkt sowie die Autowaschanlage al-Kawthar
angesiedelt waren. Das Gebäude war am 26. Juli gegen 3:30 Uhr am Morgen bei
einem Luftangriff stark beschädigt worden. Opfer gab es keine, der Markt war
seit dem 17. Juli geschlossen geblieben und die örtlichen Anwohner hatten die
Gegend bereits geräumt.
Am 6. August wurde gegen 16:00 Uhr das
neunstöckige Kazma-Mu’awadh-Gebäude
im Südbeiruter Stadtteil Mar Mikhail durch einen israelischen Luftschlag
vollständig zerstört. Das Gebäude beherbergte Geschäfte, Büroräume, eine Gold-
und Diamantenwerkstatt und ein Möbellager. „Das Gebäude war unser Leben, unsere
Zukunft“, so Fadia Kazma zu amnesty international. „Unsere ganze Familie lebte
von den Einnahmen daraus.“ Die Familie schätzt, daß sie 3 Millionen US$
verloren hat. „Wir wissen nicht, wozu sie das Haus zerstören wollten. Natürlich
gab es hier nichts [Militärisches] und wir haben keine Verbindungen zu
politischen Interessengruppen.“
amnesty international besuchte
auch 15 der 25 Tankstellen, die laut Berichten durch israelische Angriffe
zerstört oder gravierend beschädigt wurden - größtenteils im Südlibanon und in
der Gegend um Ba'albek. Die direkt im Norden Sidons gelegene Tankstelle Daghr mit der angrenzenden
Reifenwerkstatt und das kleine Nachbarhaus wurden zum Beispiel am 18. Juli
gegen 5:00 Uhr morgens durch einen israelischen Raketenangriff zerstört. Ein Mensch
wurde getötet. Der 28-jährige syrische Arbeiter Hani ‘Omar al-Habash, der in
der Reifenwerkstatt beschäftigt war, erklärte amnesty international: „Eine
Rakete traf die Tankstelle genau. Sie schlug in einen der Treibstoffbehälter
ein; Abu ‘Ali Ibrahim war sofort tot.“
Gerade jene Menschen, die ihren Lebensunterhalt
aus dem libanesischen Agrarsektor beziehen, trafen die israelischen Angriffe
besonders hart. Etliche Bauern kamen ums Leben, Tausende andere flohen oder
stellten die Arbeit ein und überließen ihre Felder sich selbst. Gewächshäuser,
Bauernhöfe, Grundwasserpumpen, landwirtschaftliche Fahrzeuge und andere,
unbedingt notwendige Geräte und Maschinen wurden zerstört.
Die libanesische Agrarwirtschaft
ist vor allem im Süden des Landes und im Beqa’a-Tal angesiedelt. Diese beiden
Gebiete sind (zusammen mit Südbeirut) durch die israelischen Streitkräfte
während des Konfliktes am heftigsten attackiert worden.
Am 4. August 2006 zählten zu den
getöteten Landarbeitern mindestens fünf Mitglieder der syrischen Familie Shibli
aus dem Beqa’a-Taldorf al-Jamaliye. Zwei Tage später starben 23
syrisch-kurdische Arbeiter bei einem Luftangriff auf ein Obstverpackungslager
in dem nordöstlich gelegenen Dorf al-Qa’a an der syrischen Grenze.
Ein Geistlicher, der
Zeuge des Angriffs wurde, erklärte amnesty international:
„Ich sah vom Dach meines Kirchengebäudes aus wie
um 14:00 Uhr die erste Bombardierung stattfand. Der Himmel war rauchgeschwärzt.
Ich zog mich schnell an, um nachzusehen, ob ich helfen konnte. Als ich etwa
sieben Minuten später so weit fertig war, kam der zweite Angriff. Ich ging
sofort los und erreichte nach ein paar Minuten die Stelle, wo die Bomben
eingeschlagen waren. Es war ein grauenhafter Anblick. Ich zählte 23 Körper,
fünf Frauen. Sie waren entsetzlich verbrannt. Es gab auch Verletzte. Weil wir
befürchteten, daß weitere Bomben folgen könnten, herrschte absolute Panik. Die
Opfer aßen gerade zu Mittag, als der Angriff kam. Deshalb waren alle so eng
beieinander und es sind so viele getroffen worden. Sie hatten draußen unter
einem Blechdach gesessen, vollkommen schutzlos. Arme, schwache Menschen,
Arbeiter, die hierher kamen, um von dem geringen Lohn ihre Familien zu ernähren
und deswegen sind sie jetzt tot.“
Die Luftangriffe trieben tausende
syrische Arbeiter in die Flucht aus dem Land und verhinderten, daß sich andere,
einschließlich der ortsansässigen Bauern noch um die Saat, Aufzucht oder Ernte
kümmerten.
Nach Angaben des Veterinäroffiziers
der UNIFIL verendete im Verlauf des Konfliktes rund 60 % des Viehbestands.[90] Jihad Bakir, Leiter von acht Hühnerfarmen der Geflügelzuchtkette Tenmiye im Beqa’a-Tal erklärte amnesty
international, daß die Tiere nach und nach verhungerten und verdursteten und
die Farmarbeiter jene hatten schlachten müssen, die nicht schon ohnehin
verendet waren. Nach den wochenlangen, israelischen Angriffen auf die Fahrzeuge
in der Gegend –auch auf einen Transporter der Geflügelzuchtbetriebe - war es
unmöglich, Futter für die Tiere zu beschaffen. In der Folge sind insgesamt
72.000 Hühner verendet oder mußten geschlachtet werden. „Jetzt haben wir nichts
mehr. Unsere Arbeiter können wir auch nicht mehr bezahlen und mußten sie ohne
Lohn entlassen“, so Jihad Bakir. Von den 400 Beschäftigten vor dem Konflikt
hatten nachher nur noch 20 einen Job.
Seba’ Tahtuh, ein Ziegenhirte,
erzählte amnesty international, daß vier seiner 21 Ziegen während der
israelischen Attacken umkamen, weil er sie nicht zur Tränke bringen konnte. Seit
dem Waffenstillstand war er ständig mit der Frage konfrontiert, womit er die
Tiere füttern soll. Die normale, frei zugängliche Nahrung der Ziegen ist mit
nicht explodierten Streusprengkörpern durchsetzt.
Der 70-jährige Bauer Hajj ‘Adnan
‘Abd al-Satr arbeitet zusammen mit seiner etwa zehnköpfigen Familie im
Kollektiv auf Feldern in Aya'at bei Ba'albek. Sie bauen Tabak, Wassermelonen
und Salatgurken an. „Die sind alle verrottet“, sagte er amnesty international
und zeigte auf die vertrockneten und vergilbten Pflanzen ringsum. „Was soll ich
tun? Alles ist ruiniert.“ Diese Pflanzen werden einmal im Jahr geerntet, so daß
fast die gesamte Jahresernte verloren ist.
Fatima und Sikne al-Akhras, die bei einem
israelischen Luftschlag auf ihr Wohnhaus in ‘Aitaroun zwölf Familienangehörige
verloren haben (siehe Kapitel 4), erzählten amnesty international von den
Verlusten, die der Tabakhandel der Familie zu verzeichnen hat:
„Wir
haben über zwei Drittel unserer Ernte verloren. Für den Tabakanbau sind Juli
und August die ausschlaggebenden Monate. Ein Großteil der Pflanzen hätte gerade
in der Zeit des Krieges geerntet werden müssen und ist nun auf den Feldern
verkommen. Dann konnten die gepflückten Blätter nicht verarbeitet werden und
sind ebenfalls verdorben. Und was jetzt noch auf den Feldern ist, wird
ebenfalls verrotten, denn es ist gefährlich auf die Felder zu gehen, weil da
überall die nicht explodierten, israelischen Bomben herumliegen, größtenteils
Streusprengkörper, aber auch große Bomben.“
Auch die Menschen, die auf den Märkten
und in den Läden und Geschäften arbeiten und landwirtschaftliche Produkte
verkaufen, wurden durch die israelischen Angriffe auf den libanesischen
Agrarsektor getroffen. Auf dem Obst- und Gemüsemarkt von Tyre erzählten
Standbesitzer amnesty international, daß der Markt während der Bombardierungen
bis auf ein oder zwei Stände geschlossen blieb. Dadurch hatten sie über einen
Monat lang keinerlei Einkünfte mehr. Die Bauern konnten die wenigen Produkte,
die sie noch zusammentrugen, auch nicht am Straßenrand verkaufen, weil die
Straßen während der sonst so wichtigen Sommersaison jetzt fast menschenleer
blieben.
Der Zugang zu medizinischen Diensten
wurde durch die israelischen Angriffe auf Krankenhäuser und andere medizinische
Versorgungseinrichtungen und -strukturen erheblich beeinträchtigt. Die
Zerstörung anderer Infrastruktur, Treibstoffengpässe und der Zusammenbruch der
Strom- und Wasserversorgung taten ein Übriges. Gerade als durch den Krieg eine
erhöhten Patientenzahl medizinisch versorgt werden mußte, war das Angebot
medizinischer Dienste dramatisch eingeschränkt.
Das
libanesische Gesundheitsministerium schätzte, daß zum 12. August 2006 etwa 60 %
der Krankenhäuser des Landes durch Treibstoffengpässen den Betrieb einstellen
mußten. Nach einem Bericht des libanesischen Gesundheitsministeriums und der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden 12 medizinische Einrichtungen bei
israelischen Angriffen zerstört und 38 weitere schwer beschädigt.[91]
amnesty international besuchte
einige der betroffenen Kliniken. So wurde zum Beispiel zwischen dem 15. Juli
und dem 13. August 2006 die Außenfront des Bahman
Hospitals im Beiruter Stadtteil Dhahiyeh während einer Serie israelischer
Luftangriffe erheblich beschädigt und ein großer Teil seiner Ausstattung und
Einrichtung zerstört. Unter anderem gingen Säuglingsinkubatoren und 5.000 Liter
Sauerstoff verloren. Der Direktor des Hospitals, ‘Ali Krayem, schätzte, daß der
Schaden bei circa einer Million US$ liegt.[92]
Die Dar al-Hawra Klinik in Dhahiyeh, die überwiegend Frauen und Kinder
versorgte, wurde durch israelische Bombardements erheblich beschädigt. Das
Labor und die Röntgenabteilung sowie die Gynäkologie, die Pädiatrie, die
zahnmedizinische Abteilung und die Verwaltung wurden komplett zerstört.
In der Ortschaft Tibnin im
Südlibanon beschossen die israelischen Streitkräfte nur Stunden vor dem
Waffenstillstand das staatliche Krankenhaus mit Streubomben. Hunderte
Zivilisten waren dort untergekommen.
Der Bericht der vier
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen stellte fest, daß die
israelischen Angriffe „überall in den betroffenen Regionen gravierende Auswirkungen
auf die Bereitstellung medizinischer Dienste hatten“. Er erläutert, daß infolge
des Konfliktes nur jede zehnte Klinik dringende Behandlungen und Notfallentbindungen
durchführen konnte. Nur jede dritte hatte Impfmittel auf Lager und nur jede
achte konnte auch psychiatrische Dienste anbieten. [93]
Israelische
Angriffe auf Wasser- und Stromnetze erschwerten die Versorgung der Bevölkerung
mit Trinkwasser dramatisch.[94] Müllabfuhr und
andere Systeme zur Müllbeseitigung wurden ebenfalls beschädigt und
unterbrochen. Dies trat zu einem Zeitpunkt ein, als – verstärkt durch enorme
Mengen Schmutz und Staub, sowie durch die vielen Verletzungen und die damit
verbundenen, erhöhten Infektionsrisiken – ein besonderer Bedarf an solchen
Diensten bestand.
