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Israel/Libanon

Ohne jedes Maß - Zivilisten tragen die Hauptlast des Krieges

 

 

           


Israel/Libanon

Ohne jedes Maß - Zivilisten tragen die Hauptlast des Krieges

Vorwort

Seit Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen der Hisbollah und dem Staat Israel im Juli 2006 apellierte amnesty international immer wieder an beide Seiten, ihren Ver­pflichtungen anhand der internationalen Völkerrechte (der Kriegsgesetze) nachzu­kommen und dabei insbesondere jene Regeln zu beachten, die sich auf den Schutz von Zivilisten beziehen. Um die Konfliktparteien an ihre Rechtsverbindlichkeiten zu erinnern, veröffentlichte amnesty international im Juli das Papier Israel/Libanon: Israel und Hisbollah müssen Zivilisten schonen - Die internationalen, völkerrecht­lichen Verbindlichkeiten der Parteien im Israel-Libanon-Konflikt (Israel / Lebanon: Israel and Hizbullah must spare civilians – The Obligations under international humanitarian law of the parties to the conflict in Israel and Lebanon).[1]

Während der Kämpfe besuchten Delegierte amnesty internationals Israel und den Libanon, um Verstößen beider Seiten gegen diese Verpflichtungen nachzugehen. Als der Konflikt eskalierte und es durch beide Parteien mehrfach zum Bruch der internationalen Völkerrechte kam, schloß sich amnesty international dem von UN-Generalsekretär Kofi Annan und anderen politischen Führern initiierten Aufruf zum Waffenstillstand an. Gleichzeitig setzte sich die Mitgliedschaft der Organisation weltweit mit Appellen besonders für den Schutz der betroffenen Zivilisten ein.

Nach dem Ende der Feindseligkeiten besuchten Abgesandte der Organisation beide Länder noch einmal, um weitere Nachforschungen anzustellen und Gespräche mit offiziellen Regierungs- und Armeevertretern zu führen. Die Ergebnisse dieser Recherchen wurden in zwei Publikationen mit Blick auf verschiedene Gesichtspunkte des Konfliktes veröffentlicht. Im August 2006 erschien: Israel/Libanon: Absichtliche Zerstörung oder "Kollateralschaden"? - Die israelischen Angriffe auf die zivile Infra­struktur (Israel/Lebanon: Deliberate destruction or “collateral damage”? - Israeli attacks against civilian infrastructure)[2]. amnesty international kommt hierin zu dem Schluß, daß die israelische Armee nicht differenzierende und unverhältnismäßige Angriffe durchgeführt und eine Strategie verfolgt hat, die anscheinend einerseits das libanesische Volk und seine Regierung dafür bestrafen sollte, daß sie sich nicht gegen die Hisbollah stellten und die andererseits die militärischen Ressourcen der Hisbollah selbst zu schädigen gedachte.

Im September veröffentlichte amnesty international Israel/Libanon: Unter Beschuß - Die Angriffe der Hisbollah auf den Norden Israels (Israel/Lebanon: Under fire: Hizbullah’s attacks on northern Israel)[3]. Dieses Papier stellte abschließend fest, daß die Bombardements der Hisbollah sowohl direkten Angriffen auf Zivilisten wie auch nicht differenzierenden Angriffen gleichkamen. Die Attacken verstießen zudem gegen das im internationalen Völkerrecht festgeschriebene Verbot von Angriffen auf Zivilisten im Zuge von Vergeltungsschlägen, ungeachtet dessen, welcher Vergehen der Feind sich auch bedient haben mag.

Der vorliegende Bericht deckt weitere Aspekte zur Vorgehensweise Israels und den Folgen israelischer Militäraktionen im Libanon auf. Er geht dem Vorwurf nach, daß Kämpfer der Hisbollah Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" benutzt haben sollen. Der Papier führt zudem noch einmal die internationalen Standards der für diesen Konflikt relevanten, menschen- und völkerrechtlichen Bestimmungen so­wie des internationalen Strafrechts aus. Es analysiert die israelischen Angriffsmuster und geht näher auf eine Reihe spezieller Vorfälle ein, bei denen Zivilisten im Libanon zu Tode kamen. Der Bericht beleuchtet ferner die Auswirkungen anderer israelischer Attacken auf die Zivilbevölkerung, einschließlich der Folgen der Streubomben, die israelische Truppen während der letzten Kriegstage bei ihrer Bombardierung des Süd­libanon hinterlassen haben. Das letzte Kapitel faßt die Schlußfolgerungen amnesty internationals zu den Vorgehensweisen Israels und der Hisbollah generell zusammen und führt die Empfehlungen der Organisation an die beiden Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft aus.