Im Südlibanon wurden „die Strukturen zur
Wasserversorgung zerstört“, so die UNICEF im August[95] Im selben
Monat verlieh das ICRC seiner Sorge Ausdruck:
„Auf dem Land lebende Menschen haben keinerlei
Zugang zu Wasser mehr. Die große Pumpstation in den Bergen ist so beschädigt,
daß sie nicht repariert werden kann. Jetzt ist die Bevölkerung auf Brunnen
angewiesen, doch um das Wasser aus den Brunnen zu pumpen, brauchen sie
Elektrizität und die Stromversorgungsanlagen sind zerstört.“ [96]
Die
meisten Menschen, die amnesty international Delegierte während des Monats
August im gesamten Südlibanon und den südlichen Stadtteilen Beiruts antraf, mußten
das Wasser für ihren täglichen Bedarf in Flaschen kaufen.
Die
Ärzte des Krankenhauses in Meis al-Jebel erzählten amnesty international, daß
der Wassermangel sowie die Engpässe bei der Treibstoff- und Stromversorgung zu
ihrer Entscheidung beigetragen hatten, das erst kürzlich eröffnete Hospital
vierzehn Tage nach Konfliktbeginn wieder zu schließen. Um den 27. Juli herum,
als die Klinik geschlossen wurde, war der etwa 100 Meter entfernt stehende
Wasserturm durch den Schlag einer einzelnen Rakete getroffen und unbrauchbar
gemacht worden. Nahe des Wasserturms befinden sich keine weiteren Gebäude und
es hatte keinerlei Anzeichen für militärische Aktivitäten in der Gegend
gegeben.[97]
Berichten zufolge wurden im Südlibanon bis zu 50
Schulen vollständig zerstört, etwa 300 weitere trugen gravierende Schäden
davon.[98] Dadurch verpaßten Hunderttausende von Schulkindern die ersten drei Wochen
den neuen Schuljahres, dessen Beginn von Mitte September auf den 16. Oktober
verschoben wurde. Viele Schüler mußten zudem in anderen Schulen einen
Unterrichtsplatz finden.
amnesty internationals Delegierte
besuchten einige der zerstörten und schwer beschädigten Schulgebäude im
Südlibanon, in Südbeirut und in Ba’albek. In Ma’roub war die Schule dem Erdboden
gleichgemacht. Im nordwestlichen Bint Jbeil war die ‘Oweyna-Mädchenschule erheblich beschädigt - Tische und Stühle
konnte man von der Straße aus sehen, weil eine der Hauptwände weggesprengt war.
Die staatliche Kawnin-Schule an der
Hauptstraße nach Tibnin trug massive äußere und interne Schäden davon,
einschließlich der teilweisen Zerstörung der Wände - in der näheren Umgebung
der Schule konnten nur wenige oder gar keine weiteren Anzeichen der Zerstörung
festgestellt werden. Das läßt vermuten, das tatsächlich die Schule das Ziel
dieses Angriffs war. Von fünf Schulen wurden in al-Khiam drei stark beschädigt.
Im Beiruter Stadtteil Dhahiyeh wurden die al-Mustaqbal-Schule
komplett vernichtet und die Ashbel-Sahel-Grund-
und Aufbauschule erheblich beschädigt.
„Im Libanon
wurden ganze Dörfer mit Streubomben eingedeckt … Was wir dort taten, war
verrückt und monströs.“ Zitat eines israelischen
Kommandeurs in der Tageszeitung Haaretz[99]
Der sechsjährige ‘Abbas Yousef Shibli spielte am
26. August im südlichen Dorf Blida mit drei Freunden. Sie entdeckten etwas, das
sie für eine Parfümflasche hielten. Eines der Kinder ging hin, hob es auf und
eine Explosion erfolgte. ‘Abbas trug verheerende Verletzungen davon - Darm und
Gallenblase waren geplatzt, die Lunge durchlöchert und ein innerer Nerv
durchtrennt. Als der Junge im al-Nabatiyeh-Hospital
in Nadje auf dem Krankenbett mit amnesty international Delegierten sprach,
weinte er immer und immer wieder: „Schafft die Bomben weg aus meinem Dorf.“
Seine drei Freunde - der achtjährige Ahmed Shibli,
der elfjährige ‘Ali Hasan und dessen neunjährige Schwester Sahar - erlitten
ebenfalls Verletzungen. Ali hatte ein Bein gebrochenen. Zudem trugen er und
seine Schwester Sahar Splitterwunden davon. Sahar erzählte amnesty
international:
„Ali's Bein muß anderthalb Monate lang in Gips
bleiben und er kann nicht mehr raus zum Spielen kommen. Jetzt ist es ja auch
besser drinnen zu spielen, wegen der Bomben. Ich sagte den anderen Kindern, daß
sie draußen bloß nichts anfassen, nicht einmal einen Stein, selbst unter dem
Laub könnte eine Bombe liegen.“
Während der letzten drei Tage des Konfliktes ließ
Israel Streubomben über weite Gebiete des südlichen Libanon niederregnen.
Streusprengkörper wurden in Wohnsiedlungen, auf Straßen, in Obsthainen und auf
den Feldern deponiert. Viele der kleinen Bomben blieben unexplodiert liegen.
Dadurch ist daß der Krieg für Tausende von Menschen im Libanon mit dem
Waffenstillstand noch lange nicht beendet. In den ersten vierzehn Tagen nach
Eintritt der Waffenruhe, starb durchschnittlich ein Mensch pro Tag durch diese
Sprengkörper und fünf weitere wurden jeden Tag durch die Reste von Streubomben
verletzt.[100] Nach
Informationen des UN-Büros zur Koordination humanitärer Angelegenheiten waren
bis zum 2. November 2006 in zivilen Gebieten des Libanon bereits 22 Personen
getötet und 134 verwundet worden.[101]
Der israelische Kommandeur einer Truppe, die über
ein multiples Raketenabwurfsystem verfügte, erklärte gegenüber der
israelischen Tageszeitung Haaretz,
daß die Armee während des Krieges 1.800 Streubomben abgefeuert habe, die
allesamt jeweils hunderte kleinerer Sprengkörpern enthielten. „Im Libanon haben wir ganze Dörfer mit
Streubomben eingedeckt,“ so sagte
er. „Was wir da gemacht haben, war
verrückt und monströs.“ [102] Dieselbe
Zeitung berichtete, daß israelische Truppen auch 155-mm-Artilleriekanonen zum
Abwurf von Streugranaten einsetzten.
Nach Schätzungen des UN
Minenaktions-Koordinationszentrums (UN
Mine Action Coordination Centre / UNMACC) vom September 2006 sind gut eine
Million nicht explodierter Sprengkörper über den gesamten Libanon verteilt
zurückgeblieben. Jeder einzelne davon kann Menschenleben zerstören, besonders
das von neugierigen Kindern. Das UNMACC schätzte zudem, daß die Räumung dieses
nicht explodierten Materials mindestens ein Jahr Zeit in Anspruch nehmen wird.[103]
Ein Sprecher der Organisation erklärte, daß viele
der Streusprengkörper, die man gefunden hatte, „in zivilen Gebieten, auf
Agrarland und in den Wohnhäusern von Menschen lagen … Wir finden eine Menge
davon in Hauseingängen, auf Balkonen und Dächern … Zuweilen waren die Fenster
zerborsten, so daß sie auch ins Innere der Häuser gelangen konnten.“ [104] amnesty
internationals Delegierte im Libanon kamen zu den gleichen Ergebnissen. Auch
sie fanden in Dörfern und in den Innenräumen von Wohnhäusern viele nicht
explodierte Streusprengkörper.
Anfang November sagte die UNMACC, daß sie etwa
58.000 Streukörper und andere Teile nicht explodierter Munitionen geräumt habe. [105] Zuvor hatte
sie erklärt, daß durch das Ausmaß der Zerstörung und die Kontaminierung mit
Streubomben und anderen nicht explodierten Materialien rund 200.000 Menschen
noch immer nicht nach Hause zurückkehren konnten.[106]
Jan Egeland, UN-Untersekretär für humanitäre Angelegenheiten
verurteilte Israels Einsatz von Streubomben in den libanesischen Wohngebieten
als „absolut unmoralisch“. Er fügte hinzu: „Jeden Tag werden Menschen durch
diese Waffen verstümmelt, verwundet und getötet. Das hätte nicht passieren
dürfen.“ [107]
Die israelische Truppen verwendeten in
den USA hergestellte Streubomben und feuerten sie aus der Luft und über
Artilleriegeschützen ab. Dabei benutzten sie auch sogenannte 58B CBUs (Cluster
Bomb Unit / Streubombeneinheit), Geschosse, die pro Stück etwa 650 Sprengkörper
vom Typ BLU 63 enthalten und von der Form her einem Tennisball ähneln, viele
davon hergestellt während der Vietnam-Ära. Von diesen alten Lagerbeständen hat
man während der letzten drei Tage vor Beginn des Waffenstillstand offenbar
überschwenglich Gebrauch gemacht. [108]
Im Libanon sprachen Delegierte amnesty
internationals mit etlichen Kindern und Erwachsenen, die durch Streubomben
verursachte Wunden auskurierten. Sie sprachen auch mit Verwandten von Menschen,
die durch diese Munitionen getötet verletzt wurden.
Einige Mitglieder der Familie Hattab hatten am 14.
August vor ihrem Haus in Habboush bei al-Nabatiyeh beim Frühstück
zusammengesessen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging eine Katze
spazieren und brachte dort einen Gegenstand, zur Explosion. Daraufhin fanden
drei Kettenexplosionen statt. Zwei Menschen starben - Hadi Mohammed al-Hattab
war sofort tot. Der 34-jährige Moussa Hussein al-Hattab erlag drei Tage später
im Krankenhaus seinen Verletzungen. Fünf Personen wurden verwundet.
Am nächsten Tag, dem 15. August, war der
20-jährige Ali Turkiye mit einer Gruppe junger Männer auf einem Feld in Zawtar
al-Gharbiyeh unterwegs. Er langte nach oben, um über seinem Kopf nach ein paar
Trauben zu greifen. Dabei kam er an einen Streusprengkörper, der sich in den
Blättern verfangen hatte. Er explodierte – Ali Turkiye war sofort tot. Mahmoud
Darwish, 24, der dabeistand, wurde am Knie und am Fuß verletzt.
In dem südlichen Dorf al-Sultaniyeh ging am 28. August
2006 zwei Wochen nach dem Waffenstillstand der 19-jährige Student des
Fachgebiets Wirtschaftsprüfung des Islamischen Technischen Instituts Beirut,
Hussein Qaduh, einen Pfad neben einem Fußballfeld entlang. Dieser eigentlich
sehr friedliche Tag wurde durch eine Explosion erschüttert, die seinen Körper
aufriß. Er hastete ins Krankenhaus der nahegelegenen Ortschaft Tibnin, wurde
dann aber aufgrund der Schwere seiner Verletzungen in eine Klinik nach Tyre
verlegt. Dort trafen ihn Delegierte amnesty internationals, nachdem er einige
umfangreiche Operationen überstanden hatte. Sein Zustand war jedoch nach wie
vor kritisch. Die Delegierten besuchten später die Gegend, in der er sich
verletzt hatte und stellten fest, daß das Areal mit unexplodierten Streusprengkörpern
verseucht war. Einige davon lagen nur Zentimeter von dem Pfad entfernt, auf dem
er gegangen war. Auf der Erde war noch sein Blut zu sehen.
In der Liste der Opfer sind unverhältnismäßig
viele Kinder vertreten. So zum Beispiel der 13-jährige Hassan Hussein Hamadi.
Er hatte am 27. August 2006 eine dosenähnliche Streubombe vom Boden aufgehoben,
während er mit seinen Brüdern und Schwestern im Vorgarten des Hauses der
Familie in Deir Qanoun, südlich von Tyre, spielte. Die Bombe explodierte und
riß ihm vier Finger seiner rechten Hand ab. Außerdem trug er massive
Verletzungen an der Schulter und am Unterbauch davon.
Jean Ziegler, der
UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung, äußerte die Befürchtung, daß
nicht explodierte Munition sich langfristig gravierend auf die Lebensgrundlagen
hunderttausender Menschen auswirkt, weil sie die Bewässerung, Ernte und
Bepflanzung der Felder und Haine behindert.[109] In Teilen des Libanon gibt es kaum einen Obstgarten
oder Olivenhain, kaum ein Tabakfeld oder eine Viehweide, die nicht mit
Streusprengkörpern versetzt wäre, die jederzeit explodieren können. Die Hirten
und Bauern sehen sich einem tödlichen Dilemma ausgesetzt - entweder lassen sie
ihre Tiere verhungern und ihre Ernte verkommen oder riskieren Leib und Leben,
indem sie die mit Sprengkörpern verseuchten Gebiete betreten.
Das nicht explodierte Streumaterial wirkt sich
auch auf andere wirtschaftliche Belange aus. Es stört die Reparatur
unterbrochener Wasser- und Stromleitungen sowie die Instandsetzung und den
Wiederaufbau zerstörter Gebäude, Straßen und anderer Infrastruktur.
Der 45-jährige Lehrer Wafiq Kishan aus dem Dorf
Sammaaiye im südlich von Tyre gelegenen Bezirk Ras al-‘Ein, erzählte amnesty
international, daß die Bananen- und Orangenbäume in den Obsthainen rund um das
Haus seiner Familie teilweise deswegen vertrocknet und beschädigt seien, weil
sie mit Streubomben durchsetzt sind und die Familie die Bäume nicht wie
erforderlich bewässern oder beschneiden kann. Er sagte, daß es dieses Jahr zu
spät sei, um die Früchte zu ernten, auch wenn die nicht explodierten
Sprengkörper schnell aus den Hainen entfernt würden.
Khalil Badawi, 64, wurde am 24. August durch eine
Streubombe verletzt, als er in einem Hain im Dorf Sammaaiye im Bezirk Ras al-‘Ein arbeitete. Er erzählte, daß die Bombe
explodierte, als er mit der Hacke, die er benutzte, daran stieß. Er sagte, er
habe keine andere Wahl gehabt, als in den Hain zu gehen, auch wenn die
Sprengmittel dort noch nicht geräumt waren. „Wir müssen unsere Familien
ernähren. Jeden Morgen verabschieden wir uns von ihnen, weil wir wissen, daß
wir vielleicht nicht wiederkommen … Wir versuchen, so vorsichtig wie möglich
zu sein.“
Als die Familie Heriz am 14. August nach Hause
zurückkehrte, fanden sie ihre Tiere tot auf einem nahegelegenen Feld. ‘Ali
Heriz, 26, ging hin und versuchte eine der Kühe zu bewegen. Dabei löste er
offenbar eine Streubombe aus. Der Schlag der Explosion traf ihn vor allem an
Brust und Bauch. Aber auch im Gesicht wurde er verwundet. Die Familie sagte,
daß sie wegen der Sprengkörper viele ihrer Felder nicht versorgen könne. Wie
sie überleben soll, wisse sie nicht.
‘Abd al-Mohsen Heriz, ein Verwandter ‘Ali Heriz‘,
sprach mit amnesty international und sagte:
„Etwas Derartiges hab ich noch nicht erlebt. Die
Anwesenheit dieser Streubomben zwingt uns jetzt einen weiteren Krieg auf. Sie
sind noch gefährlicher als der Konflikt selbst, und dieser Krieg kann noch 20
Jahre dauern."
Die Bombardierung des Libanon hat
nicht nur Menschen getötet und verletzt. Sie hinterließ - vor allem im Süden
und in den südlichen Vororten Beiruts - ebenso tiefe Einschnitte im geistigen
und seelischen Wohlbefinden der Zivilbevölkerung. Die Organisation Mediziner ohne Grenzen (Médecins Sans
Frontières) berichtete, daß während des
Krieges bis zu ein Drittel ihrer Arbeit psychische Probleme betraf.[110]
Für die Kinder im Libanon wird
dieser Krieg noch lange erhebliche, negative Folgen haben. Mediziner sehen der
Zukunft mit Schrecken entgegen. Bei Kindern gilt das Spiel als eine der
wichtigsten, wissenschaftlich anerkannten Methode zur Traumabewältigung. Doch
in vielen Teilen des Südlibanon sind Spielplätze und andere Orte, an denen
Kinder zu spielen pflegten, mit Streubomben versetzt und der Aufenthalt
außerhalb des Hauses ist zu einem gefährlichen Unterfangen geworden.[111]
Für den Schutz der Zivilbevölkerung tragen alle
kriegführenden Parteien gleichermaßen die Verantwortung. Sie sind
verpflichtet, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um zu gewährleisten,
daß die Zivilisten innerhalb ihres Kontrollbereichs bei militärischen
Operationen keinen Schaden nehmen.
Die israelischen Behörden
argumentieren, daß die Hisbollah für die durch israelische Angriffe an
Zivilisten verursachten Schäden zur Verantwortung gezogen werden müsse. Sie
beschuldigen die Hisbollah, die Zivilbevölkerung absichtlich als Deckung für
ihre militärischen Aktivitäten zu benutzen, indem sie ihre Basislager in
Tunneln oder andernorts in Städten und Dörfern unterhalte und Katjuscha
Raketen, Raketenwerfer und andere Waffen in besiedelten Gebieten lagere. Weiter
wirft die israelische Regierung Hisbollah-Kämpfern vor, Katjuschas aus der
engen Umgebung ziviler Gebäuden abzufeuern und sich danach in denselben Häusern
in Deckung zu bringen. Zudem soll die Hisbollah Zivilisten an der Evakuierung
ihrer Wohnorte gehindert haben. Die Hisbollah weist indes jede Politik der
Gefährdung von Zivilisten weit von sich. Offizielle Hisbollah-Vertreter bestätigen
offen, daß Kampfeinheiten und militärische Einrichtungen in Städten und Dörfern
des Südlibanon und anderswo lokalisiert sind. Doch sei es – ihren Argumenten
zufolge – die Rolle der Kämpfer die, ihre eigenen Kommunen gegen die
israelischen Attacken zu verteidigen. Daß diese Kämpfer aber Katjuscha-Raketen
in Wohngebieten lagerten oder solche von dort aus abfeuerten, bestreitet die
Hisbollah. Auch habe man nie und in keiner Weise Zivilisten an der Flucht
gehindert.
Militärische Einrichtungen in Zivilgebieten
Als politische Partei,
soziale Organisation und als eine der bewaffneten Gruppen ist die Hisbollah in
den schiitisch-muslimischen Bevölkerungsteilen vor allem im Süden des Libanon
angesiedelt. Die Hisbollah stellt nicht in Abrede, daß sie ein Netzwerk aus
Tunneln und anderen militärischen Schlupfwinkeln in der Nähe sowie innerhalb
von Städten und Dörfern dort aufgebaut hat und diese benutzt hat, um
israelischen Truppen aufzulauern, als diese in den Libanon vorgestoßen waren.[112] Sie weist darauf hin,
daß israelische Streitkräfte in libanesisches Territorium eingefallen sind, mit
Panzern und Truppen in südlibanesische Dörfer einmarschierten, zivile
Wohnhäuser besetzten und Angriffe von diesen Wohnungen aus starteten. Die
Hisbollah hält an ihrer Behauptung fest, daß bewaffnete Auseinandersetzungen,
die innerhalb oder nahe bei bestimmten Dörfern stattfanden, dazu dienen
sollten, israelischen Bodenangriffen Widerstand zu leisten, und daß die
beteiligten Kämpfer persönlich aus diesen Dörfern stammten.
Im Zuge ihrer Feldmission fand amnesty
international im Schutt zweier Gebäude, die israelische Streitkräften zerstört
hatten, die Überreste von Kurzstreckenwaffen, wie etwa Maschinengewehre vom
PK-Typ und Panzerabwehrraketen. Zum einen handelte es sich um ein unbewohntes
Haus am Ortsrand von Marwahin, das andere war ein Gebäude in den Randgebieten
von Bint Jbeil gewesen, von dem die Anwohner zu berichten wußten, daß es der
Hisbollah gehört.
In Marwahin bestätigten Dorfbewohner gegenüber
amnesty international auch, daß ein Laster, der neben einer Moschee geparkt war
– und der, wie Filmaufnahmen der israelischen Armee zeigen, Panzerabwehrraketen
enthielt – während des Konflikts von der Hisbollah benutzt wurde.
In der Ortschaft Rmeish zeigte man amnesty
internationals Delegierten zwei anscheinend unbenutzte Panzerabwehrgeschütze.
Dorfbewohner erklärten, daß diese von Hisbollah-Kämpfern in der Nähe eines
Rohbaus auf einem Hügel am Dorfrand zurückgelassen worden waren.
Israelische Infanteristen, die amnesty
international interviewte, bestätigten, daß sich die israelischen Truppen und
die Einheiten der Hisbollah-Truppen ähnlicher Strategien bedienten – oft kam es
in den von ihren Bewohnern verlassenen Dörfern zu Kämpfen von Haus zu Haus.
amnesty international fand Hinweise auf die Anwesenheit israelischer Truppen
in den Wohnhäusern verschiedener Orte, wie ‘Aitaroun, ‘Ait al-Sha’b, ‘Ainata
und Mheibib. Lebensmittelverpackungen und andere Utensilien mit hebräischen
Schriftzeichen sowie große Mengen leerer Kartuschen und gebrauchter
Raketenwerfer mit hebräischen Markierungen lagen in diesen Wohnhäusern wie Müll
verstreut.
Daß militärische und zivile Gebiete zuweilen sehr nahe beieinander liegen,
ist auch in Israel nichts Ungewöhnliches. Berichten zufolge sind in Kiryat
Shimona und Metulla militärische Einrichtungen angesiedelt und innerhalb
einiger nordisraelischer Städte und Dörfer befinden sich militärische
Grenzposten. Während des Krieges stieg die Zahl israelischer
Militäreinrichtungen und militärischer Aktivitäten in der Nähe oder innerhalb
ziviler Gebiete in Nordisrael über das übliche Maß hinaus an. Es wird
berichtet, daß die israelische Armee Basen in der Nähe überwiegend von Arabern
bewohnter, israelischer Städte und Dörfer einrichtete, so zum Beispiel in
Fassuta, in ‘Arab al-‘Aramshe und in Tarshiha. Im zuletzt genannten Ort wurden
drei Zivilisten durch einen Raketenangriff der Hisbollah getötet. Laut
Berichten führte die israelische Armee auch Übungsmanöver innerhalb arabischer
Dörfer in Israel durch, weil die natürliche Umgebung dort der Landschaft um die
Dörfern des Südlibanon ähnelt.[113]
Nach dem Tod von zwölf israelischen Soldaten „außerhalb der Pforte“ des
Kibbuz Kfar Giladi, wo deren Bataillon seit einer Woche stationiert war, gab es
Berichte, daß „sich während des Krieges hunderte Soldaten im Kibbuz aufhielten,
inklusive Feldlazarett, Sondereinheiten und Artillerietruppen.“ [114]
Eine Reihe anderer Städte und Dörfer des Nordens mit hohem arabischen
Bevölkerungsanteil liegen, wie berichtet wird, in der Nähe von
Munitionsfabriken.[115]
Das Hauptquartier der Hisbollah befindet sich tatsächlich in einem Stadtteil
Beiruts – den die israelischen Streitkräfte dann auch auf das Heftigste
bombardierten. Indes, auch das Verteidigungsministerium des Staates Israel
liegt mitten im Herzen von Tel Aviv.