Dieses Papier basiert auf den im Libanon und in Israel durchgeführten Feld­missionen. Es beruft sich dabei auf die Ergebnisse von Interviews mit Betroffenen, auf Informationen seitens eines hochrangigen, israelischen Kommandanten aus dem September 2006 und auf andere Gespräche mit israelischen und libanesischen Militär- und Regierungsbediensteten sowie führenden Vertretern der Hisbollah. Informationen von Nichtregierungsorganisationen, offizielle Stellungnahmen und Medienberichte wurden ebenfalls berücksichtigt. Während der Monate September und Oktober 2006 bat amnesty international die israelischen Behörden um spezielle Informationen zu diversen Angriffen der israelischen Armee, hat bis heute jedoch keinerlei Auskünfte dazu erhalten.

Wie bei anderen Konflikten auch, untersuchte amnesty international die Vorgehensweisen der einzelnen Kriegsparteien im Lichte der nach internationalem Recht gültigen, für alle Beteiligten verbindlichen Standards. Beide Konfliktparteien haben gravierende Brüche des internationalen Rechts, inklusive Kriegsverbrechen begangen. In ihrem eigenen Interesse sind diese nun gefragt, sich den Verantwortlich­keiten, der Wiedergutmachung und Prävention solcher Verstöße in Zukunft zu stellen.

Kapitel 1: Einführung

"Ich habe meine Mutter, meine Schwestern und alle meine Kinder verloren. Meine Frau ist in sehr ernstem Zustand. Wie soll ich ihr jetzt sagen, daß sie alle ihre Kinder verloren hat?"

So die Worte von Ahmad Badran, der mit einem Delegierten amnesty internationals im Dorf al-Ghazieh im Südlibanon sprach. Er hatte zugesehen, wie die Leichen von sechs seiner engsten Verwandten aus einem Trümmerhaufen gezogen wurden. Am
7. August hatte eine israelische Rakete das Wohnhaus getroffen. Die vier Kinder, die Mutter, die beiden Schwestern und eine Nichte Ahmad Badrans starben. Seine Frau wurde lebensgefährlich verletzt.

Der 34-tägige Krieg, der diese und so viele andere Familien im Libanon und in Israel zugrunde gerichtet hat, war am 12. Juli ausgebrochen. Er begann, nachdem der militärische Flügel der Hisbollah (auch bekannt als al-Muqawama al-Islamiyya oder Islamischer Widerstand) die Grenze nach Israel überquerte, eine israelische Patrouille attackierte, dabei acht Soldaten tötete und zwei weitere gefangennahm. Daraus ergab sich nahezu sofort eine massive, militärische Konfrontation zwischen der israelischen Armee und den Kampfeinheiten der Hisbollah.

Schon in den ersten 24 Stunden der Kämpfe kamen mindestens 38 Zivilisten, darunter viele Kinder, durch israelische Angriffe auf ihre Häuser ums Leben. Unter den Opfern waren zwölf Mitglieder der Familie Bze’a, neun Mitglieder der Familie Zein aus dem Dorf Baflay und zwölf Mitglieder der Familie Akash aus der Ortschaft al-Dweir. Die Familie Bze’a aus dem Ort Zibqin saß gerade beim Frühstück, als der Angriff sie überraschte.

Durch Raketenangriffe der Hisbollah starb zudem eine 40-jährige Frau in ihrer Wohnung in Nahariya/Nordisrael. Ein weiterer Zivilist kam in der Stadt Safed um.

Das Ausmaß der Attacken und der hohe Todeszoll, den die Zivilbevölkerung innerhalb von nur 24 Stunden zu zahlen hatte, gaben auf internationaler Ebene Anlaß zu Betroffenheitsbekundungen. Generalleutnant Dan Halutz, Oberbefehlshaber der IDF (Israelische Armee), gelobte auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv am 14. Juli, daß er die Offensive fortführen werde. Er sagte, Israel habe die klare Botschaft an:

"beide, den Großraum Beirut und den Rest des Libanon, daß sie einen Krebs verschlungen haben, den sie nun wieder heraufwürgen müssen. Denn wenn sie das nicht tun, wird ihr Land einen sehr hohen Preis dafür zahlen."[4]