Obwohl die
Anwesenheit von Hisbollah-Kämpfern und Kurzstreckenwaffen in zivilen
Wohngebieten nicht bestritten wird, kann dies allein noch nicht als schlüssiger
Beweis für die Absicht gelten, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu
benutzen. Dann gälte die Anwesenheit israelischer Soldaten in einem Kibbuz für
sich betrachtet als Beweis für dasselbe Kriegsverbrechen. Ein solches Verhalten
auf seiten beider Parteien entspricht jedoch einem Bruch der Verpflichtung, „in
maximal umsetzbarem Maß“ alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der
Zivilbevölkerungen innerhalb ihres Kontrollbereichs vor den Gefahren
militärischer Operationen zu treffen und verstößt insbesondere gegen die
Vorgabe „eine Stationierung militärischer Zielobjekte innerhalb oder in der
Nähe dicht besiedelter Gebiet zu vermeiden“.
Aufgrund
der Tatsache, daß sie Kampfeinheiten und Waffen in Städten und Dörfern
stationierten, tragen die Hisbollah und Israel in jedem Fall die Verantwortung
dafür, daß die betreffenden Orte als rechtmäßige Ziele angesehen und die
eventuell dort anwesenden Zivilisten einem Risiko ausgesetzt wurden.
Nichtsdestotrotz waren israelische Truppen wie Hisbollah- Kämpfer zu jeder Zeit
verpflichtet, den Prinzipien der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit
Genüge zu leisten und im Zuge der Durchführung ihrer Angriffe die nach
internationalen Völkerrechten erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz der
Zivilbevölkerung zu treffen.
Israel beschuldigte
die Hisbollah, Katjuschas und andere Raketen sowie die dazugehörenden
Geschütze in zivilen Gebieten. vor allem in Wohnungen aber auch in Schulen und
Moscheen, gelagert zu haben. Ein Offizier der israelischen Infanterie erzählte
amnesty international, daß sein Zug im August in der Ortschaft ‘Ait al-Sha’b in
der unteren Etage eines zweistöckigen Hauses 15 Katjuschas, allerdings ohne Abschußrampe,
gefunden habe. Von der IDF vorgelegte, fotografische Beweise zeigen Gegenstände
im Innenhof der Moschee von Marwahin, die beschädigten Raketen vom Typ
Katjuscha ähneln und direkt neben dem bereits erwähnten Laster voller Panzerabwehrraketen
liegen. amnesty international gegenüber erklärte die Hisbollah, indes daß sie
keine Katjuschas in Städten und Dörfern, sondern lediglich in Wäldern und
anderen natürlichen Verstecken gelagert habe.
Israel veröffentlichte und lieferte amnesty
international Überwachungsvideos als Beispiele. Diese zeigen, daß Raketen vom
Katjuscha-Typ sowie kurzstreckige Panzerabwehrraketen aus dem nahem Umfeld
ziviler Gebäude abgefeuert werden. Ein solcher Vorfall war am 7. August 2006
aufgezeichnet worden. Auf diesem Video ist zu sehen, wie im Dorf Sidiqin
zwischen zwei Häusern Raketen aufschießen.[116] In den meisten anderen
Luftaufnahmen fehlen jedoch maßgebliche Daten wie Datum, Uhrzeit und Ort der
Aufnahme. Die wenigen Vorfälle, die (wie der oben genannte) datiert sind,
fanden erst statt, als die Zivilbevölkerung einige der Dörfer bereits verlassen
hatte. Andere Aufzeichnungen zeigen Fahrzeuge, die aussehen wie mit
aufgetürmten Katjuschas beladene LKWs und die im Inneren von Gebäudeanlagen
verschwinden.
Der hochrangige, israelische Kommandant, der im
September 2006 mit amnesty international zu einem informativen Gespräch
zusammenkam, sagte auch, daß Hisbollah-Einheiten ihre Raketen von Plätzen aus
abgefeuert hatten, die nur 30 bis 40 Meter von UNIFIL-Basen entfernt lagen, um
so israelische Gegenangriffe zu vermeiden. Bei einer dieser Gelegenheiten
hätten sich Hisbollah-Kämpfer gar in den Räumlichkeiten der UNIFIL in
Sicherheit gebracht.
Die UNIFIL berichteten über mehr als 20
Vorfälle, bei denen die Hisbollah „aus dem Umfeld“ (bis zu 500 Meter) von
Stellungen der Vereinten Nationen im Südlibanon Raketen abgefeuert hat.
Außerdem ist eine Reihe von Fällen bekannt, in denen die Hisbollah mit
Kleinwaffen und Mörsergranaten „in der Nähe“ (bis zu 100 Meter) von
UNIFIL-Posten agierte. Zuweilen wurden Fahrzeuge und Stellungen der Vereinten
Nationen von Mörsern, Kleinwaffen oder Raketen der Hisbollah getroffen. Die
UNIFIL halten ganz klar fest, daß Kämpfern der Hisbollah zu keinem Zeitpunkt
der Aufenthalt in einer ihrer Basen gestattet war. [117]
Die Hisbollah bestritt, Katjuschas von zivilen
Wohngebieten aus abgefeuert zu haben und hielt fest, daß sie ihre Angriffe von
Wäldern, Schonungen, Flußbetten und anderen Plätzen aus starte, außerhalb der
Dörfer und weit weg von Wohngebieten.
In ‘Ein Ebel und Rmeish erzählten Dorfbewohner
amnesty international, daß es vor allem zu Beginn des Krieges durchaus vorkam,
daß Hisbollah-Kämpfer ihre Raketen von Dörfern aus zündeten, wenn auch nicht
gerade aus den Innenhöfen von Gebäuden oder aus der Nähe ihrer Wohnhäuser. Ob
diese Angriffe gegen die israelischen Truppen vor ihren Dörfern oder auf
israelisches Staatsgebiet gerichtet waren, konnten sie nicht sagen. Sie
erklärten, daß diese Praktiken generell eingestellt wurden, nachdem man sich
bei der Hisbollah beschwert hatte. Einer der Dorfbewohner von ‘Ein Ebel, der
den ganzen Krieg über am Ort geblieben war, erzählte amnesty international,
daß die israelische Streitkräfte das Dorf, einschließlich der Kirche, oft dann
bombardierten, wenn die Hisbollah gar nicht im Dorf anwesend oder aktiv war.
Anhand der wenigen, von der israelischen Regierung
vorgelegten Beispiele wird nicht eindeutig klar, ob sich in den Gebäuden, aus
denen oder aus deren näherer Umgebung Raketen abgefeuert wurden, Zivilisten
befanden. Wenn keine Zivilisten dort waren, haben Raketen abfeuernde
Hisbollah-Kämpfer unter den gegebenen Umständen auch nicht gegen das Verbot
der Verwendung „menschlicher Schutzschilde“ verstoßen. Allerdings hätten
Gebäude, die als Abschußbasis für Katjuscha-Raketen benutzt wurden, ein
legitimes Zielobjekt für die Angriffe der israelischen Armee dargestellt und
andere Gebäude in der Nähe solcher Abschußorte könnten hierbei folglich
durchaus beiläufige Schädigungen davon getragen haben. Trotz alledem hätte die
israelische Armee den Prinzipien der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit
entsprechen und die nach internationalem Völkerrecht erforderlichen
Vorkehrungen treffen müssen.
Fest steht, daß wenn Hisbollah-Kämpfer ihre
Katjuschas in direkter Nähe zu Zivilisten in der Absicht gelagert oder
abgefeuert haben, die israelischen Streitkräfte von einem Angriff
abzuschrecken, so erfüllt dies den Tatbestand der Benutzung von Zivilisten als
menschliches Schutzschilde. Die verfügbaren Beweismittel deuten an, daß in
zumindest einigen Fällen, Katjuschas innerhalb von Ortschaften gelagert und aus
zivilen Gebieten heraus abgefeuert wurden, doch es ist nicht klar, ob
Zivilisten anwesend waren und daß diese dann auch als „menschliche
Schutzschilde benutzt wurden. Trotz der insgesamt fast 4.000 Raketen, die auf
Israel abgefeuert wurden, sind letztlich nur wenige, einhellige Informationen darüber
vorhanden, wo diese genau gelagert und gezündet worden sind. Insofern läßt
sich das Ausmaß dieser Vorgehensweise nicht erfassen und kann im Sinne der
internationalen, humanitären Völkerrechte auch nicht abschließend bewertet
werden.
Israelische
Offizielle behaupten, daß die Hisbollah Zivilisten am Verlassen gewisser
Gegenden gehindert habe, damit die Zivilbevölkerung die Kämpfer decke. Zu
diesem Zweck habe sie Straßen blockiert oder sogar über die Köpfe von Flüchtlingen
hinweg Schüsse abgegeben. Die israelischen Behörden konnten hierfür jedoch
keine Beweise vorlegen, außer daß sie amnesty international vorschlugen, einem
dieser angeblichen, Vorfälle in Marwahin nachzugehen. Die Einwohner Marwahins
bestritten, daß ein solches Ereignis je stattgefunden habe – auch jene
Ortsansässigen, die politisch aktiv und als Hisbollah kritisch bekannt sind.
Tatsächlich waren zu Beginn der Kämpfe viele Dorfbewohner geflohen –ihr
Fahrzeugkonvoi war von der israelischen Luftwaffe angegriffen worden (siehe
Kapitel 3).
Keine der Personen, die amnesty international in
Städten und Dörfern des Südlibanon und anderswo im Land befragte, beschuldigte
die Hisbollah sie am Verlassen ihres Dorfes gehindert oder einen derartigen
Versuch unternommen zu haben. Ebensowenig ließen sich Berichte finden, daß
andere solcherart behindert worden wären. Einige erklärten, daß die Hisbollah
die Bevölkerung vor der Möglichkeit israelischer Angriffe innerhalb ihrer
Gebiete gewarnt habe. In manchen Fällen, vor allem während der 48-stündigen,
pausenlosen Luftangriffe der israelischen Armee vom 31. Juli und 1. August
2006, wird berichtet, daß Hisbollah-Aktivisten Menschen dazu ermutigten, ihre
Dörfer im Südlibanon zu räumen und sogar jenen dabei halfen, die dies allein
nicht hätten bewerkstelligen können. Auch die Zivilbevölkerung im Beiruter
Stadtteil Dhahiyeh, wo die Hisbollah ihre Hauptquartier und andere Büros ihrer
sozialen und medizinischen sowie ihrer Bildungs- und Medieninstitutionen
unterhielt, ist evakuiert worden, bevor die israelischen Bombardierungen
einsetzten. Berichten zufolge war es die Hisbollah, die diese
Evakuierungsmaßnahmen leitete.
Durch die
amnesty international vorliegenden Beweise wird der Vorwurf, die Hisbollah habe
Zivilisten an der Flucht gehindert, letztlich nicht gestützt. In einigen Fälle
hat sich gerade das Gegenteil als richtig erwiesen.
Der 34-tägige Krieg zwischen der Hisbollah und dem
Staat Israel im Juli und August 2006 führte zu Tod und Zerstörung auf weiter
Flur in Israel und im Libanon, wobei die Zivilbevölkerungen beider Seiten die
Hauptlast der Militäroperationen zu tragen hatten.
Auf der Basis ihren
Recherchen und Analysen, sowie einer Überprüfung der israelischen
Interpretationen der Kriegsgesetze, kommt amnesty international zu dem Schluß,
daß israelische Streitkräfte gravierende Verstöße gegen die internationalen
Menschenrechte und das internationale Völkerrecht – einschließlich
Kriegsverbrechen – begangen haben. Konkret stellte amnesty international fest,
daß israelische Truppen nicht differenzierende und unverhältnismäßige Angriffe
in großem Stil durchgeführt haben. Dazu zählen die anhaltende Bombardierung des
südlichen Libanon und hierbei besonders der weitverbreitete Anwendung von
Streubomben in zivilen Wohngebieten während der letzten Kriegstage.
Wie in einem früheren
Informationspapier aus dem August 2006[118] gezeigt und im vorlegenden Bericht weiter
ausgeführt, gehören zu solchen Attacken auch jene auf die zivile Infrastruktur
– zum Beispiel die Bombardierung des Kraftwerks von Jiyye, die zusätzlich
massive Umweltschäden hinterlassen hat. In diesem Zusammenhang verübten die
israelische Streitkräfte augenscheinlich auch direkte Angriffe auf zivile
Objekte, wie bei der Zerstörung von Fabriken und des kleinen Hafens von
al-Ouza’i mit seinen Fischerbooten.
Die Angriffe auf die
zivile Infrastruktur, also auf Objekte, die für das Überleben der
Zivilbevölkerung unerläßlich sind, wie auch die Luft- und Seeblockade, die für die
Dauer des Krieges und darüber hinaus verhängt worden waren, scheinen in
doppelter Absicht angeordnet worden zu sein: zum einen, um dem libanesischen
Volk eine Art Kollektivstrafe aufzuerlegen, so daß die Bevölkerung und die
libanesische Regierung sich gegen die Hisbollah stellen, und zum anderen, um
den militärischen Kapazitäten der Hisbollah selbst Schaden zuzufügen.
Unter Berücksichtigung
aller verfügbaren Beweismittel und in Ermangelung einer adäquaten oder
überhaupt einer Erklärung seitens der israelischen Behörden, warum so viele
Angriffe ihrer Armee zu zivilen Verlusten und Zerstörungen geführt haben,
obwohl offenbar keine Anzeichen für militärische Aktivitäten der Hisbollah
vorlagen, scheint letztlich klar zu sein, daß israelische Truppen notwendige
Vorsichtsmaßnahmen regelmäßig außer Acht gelassen haben. Wie schon aus den
Drohungen, die hochrangige, politische und militärische Führer des Staates
Israel in öffentlichen Stellungnahmen zum Ausdruck brachten und auch aus den im
Libanon abgeworfenen Flugblättern ersichtlich, betrachteten die israelischen
Streitkräfte jeglichen Verkehr von Zivilisten im Südlibanon als militärisches
Ziel – ein eklatanter Verstoß gegen das Prinzip der Unterscheidung. Jeder, in
diesem Kontext ausgeführte Angriff, wäre als nicht differenzierender wenn nicht
gar als direkter Angriff auf Zivilisten zu werten.
Im Rahmen eines im September 2006 veröffentlichten
Informationspapiers untersuchte amnesty international die Bombardierung des
Nordens Israels durch die Hisbollah und kam zu dem Schluß, daß auch die
Hisbollah gravierende Verstöße gegen die internationalen, humanitären
Völkerrechte, inklusive Kriegsverbrechen begangen hat. Vor allem das Ausmaß der
Raketenattacken der Hisbollah auf die Städte und Dörfer Nordisraels, die nicht
differenzierende Natur der verwendeten Waffen, zusammengenommen mit den
Aussagen des Hisbollah-Führers Nasrallah, zeigen, daß die Hisbollah sowohl
direkte Angriffe auf Zivilisten als auch nicht differenzierende Attacken sowie
direkte Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Sinne der Vergeltung durchgeführt
hat.
Auch
haben die Hisbollah-Kämpfer es offenbar versäumt,. die notwendigen Maßnahmen
zum Schutz der Zivilisten im Libanon vor den Folgen der israelischen Angriffe
zu ergreifen. Die Beweislage deutet darauf hin, daß – in zumindest einigen
Fällen – Katjuschas innerhalb von Ortschaften gelagert und aus zivilen
Wohngebieten heraus abgefeuert wurden, wenn auch das Ausmaß dieser
Vorgehensweisen unklar ist. Anhand der wenigen, von der israelischen Regierung
vorgebrachten Beispiele und der anderen Beweismittel konnte auch nicht geklärt
werden, ob sich in den Gebäuden, aus deren näherer Umgebung Raketen abgefeuert
wurden, Zivilisten befanden. Fest steht, daß wenn Hisbollah-Kämpfer ihre
Katjuschas in direkter Nähe zu Zivilisten gelagert oder abgefeuert haben, in
der Absicht die israelischen Streitkräfte so von Angriffen abzuschrecken, so
reicht dies an den Tatbestand des Kriegsverbrechens der Benutzung von
Zivilisten als menschliches Schutzschild heran. Den Vorwurf, die Hisbollah habe
Zivilisten an der Flucht gehindert, konnten die amnesty international zur
Verfügung stehenden Beweismittel nicht untermauern. In einigen Fällen wiesen
sie sogar auf eine gegenteilige Sachlage hin.
Ausmaß und Art der von
beiden Seiten während des vergangenen Krieges begangenen Verstöße erfordern
angemessene Schritte in Richtung strafrechtlicher Verantwortlichkeit und
Entschädigung. Im Verlauf der vielen Jahre des Konfliktes zwischen dem Staat
Israel und der Hisbollah haben beide Parteien wiederholt massiv gegen
internationale, humanitäre Völkerrechte verstoßen, ohne dafür je zur Rechenschaft
gezogen worden zu sein.[119]
Sofortige, unabhängige, unparteiische und
gründliche Untersuchungen, die den internationalen Standars solcher
Untersuchungen entsprechen, und eine strafrechtliche Verfolgung derjenigen,
die gravierende Verstöße begangen haben, sind jetzt nötig, um die Achtung der
internationalen, humanitären Völkerrechte zu untermauern.
Die israelischen Behörden behaupten, daß sie
Untersuchungen zu diversen Vorfällen durchführen. An internationalen Standards,
einschließlich der Verpflichtung zur Transparenz, gehen diese Untersuchungen
jedoch vorbei. So hat die israelische Regierung bislang keinerlei Informationen
zu den Methoden dieser Untersuchungen offengelegt – inwiefern sich diese von
routinemäßigen Kampfeinsatzbesprechungen unterscheiden zum Beispiel, wobei
letztere die Standards ordentlicher Untersuchungsverfahren in keiner Weise
erfüllen. Auch ist nicht in Erfahrung zu bringen, welchen Vorfällen hier
konkret nachgegangen wird.
Wie schon bei früheren Konflikten in bezug auf den
Libanon lieferte die israelische Regierung generell keine spezifische
Erklärung für Angriffe ab, die zu zivilen Verlusten führten. In den wenigen
Fällen, in denen die israelische Regierung Stellung bezog, waren ihre
Erläuterungen nicht wirklich klärend. Verweisen darauf, daß zivile Todes- und
Verletztenfälle auf Fehlern zurückzuführen waren, folgten keine weiteren
Informationen, ob irgend jemand für diese Fehler zur Verantwortung gezogen
wurde oder werden würde.
Darüber daß seitens der Hisbollah-Führung oder der libanesischen Regierung je eine Untersuchung zu den Verstößen der Hisbollah gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte durchgeführt worden wäre, ist bis heute nichts bekannt.
Auf internationaler Ebene sind bislang zwei
Untersuchungen in Gang gesetzt worden. Anfang September gingen vier unabhängige
UN-Experten des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen den Auswirkungen des
Konfliktes hinsichtlich der Rechte auf Leben, Gesundheit und Unterkunft nach
und untersuchten die Lage der Vertriebenen. [120] Im August 2006
hatte der Menschenrechtsrat eine Untersuchungskommission aus drei unabhängigen
Experten eingerichtet. Die Reichweite dieser Untersuchungen war allerdings auf
die spezifischen Mandate der jeweils eingesetzten UN-Experten beschränkt. Im
Fall der letztgenannten Kommission bezog sich dieses Mandat denn auch nur auf
eine Untersuchung der Verstöße des Staates Israel. Die Vergehen der Hisbollah
blieben dabei völlig unbeachtet. Zudem mußten beide Untersuchungen unter –
zeitlich wie finanziell –erheblich eingeschränkten Bedingungen durchgeführt
werden.
amnesty international fordert seit geraumer Zeit,
daß der Generalsekretär der Vereinten Nationen, eine umfassende und
unparteiische Untersuchung der Vorgehensweisen beider Seiten durch unabhängige
Experten einberuft, deren Ergebnisse dann zu veröffentlichen sind und die
Empfehlungen beinhalten, die auf eine Beendigung und Prävention zukünftiger
Verstöße abzielen. Eine solche Untersuchung sollte alle verfügbaren
Beweismittel berücksichtigen – einschließlich der von amnesty international in
diesem und in früheren Berichten festgestellten Ergebnisse. Das einzuberufende
Gremium sollte zudem die Vollmachten besitzen, über die Form der Entschädigung
für die Opfer von Verstößen, inklusive finanzieller Kompensationen, zu
entscheiden.
Obwohl internationale Untersuchungen eine
maßgebliche Rolle bei der Feststellung von Fakten und Verantwortlichkeiten
spielen und so das Recht auf Wahrheit für die Opfer und die Öffentlichkeit
umzusetzen suchen, tragen dennoch letztlich die Konfliktparteien und die
internationale Gemeinschaft die vorrangige Verantwortung dafür, daß die Rechte
auf juristische Verfahren mit gerichtlichem Entscheid über Schuld oder Unschuld
und auf Entschädigung für die Opfer gewährleistet bleiben.
amnesty
international ruft die israelische Regierung auf:
§ Beweise dafür, daß ihre Streitkräfte während des
Konfliktes gravierende Verstöße gegen internationale Menschenrechte und
humanitäre Völkerrechte, einschließlich Kriegsverbrechen begangen haben,
unverzüglich, unabhängig, unparteiisch und gründlich zu untersuchen.
§ wo immer solche Beweise in ausreichender Menge
vorliegen, jeden, der solcher gravierenden Verstöße verdächtigt wird, in
Verfahren, die den internationalen Standards für gerichtliche Prozesse voll
entsprechen, strafrechtlich zu verfolgen,.
§ ihre Interpretationen der Regeln und Prinzipien im
Hinblick auf die Konzepte des militärischen Vorteils und der Proportionalität
zu überprüfen und sicherzustellen, daß diese Konzepte in vollem Einklang mit
internationalen Völkerrechten stehen.
§ zu gewährleisten, daß das israelischen Militär bei
der Durchführung von Angriffen, wie auch im Verteidigungsfall, der Pflicht zur
Ergreifung von Vorsichtmaßnahmen in vollem Umfang entspricht und seine Angriffe
nicht als Form der Kollektivstrafe durchführt.
§ ein Moratorium zur Aussetzung der Verwendung von
Streubomben zu verkünden und eine Deklaration abzugeben, daß solche Waffen unter
keinen Umständen zum Beschuß militärischer Ziele in zivilen Gebieten eingesetzt
werden.
§ ohne Verzögerung ausführliche Landkarten der
Gebiete des Libanon vorzulegen, in denen während des Krieges Streubomben zum
Einsatz kamen, um deren Räumung zu erleichtern und zukünftige zivile Verluste
zu vermeiden.
§ ohne Verzögerung Landkarten bereitzustellen, die
über die Minenfelder Aufschluß geben, die während früherer Konflikte im
Südlibanon angelegt wurden.
§ öffentlich zu verkünden, daß Waffen mit weißem
Phosphor in zivilen Gebieten zukünftig nicht mehr verwenden werden.
§ vollständige Reparationen für die Folgen ihrer
widerrechtlichen Handlungen und Unterlassungen bereitzustellen.
§ mit einer
internationalen Kommission, die zur Untersuchung solcher Handlungen und Unterlassungen
aller Konfliktparteien und sowie zur Festlegung der Form von Entschädigungen,
einschließlich finanzieller Kompensationen, bevollmächtigt ist, in vollem
Umgang zu kooperieren. Sie sollte einer solchen Kommission sämtliche
Informationen über durchgeführte Untersuchungen zur Verfügung stellen, wie dies
laut internationaler Standards erforderlich ist.
§ Protokoll I der Genfer Konventionen ohne jeden
Vorbehalt zu ratifizieren und eine Deklaration nach Artikel 90 abzugeben, die
die Kompetenzen der Internationalen Faktfindungskommission anerkennt.
§ das Römische Statut zum Internationalen
Strafgerichtshof ohne die Abgabe einer Deklaration nach Artikel 124 - die die
Gerichtsbarkeit des Hofes für sieben Jahre ausschließt - zu ratifizieren und
eine dem Artikel 12 (3) des Römischen Status folgende Erklärung einzureichen,
daß die gerichtliche Zuständigkeit des Hofes den Krieg des Jahres 2006 umfaßt.
amnesty
international fordert die Hisbollah auf:
§
öffentlich auf ihre
widerrechtliche Vorgehensweise der Raketenangriffe auf die israelische
Zivilbevölkerung im Sinne der Vergeltung zu verzichten.
§
jeglichen Verstößen
gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte durch ihre Streitkräfte in
Untersuchungen nachzugehen und jeden, der solcher Vergehen verdächtigt ist, für
weitere Untersuchungen und zur strafrechtlichen Verfolgung an die libanesischen
Behörden zu übergeben.
§
sicherzustellen, daß
ihre Kampfeinheiten der Notwendigkeit voll entsprechen, bei Angriffen wie im
Verteidigungsfall alle erforderlichen Vorsichtmaßnahmen zum Schutz der
Zivilbevölkerung zu ergreifen, einschließlich der Notwendigkeit, sich in
größtmöglichem Maß von Personen zu unterscheiden, die nicht an den Kämpfen
teilnehmen.
§
vollständige Entschädigungen
für die Folgen ihrer widerrechtlichen Handlungen und Unterlassungen
bereitzustellen.
§
mit einer
internationalen Kommission in vollem Umfang zu kooperieren, die das Mandat
innehat, solchen Handlungen und Unterlassungen aller Konfliktparteien nachzugehen
und über die Form von Entschädigungen, einschließlich finanzieller
Kompensationen, zu entscheiden.
amnesty
international ruft die libanesische Regierung auf:
§ Beweisen, die darauf hindeuten, daß
Hisbollah-Kräfte während des Konfliktes gravierende Verstöße gegen
internationale, humanitäre Völkerrechte, inklusive Kriegsverbrechen begangen
haben, im Rahmen einer Untersuchung, die internationalen Standards entspricht,
unverzüglich, unabhängig, unparteiisch und gründlich nachzugehen.
§ so die entsprechend zulässigen Beweise in
ausreichender Menge vorhanden sind, jeden, der gravierender Verstöße verdächtig
ist, in Verfahren, die internationalen Standards für gerichtliche Prozesse voll
entsprechen und die nicht zur Verhängung der Todesstrafe führen, strafrechtlich
zu verfolgen.
§ zu gewährleisten, daß keine, innerhalb ihres
Territoriums operierende, bewaffnete Gruppe gegen internationale Menschen- und
Völkerrechte verstößt.
§ für die Konsequenzen widerrechtlicher Handlungen
oder Unterlassungen durch libanesische Offizielle und durch die Hisbollah,
vollständige Wiedergutmachungen bereitzustellen.
§
mit einer
internationalen Kommission, die bevollmächtigt ist, solche Handlungen und
Unterlassungen aller Parteien des Konfliktes zu untersuchen und über die Form
von Wiedergutmachungen, einschließlich finanzieller Kompensationen, zu
entscheiden, in vollem Umfang zu kooperieren.
§ das Römische Statut zum Internationalen
Strafgerichtshof ohne die Abgabe einer Deklaration nach Artikel 124 - die die
Gerichtsbarkeit des Hofes für sieben Jahre ausschließen würde - zu ratifizieren
und eine dem Artikel 12 (3) des Römischen Status folgende Erklärung dazu
einzureichen, daß die gerichtliche Zuständigkeit des Hofes auch den Krieg des
Jahres 2006 beinhaltet.
amnesty
international fordert die internationale Gemeinschaft auf:
§ zu gewährleisten, daß die Vereinten Nationen eine
internationale Kommission einrichten, die bevollmächtigt ist, Hinweisen auf
Verstöße gegen die internationalen Menschenrechte, die humanitären Völkerrechte
und das internationalen Strafrecht durch alle Konfliktparteien nachzugehen
sowie Empfehlungen zum Umgang mit der Straflosigkeit bei begangenen Verstößen,
zur Prävention derartiger Vorfälle in der Zukunft sowie zur Form von
Wiedergutmachungen, einschließlich finanzieller Kompensationen, abzugeben. Alle
Staaten, wie auch die Konfliktparteien, sind zur Zusammenarbeit mit einer
solchen Untersuchungskommission verpflichtet.
§ Druck auf alle in den Konflikt involvierten
Parteien auszuüben, so daß diese mit einer wie oben beschriebenen Kommission
kooperieren und deren Empfehlungen umsetzen.
§ zu gewährleisten, daß der Auftrag der UNIFIL eine
Mandat zur Erfassung jeglicher Verstöße gegen internationale Menschen- und
Völkerrechte enthält.
§ gegen Israel wie gegen die Hisbollah so lange ein
Waffenembargo zu verhängen und durchzusetzen, bis wirkungsvolle Mechanismen in
Kraft gesetzt sind, die garantieren, daß Waffen nicht für schwerwiegende
Verstöße gegen internationale, humanitäre Völkerrechte benutzt werden. Dazu
gehört auch die Garantie, daß eine gründliche Untersuchung der im Verlauf
dieses Konfliktes begangenen Verstöße stattfindet und daß alle hierfür
verantwortlichen Personen, im Zuge fairer Prozesse gerichtlich belangt werden.
Die USA, der Libanon, der Iran, Syrien und andere Staaten sollten
gewährleisten, daß Waffen, die für solche Verstöße benutzt werden können, nicht
von ihnen selbst an die Parteien geliefert werden oder über durch ihr
Staatsgebiet hindurch zu diesen gelangen.
§ ein sofortiges Moratorium gegen die Verwendung
aller mit Streusprengkörpern ausgestatteten Waffen zu verkünden, den Transfer
dieser Waffen in andere Staaten zu beenden und die Initiativen der UN und des
ICRC zur Entwicklung eines neuen, internationalen Völkerrechtsabkommens, das
den Risiken von Streusprengkörperwaffen für Zivilisten wirksam begegnet, zu
unterstützen
§ sicherzustellen, daß die Staaten ihre juristische
Zuständigkeit, einschließlich der allgemeinen Gerichtsbarkeit, über Personen,
die anhand des internationalen Rechts eines Verbrechens - auch eines Kriegsverbrechens
- verdächtig sind, nötigenfalls wahrnehmen.
Übers.: Sabine Isbanner,
Kogruppe Israel/OT/PA,
Sektion Bundesrepublik
Deutschland
Verbindlich ist das
englische Original
[1] AI Index: MDE 15/070/2006
[2] AI Index:
[3] AI Index: MDE 02/025/2006
[4]"Israel gelobt Zersprengung der
Hisbollah-Miliz, Führer der Gruppe gibt sich kämpferisch",
von Steven Erlanger, New York Times, 14.
Juli 2006
[5] Zusätzlich zu den regulär etwa 500.000 Einwohnern des Südlibanon verbrachten bei Kriegsausbruch viele im Ausland lebende Libanesen und Staatsbürger anderer Länder ihre Sommerferien dort. Laut den Angaben des UN-Koordinationsbüros für humanitäre Angelegenheiten (UN-Office of the Coordinator for Humanitarian Affairs / OCHA) befanden sich zum 26. Juli 2006 ungefähr 115.000 Personen aus etwa 20 "Drittländern" im Libanon. Weitere Einzelheiten siehe unter:
http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/SODA-6S42E2?OpenDocument
[6] Interne libanesische Sicherheitsquellen erklärten amnesty international, daß die Identität von 129 Leichen bis Anfang September noch nicht geklärt war und daß es sich bei 56 der Getöteten nicht um libanesische Staatsbürger handelte. http://www.lebanonundersiege.gov.lb/english/F/Main/index.asp
[7] Unter anderen Quellen siehe die Webseiten der israelischen und libanesischen Regierung und den Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, vom 2. Oktober 2006. amnesty international erhielt zudem direkte Informationen von offizieller israelischer und libanesischer Seite.
[8] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober 2006, Abs. 33
[9] Lagebericht
Nr. 35 des OCHA, 31. August
2006, http://iys.cidi.org/humanitarian/hsr/ixl79.html. Der
Bericht beinhaltete keine Angaben über die Gesamtzahl der Angriffe, inklusive Artillerie
und Marine.
[10] Website des UN-Minenaktion-Koordinationszentrums (UNMACC): http://www.maccsl.org/War%202006.htm
[11] „Bis zu 200.000 Vertriebene nach dem Krieg
noch nicht zurückgekehrt, so die UN“, IRIN
News,
Erhebung vom 4. November 2006, siehe im Internet unter:
http://www.irinnews.org/report.asp?ReportID=56142&SelectRegion=Middle_East&SelectCountry=LEBANON
[12] Website des israelischen Außenministeriums:
[13] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober
2006, Fußnote 53
[14] Bei den Soldaten handelt es sich um Ehud Goldwasser und Eldad Regev.
[15] Die drei Gefangenen, die sich erwiesenermaßen noch in Haft befinden sind: Muhammed Srour, Maher Kourani und Hussein Suleiman (auch bekannt als ‘Ali Mahmoud Suleiman).
[16] „Dreizehn Leichen
von Pistolenschützen für möglichen Tausch festgehalten”, Jerusalem
Post, Ausgabe vom 23. Juli 2006
[17] „Nasrallah bedauert Ausmaß des Krieges“ BBC Web News
[19] Dieses Abkommen wurde von Frankreich, Israel, Libanon, Syrien und die USA unterzeichnet. Es verbot Angriffe auf Zivilisten in Israel und im Libanon und legte zudem fest, daß: “zivile Wohngebiete sowie Industrie- und elektrische Anlagen nicht als Ausgangsstellungen für Angriffe benutzt werden dürfen”. Teil der Vereinbarung war auch die Einrichtung eines Kontrollgremiums, das im Falle von Verstößen gegen das Abkommen über Beschwerden Israels oder des Libanon zu befinden hatte. Die Arbeitsgruppe stellte ihre Tätigkeit im Februar 2000 ein. Im Mai desselben Jahres zog sich Israel aus dem Libanon zurück. Weitere Details hierzu finden sich im Internet unter:
http://telaviv.usembassy.gov/publish/peace/documents/ceasefire_understanding.html, siehe auch: Adir Waldman, Aushandlung bewaffneter Konflikte: Entscheidungen der Israel-Libanon Kontrollgruppe (Arbitrating Armed Conflict: Decisions of the Israel-Lebanon Monitoring Group), Juris 2003, S. 27
[20] Das gewohnheitsmäßige, internationale Völkerrecht, ICRC, 2005
[21] Artikel 8(2)(b)(i)
[22] Die autorisierten Kommentare des ICRC zu den Zusatzprotokollen der Genfer Konventionen (Abs. 2024) interpretieren den Ausdruck „eindeutiger, militärischer Vorteil“ mit der Feststellung, daß „es nicht legitim ist, einen Angriff zu starten, der nur einen potentiellen oder unbestimmten Vorteil bietet.“
[23] Römisches Statut zum Internationalen Strafgerichtshof, Artikel 8 (2)(b)(iv)
[24] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, 2005, Band I, Regeln, Regel 156, S. 589, Artikel 8 (2)(b)(i)
[25] Die ICRC-Kommentare erläutern (Abs. 1980): „Es hat auch Bestrebungen zur Beförderung der Idee gegeben, daß selbst sehr hohe zivile Verluste und Schäden annehmbar sind, wenn der auf dem Spiel stehende militärische Vorteil von großer Bedeutung ist. Diese Vorstellung steht den Grundregeln des Protokolls entgegen. ... Das Protokoll offeriert keinerlei Rechtfertigung für Angriffe, die massive, zivile Verluste und Schäden verursachen. Es kann nicht sein, daß beiläufige Schäden und Verluste ein erhebliches Ausmaß annehmen.“
[26] Römisches Statut zum Internationalen Strafgerichtshof, Artikel 8 (2)(a)(iv)
[27] Römisches Statut zum internationalen Strafgerichtshof, Artikel 8 (2)(b)(xxiii)
[28] Eine Erläuterung zur Verwendung und Wirkung des weißen Phosphors in Waffen bietet der Bund Amerikanischer Wissenschaftler (Federation of American Scientists) in seinem „Informationsblatt Weißer Phosphor“ unter: http://www.fas.org/biosecurity/resource/factsheets/whitephosphorus.htm
[29] „Der Gerichtshof geht davon aus, daß der
durch Menschenrechtskonventionen verankerte Schutz in Zeiten bewaffneter
Konflikte nicht nachläßt und bestätigt wird durch die Gültigkeit der
Bestimmungen zur Abweichung von der Art wie sie in Artikel 4 des
Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte zu finden sind“,
Die rechtlichen Konsequenzen des Baus
einer Mauer auf besetztem, palästinensischem Territorium, Rechtsgutachten vom 9. Juli 2004, ICJ
Berichte 2004. Näheres dazu siehe auch unter Menschenrechtskommission,
Allgemeiner Kommentar Nr. 31, Abs. 11: „Der
Pakt gilt auch in Situationen bewaffneter Konflikte, auf die die Regeln der
internationalen, humanitären Völkerrechte anwendbar sind. Während hinsichtlich
bestimmter, im Pakt verankerter Rechte, spezielle Regeln des internationalen
Völkerrechts zur Interpretation dieser Paktrechte besonders relevant sein
dürften, gilt, daß sich beide Rechtssphären ergänzen, und nicht etwa
gegenseitig ausschließen.“ Allgemeiner Kommentar Nr. 31: Die Besonderheiten der den Paktstaaten
auferlegten, allgemeinen Rechtsverbindlichkeiten, UN-Dokument CCPR/21/Rev.
1/Add. 13.
[30]
Menschenrechtskommission, Allgemeiner Kommentar Nr. 31, Abs. 10
[31] Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeiner Kommentar Nr. 15, Das Recht auf Wasser, UN-Dokument E/C.12/2002/11 (2002)
[32] laut Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine Kommentare Nr. 7, Zwangsvertreibung und das Recht auf adäquate Unterkunft (sechzehnte Sitzung, 1997) UN-Dokument E/1998/22, Anhang IV an 113 (1997), Abs. 4
[33] laut Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine Kommentare Nr. 7, Text zitiert, Abs. 7
[34] laut
Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine
Kommentare Nr. 14: Das Recht auf Erhalt
des bestmöglichen, verfügbaren Standards der Gesundheit (Artikel 12), Abs.
29, verabschiedet auf der 22. Sitzung (2000). UN-Dokument E/C.12/200/4 (2000)
[35] Resolution der Generalversammlung, Die Verantwortlichkeit von Staaten für international widerrechtliche Handlungen, UN-Dokument A/Res/56/83 (28. Januar 2002), Abs. 3
[36] Siehe zum Beispiel ICCPR, Artikel 2 (3) und die Arabische Charta der Menschenrechte, Artikel 9
[37] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, Band I, Regeln
[38] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, Band I, Regeln, Regel 150
[39] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, Band I, Regeln, Regel 139
[40] Pressekonferenz der israelischen Armee (IDF) nach dem Vorfall von Qana, 30. Juli 2006
http://www.mfa.gov.il/MFA/Terrorism-+Obstacle+to+Peace/Terrorism+from+Lebanon-+Hizbullah/IDF+press+conference+following+the+Kafr+Qana+incident+30-Jul-2006.htm.
[41]
Briefing durch die Assistentin des Generalsekretärs für friedenserhaltende
Maßnahmen Jane Holl Lute, 26. Juli 2005, in dessen Verlauf sie konkret
darlegte: „Nach unseren Informationen hat es – anders als im Umfeld anderer
unserer Patrouillebasen – in der direkten Nachbarschaft dieser Basis kein
Geschützfeuer der Hisbollah gegeben.“ Siehe: http://www.un.org/News/dh/infocus/jane.htm
[42]
Website der israelischen Armee (IDF), „Bezüglich
des UN-Postens bei al-Khiam”, http://www1.idf.il/DOVER/site/mainpage.asp?sl=EN&id=7&docid=55107&Pos=27&last=0&bScope=False
[43] UN-Generalsekretär, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, „Bericht über getötete Beobachter bei Attacke in Khiam, Libanon, bei, geht bei Generalsekretär ein“, SG/SM/10666 http://www.un.org/News/Press/docs/2006/sgsm10666.doc.htm
[44] Brigadegeneral Amir Eshel, Generalstabschef der Luftwaffe, zitiert laut der israelischen Nachrichten-Website YNet, am 30. Juli 2006, http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3283816,00.html
[45] „Abschluß der Untersuchung des Vorfalls von 30. Juli in Qana”, 2. August 2006, Website des israelischen Außenministeriums, http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Communiques/2006/Completion+of+inquiry+into+July+30+incident+in+Qana+2-Aug-2006.htm
[46] Näheres hierzu im Internet unter: http://www.ctv.ca/servlet/ArticleNews/story/CTVNews/20060725/Israel_lebanon_fighting_060727/20060727?hub=CTVNewsAt11 und: http://www.jpost.com/servlet/Satellite?cid=1153292014162&pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull.
[47] Israel. Tageszeitung Yedioth unter http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3282314,00.html
[48] siehe Website des israelisches Außenministeriums unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/Terrorism-+Obstacle+to+Peace/Terrorism+from+Lebanon-+Hizbullah/Chief+of+Staff+Halutz-+No+intention+of+hurting+Syria+or+citizens+of+Lebanon+27-Jul-2006.htm
[49] Israelisches Außenministerium in Reaktion auf Hisbollah-Angriffe auf den Norden Israels: Fragen der Proportionalität, Juli 2006, http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Law/Legal+Issues+and+Rulings/Responding+to+Hiszbullah+attacks+from+Lebanon-Issues+of+proportionality+July+2006.htm
[50] Siehe amnesty international: Absichtliche Zerstörung oder “Kollateralschaden”? – die israelischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur (Deliberate destruction or “collateral damage”? Israeli attacks against civilian infrastructure), AI Index MDE18/007/2006, wie zitiert
[52] „Israelische Luftwaffe (IAF) setzt Angriffe auf Libanon fort“, Jerusalem Post, 17. Juli 2006
[53] „Hochrangiger Offizier: Halutz ordnete Vergeltungspolitik an“, Jerusalem Post, 24. Juli 2006
[54] New York Times, „Israel gelobt Hisbollah mit der Wurzel auszureißen“, 15. Juli 2006
[55] Ein von der Kommission für Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der Union für den Erhalt der Welt (World Conservation Union on Environmental, Economic and Social Policy) und Green Line (Beirut) gesponserter Bericht, geschrieben von Professor Richard Steiner, Eilerhebung zur Ölpest im Libanon / Antwortmission, 11. September 2006
[56] libanesische Regierung, Grundvoraussetzungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen: Die frühe Phase des nationale Erholungsprozesses, Stockholmer Konferenz zur baldigen Erholung des Libanon, 31. August 2006, S. 10, sowie amnesty international Interview mit Jihad al-Bina von der Hisbollah. – Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen schätzt, daß insgesamt 35.000 libanesische Wohn- und Geschäftshäuser zerstört wurden.
[57] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober 2006, Fußnote 68, die Bezug nimmt auf die Erhebungen vor Ort, durchgeführt von Jihad al-Bina, Hisbollah.
[58] Pressekonferenz der IDF im Anschluß an den Vorfall in Qana, 30. Juli 2006, wie zitiert
[59] Der Offizier kommentierte hier vor allem den Artillerieschlag vom 8. November 2006 auf Beit Hanoun im Gazastreifen, bei dem 19 Zivilisten starben. Haaretz, 9. November 2006
[61] am 21. Juli 2006 abgeworfenes Flugblatt – amnesty international Übersetzung aus dem Arabischen
[62] Flugblatt vom 25. Juli 2006, siehe die Website des israelischen Außenministeriums unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/Terrorism-+Obstacle+to+Peace/Terrorism+from+Lebanon-+Hizbullah/IDF+warns+Lebanese+civilians+to+leave+danger+zones+3-Aug-2006.htm
[63] Flugblatt vom 7. August 2006, das auch von Radiosendungen begleitet wurde, die dieselbe Warnung aussprachen. Ibid.
[64] Die israelischen Flugblätter, die die Bevölkerung zur Evakuierung der Beiruter Vororte al-Shiyah, Hay Selloum und Bourj al-Barajneh aufriefen, wurden erst Tage nachdem al-Shiyah bombardiert worden war, abgeworfen.
[65] UN-Sicherheitsrat, 14. Juli 2006, http://www.un.org/News/Press/docs/2006/sc8776.doc.htm
[66]
UN: Sicherheitsrat muß dringende
Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten im Israel-Libanon-Konflikt verabschieden,
amnesty international (AI-Index: IOR 41/012/2006), 18. Juli 2006
sowie
UN-Nachrichtenzentrale am 19. Juli 2006: UN-Vertretungen
äußern „ernste Besorgnis“ über zivile Verluste in Israel und im Libanon, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=19243&Cr=Leban&Cr1
[67] Damals hatte Israel behauptet, daß es sich bei dem Artillerieangriff auf die Unterkünfte der UNIFIL um einen Fehler gehandelt habe, der zustande kam, als man versuchte israelischen Soldaten das Leben zu retten, die unter Granatenbeschuß der Hisbollah aus der direkten Umgebung der Unterkünfte geraten waren – doch auch hier waren keinerlei Angaben bezüglich der Ergebnisse oder Einzelheiten der angewandten Untersuchungsmethoden erhältlich. Eine nachfolgende Untersuchung der Vereinten Nationen ergab, daß „ alldieweil die Möglichkeit nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, bleibt es doch unwahrscheinlich, daß die Bombardierung der UN-Unterkünfte insgesamt auf technisches Versagen oder verfahrenstechnische Irrtümer zurückzuführen ist.“ Auf der Basis aller verfügbaren Informationen kam amnesty international zu dem Schluß, daß die IDF die UNIFIL-Unterkünfte absichtlich attackierte, wenn auch die Motive hierfür unklar bleiben. Siehe hierzu: Israel/Lebanon – Unlawful killings during Operation “Grapes of Wrath”, (AI-Index MDE 15/042/1996), Juli 1996
[68] Pressekonferenz der IDF nach dem Vorfall in Qana, 30. Juli 2006, Text zitiert
[69] „Abschluß der Untersuchung des Vorfalls vom 30. Juli in Qana“, 2. August 2006 israelisches Außenministerium, siehe im Internet unter:
[70] „Roland Huegenin ICRC Interview” Sendung Four Corners, Australian Broadcasting Corporation, 18. September 2006
[71] Die UNIFIL sagte aus, daß sie auf Anfrage der libanesischen Regierung an die IDF herangetreten sei, um den Rückzug libanesischer Streitkräfte aus Marjayoun zu erleichtern und daß “Israel die UNIFIL informierte, daß man einer solchen Anfrage zustimme”, Presse-Erklärung der UNIFIL vom 12. August 2006, siehe: http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr027.pdf
[72] Berichten zufolge bestand der Konvoi aus rund 465 zivilen Fahrzeugen und etwa 100 Fahrzeugen der libanesischen Armee. Siehe Presse-Erklärung der UNIFIL vom 12. August 2006, Text zitiert.
[73] „Libanon – Israel: ICRC bedauert steigende
Zahl ziviler Verlustfälle und mangelnden Respekt vor medizinischem Auftrag“,
Pressemitteilung des ICRC, 12. August
2006 http://www.icrc.org/web/eng/siteeng0.nsf/htmlall/lebanon-news-120806?opendocument
[74] „Reaktion der IDF auf Konvoiangriff im Südlibanon“, 12. August 2006, siehe im Internet unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Communiques/2006/IDF+response+on+convoy+hit+in+south+Lebanon+12-Aug-2006.htm
[75] „Roland Huegenin ICRC Interview” Sendung Four Corners, Australian Broadcasting Corporation, 18. September 2006
[76] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, Textzitat, Abs. 49
[77] UNIFIL Pressemitteilung, 17. Juli 2006 (http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr01.pdf)
[78] UNIFIL Pressemitteilung, 9. August 2006 (http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr024.pdf)
[79] Weitere Details im Internet unter: http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr030.pdf und http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr031.pdf
[80] „UN geht ‘Schande’ um Libanon-Nothilfe an“, BBC News, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/4778591.stm
[81] „Annan sagt, israelische Blockade darf keine ‘Kollektivstrafe’ darstellen“, UN-Nachrichtenzentrum, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=19688&Cr=Leban&Cr1
[82] „Israel beendet Blockade im Libanon“, BBC, siehe im Internet unter: http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5327244.stm
[83] Angaben des Ingenieurkonsortiums veröffentlicht in den libanesischen Medien am 17. August 2006
[84] Für die meisten Hotels ging durch den Konflikt die gesamte Sommersaison verloren. Hatten sie eben noch kurz vor der Ausbuchung für den Rest des Sommers gestanden, so leerten sich mit zunehmender Eskalation des Konfliktes die Zimmer schnell wieder. Ein Hotelier erzählte amnesty international, daß sein Hotel am 11 Juli üblicherweise zu 80 % ausgebucht war und er in wenigen Tagen ein volles Haus erwartete. Stattdessen war das Haus nun zu unter 5 % belegt. Er entschied, das Personal auf absehbare Zeit in unbezahlten Urlaub zu schicken. Ähnlich wirkte sich der Krieg auch auf das Restaurant– und Gaststättengewerbe aus.
[85] Israel/Libanon: Absichtliche Zerstörung oder „Kollateralschaden“? (Israel/Lebanon: Deliberate destruction or “collateral damage”?), Zitat. Die Regierung sagte, daß 31 „vitale Punkte“ (Flughäfen, Häfen, Wasser- und Abwasseranlagen und Einrichtungen zur Stromversorgung) ganz oder teilweise zerstört wurden, außerdem mindesten 70 Brücken und 94 Straßen.
[86] Die Regierung des Libanon, Die Bedingungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen: Die frühe Phase des nationale Erholungsprozesses, Stockholmer Konferenz für eine baldige Erholung des Libanon, 31. August 2006
[87] Nabil
Itani, Leiter der staatlichen libanesischen Behörde für Investment und
Entwicklung, zitiert nach einem Artikel bei Reuters
„Libanon erwartet Investitionswelle wenn Waffenstillstand
hält“, veröffentlicht im Daily Star,
24. August 2006
[88] Die Regierung des Libanon, Die Bedingungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen, Zitat
[89] Bericht der vier Sonderberichterstatter zum
Recht auf Nahrung, Jean Ziegler zu seiner Mission in den Libanon, 29.
September 2006
[90] Reuters, „Indischer UN-Veterinär behandelt tierische Opfer des Libanonkrieges“, 25. Oktober 2006
[92] Er beschrieb das Krankenhaus als „nicht gewinnorientierte, medizinische Einrichtung, die keiner religiösen oder politischen Gruppe zuzurechnen ist.“
[93] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, Zitat, Fußnote 42
[94] Für weitere Informationen
siehe: Die libanesische Regierung Die,
Bedingungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen: Die frühe Phase des
nationale Erholungsprozesses, 31. August 2006, unter:
http://www.reliefweb.int/library/documents/2006/govlbn-lbn-31aug.pdf und den Bericht von amnesty international Israel/Libanon: Absichtliche Zerstörung oder „Kollateralschaden"? (Israel/Lebanon: Deliberate destruction or “collateral damage”?), Zitat
[95] „UNICEF und UN-Partner stocken humanitäre Hilfen für den südlichen Libanon auf“, UNICEF, vom 28. August 2006, siehe: http://www/unicef.org/emerg/index_35455.html
[96] „Rotes Kreuz zeigt Mut im Libanon“, Britisches Rotes Kreuz, August 2006 http://www.redcross.org.uk/news.asp?id=58445
[97] In dem
Bericht Absichtliche Zerstörung oder
„Kollateralschaden“ - Die israelischen Angriffe auf die Infrastruktur des
Libanon, (Deliberate destruction or
“collateral damage”? - Israeli attacks against civilian infrastructure)
berichtete amnesty international, daß die Krankenhäuser in Bint Jbeil und in
Meis al-Jebel „vollständig zerstört”
wurden und zitierte als ihre Quelle den Rat für Entwicklung und Wiederaufbau.
Dem ist nicht so. Im August besuchten Delegierte der Organisation beide
Kliniken und stellen fest, daß diese nicht zerstört sind, sondern aufgrund der
Angriffe ihren Betrieb nicht aufrechterhalten konnten. Auf dem Gelände des
Krankenhauses in Bint Jbeil waren nicht explodierte Sprengkörper zu sehen und
eine nahegelegene Privatklinik war erheblich beschädigt worden.
[98] „Schulkinder im Südlibanon - der lange Weg
zurück zur Schule”, UNICEF, Pressemitteilung vom
7. September 2006.
[99]
„Wenn Raketen und Phosphor sich bündeln“
von Meron Rapaport, Haaretz, 14. September 2006 http://www.haaretz.com/hasen/spages/761910.html
[100] Libanon: Streubomben gefährden das Leben von Zivilisten, (AI-Index MDE 02/024/2006)
[102] „Wenn Raketen und Phosphor sich bündeln“ von Meron Rapaport, Haaretz, 14. September 2006, siehe unter http://www.haaretz.com/hasen/spages/761910.html
[103] http://www.maccsl.org/reports/Leb%20UXO%20Fact%20Sheet%204%20November,%202006.pdf Außerdem sind schätzungsweise noch 15.000 nicht explodierte Munitionsreste verschiedener Art, größtenteils 155-mm-Panzergeschosse, aber auch Granaten, Raketen und Bomben der israelischen Luftwaffe im Libanon vorhanden.
[104] „USA prüfen Israels Einsatz von Streubomben“, http:/news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5286352.stm
[105] weitere Einzelheiten im Internet unter:
http://www.maccsl.org/reports/Leb%20UXO%20Fact%20Sheet%204%20November,%202006.pdf
[106] UN Nachrichtenzentrum, 29. September 2006
[107]
„UN rügen Israel wegen Einsatz von
Streubomben“, 30. August, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5299938.stm
[108] Interview mit Andrew Gleeson, Mitglied des Minenbeirats
[110] Mediziner ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières), „Humanitärer Korridor in den Südlibanon ist eine Illusion“, 1. August 2006
[111] Daily Star, „Einfache, ungetrübte Freude kann den jüngsten Opfern helfen, die Belastungen des Krieges zu überwinden“, 26. September 2006
[112] Siehe zum Beispiel: „Hiwar maftuh“ („Offener Dialog“), eine Sendung bei al-Jazeera über den Islamischen Widerstand, der im Libanon gegen die israelische Armee kämpft, in einer Ausstrahlung vom 19. August 2006
[113]
Arabischer Menschenrechtsverband (Arab Association for Human Rights / AAHR), Wochenchronik (Weekly Review), Nr. 286, 4. – 11. August 2006, weitere Detail im
Internet unter: http://www.arabhra.org/publications/wrap/wraphome2006.htm,
sowie: „Einwohner Majd al-Krums erklärten
UN-Sonderberichterstattern, daß Artillerie während des Konfliktes in der Nähe
ihrer Stadt stationiert war“, http://www.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/2session/A.HRC.2.7.pdf
[114] Laut
der israelischen Tageszeitung Haaretz,
„Rakete traf ein Gebiet in dem
Bedienstete der Logistik- und Kommandoebene des Reservebataillons der
Fallschirmspringertruppe ... stationiert waren“, sowie „Drei Militärlaster vollgeladen mit Munition
wurden abgestellt“ ( im Kibbuz), und „Reservisten
gelang es nicht, sich nach Sirenenalarm in Deckung zu bringen“, Haaretz, 7. August 2006, siehe auch
unter: http://www.haaretz.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=747042;
„Truppen benötigten während des Krieges
Genehmigungen zum Betreten von Kommunen“, Haaretz, 20. September 2006
[115] siehe Jonathan
Cook, „Nazareths menschliche
Schutzschilde“, (The Human Shields of Nazareth), 19. Juli
2006, http://www.jkcook.net/Articles2/0261.htm#Top
[116] Siehe
das Archiv der israelischen Armee: Der
Mißbrauch von Zivilisten und Bevölkerungszentren durch die Hisbollah:
Fotografische Beweise, im Internet unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/MFAArchive/2000_2009/2006/Operation+Change+of+Direction+Video+Clips.htm
[117] UNIFIL Pressemitteilung während des Krieges siehe: http://www.un.org/depts/dpko/missions/unifil/unifilpress.htm sowie das Gespräch mit Milos Strugar, leitender Berater der UNIFIL, 6. November 2006. Nach Angaben der UNIFIL feuerten die Streitkräfte Israels oft mit Panzer- und Artilleriegeschosse, Luftwaffen und Maschinengewehren in UN-Positionen oder in deren „direkte Umgebung“ hinein Zum Beispiel während der letzten 24 Stunden vor Beginn des Waffenstillstands am 14. August, trafen insgesamt 85 Artilleriegeschosse innerhalb von UNIFIL-Basen auf, 35 davon allein im Hauptquartier der ghanaischen Bataillons in der Gegend von Tibnin. Weitere zehn kamen im Umkreis von 70 Metern dieser Basis zur Wirkung.
[118] Siehe Absichtliche Zerstörung oder „Kollateralschaden“? – Die israelischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur des Libanon (Deliberate destruction or “collateral damage”? Israeli attacks against civilian infrastructure), Zitat.
[119] Siehe Israel/Libanon: Angriffe auf libanesische Zivilisten im Südlibanon durch israelische Streitkräfte, Juni 2000 (AI-Index MDE 02/006/2000) und Israel/Libanon: Widerrechtliche Tötungen bei Militäroperation – „Früchte des Zorns“, Zitat
[120] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober 2006.