Während der folgenden Tage wurden die israelischen Luftschläge intensiviert und die Zahl ziviler Verluste stieg unaufhörlich an. Von der halben Million im Süd­libanon lebenden Menschen, realisierten viele schnell, wie gefährlich die Lage war. Sie verließen ihre Häuser und flohen in den Norden. Mehr als 120.000 Einwohner saßen jedoch in ihren Wohnorten fest und sahen sich in Städten und Dörfern wie Tyre mit den kontinuierlichen Bombardierungen Israels konfrontiert.[5] Einige hatten nicht die finanziellen Mittel für eine solche Reise. Andere waren einfach zu krank oder altersschwach für eine Flucht. Vielen war klar, daß der Versuch, sich in Sicherheit zu bringen, inzwischen zu einem waghalsigen Unterfangen geworden war. In den ersten Kriegstagen hatte die israelische Armee Straßen, Brücken, Flughäfen, Tankstellen und andere Infrastruktur zerstört und durch die steten Bombardements konnte jeder Schritt außerhalb der Schutzräume zur tückischen Falle werden. Oft war es gar nicht möglich nach draußen zu gehen. Zivilisten, die Israels Evakuierungsbefehlen folgten und ihre Dörfer im Südlibanon verließen, wurden getötet, weil ihre Fahrzeuge, vollgestopft mit Menschen, von israelischen Raketen getroffen wurden.

Zum Zeitpunkt des Waffenstillstands am 14. August 2006 waren insgesamt 1.191 Menschen, darunter hunderte Kinder, bei israelischen Angriffen getötet worden. Mehr als 4.400 Personen trugen Verletzungen davon.[6]

Weit über die Grenzen des Südlibanon hinaus verbreiteten sich Tod und Ver­wüstung. Zwar konzentrierten sich die israelischen Luftschläge auf den Süden des Landes, wo zehntausende Wohnungen und Wohnhäusern vollständig zerstört oder beschädigt wurden, doch im Zielvisier lagen auch die Hauptstadt Beirut und das Beqa’a-Tal mit der Stadt Ba’albek.[7] In dem vorrangig von schiitischen Muslimen be­wohnten Vorort Dhahiyeh im südlichen Beirut, wo die Hisbollah ihr Hauptquartier hatte, fielen gut 250 mehrstöckige Gebäude mit mindestens 4.000 Wohnungen den Bomben zum Opfer. In Ba’albek und im Beqa’a-Tal, einem der wichtigsten Agrar­gebiete des Landes, wurden etliche Menschen getötet, etwa 400 Häuser zerstört und ausgedehnte Schäden an Obstplantagen, landwirtschaftlichen Gütern, Fabriken und anderer Infrastruktur angerichtet.

Nach offiziellen israelischen Angaben flog die Luftwaffe im gesamten Verlauf des Krieges etwa 7.000 Angriffe auf Ziele im gesamten Libanon, während die Marine 2.500 Bombardierungen auf küstennahe Gebiete vornahm.[8] Über die Summe der von der Armee ausgeführten Schläge gegen den Libanon, einschließlich des anhaltenden Artilleriefeuers, gaben die israelischen Behörden jedoch keine Auskunft. Gemäß der vor-Ort-Erhebungen des Minenaktion-Koordinationszentrums der Vereinten Nationen (UN Mine Action Coordination Centre / UNMACC) wurden bei israelischen Boden- und Luftangriffen während der ersten Kriegswochen jeden Tag bis zu 3.000 Bomben, Raketen und Artilleriegeschosse abgefeuert, wobei diese Zahl gegen Ende des Krieges auf 6.000 anstieg.[9] Die israelische Armee verwendete auch in zivilen Gebieten Streu­bomben mit Phosphormunition. Bis zu einer Million nicht explodierter Streuspreng­körper verunreinigen nun den Südlibanon. Diese werden auch in Zukunft noch für etliche tote und verletzte Zivilisten sorgen. Sie behindern zudem die Rückkehr der Vertriebenen, die humanitären Hilfen und die Bemühungen zum Wiederaufbau des Landes.[10]

Die umfassenden Bombardierungen führten zur Vertreibung von etwa einer Million Menschen im Libanon, was nahezu einem Viertel der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht. Gut 500.000 davon landeten in Beirut. Schätzungen zufolge sind 200.000 Vertriebene im Libanon bisher noch nicht an ihre Wohnorte zurückgekehrt.[11]

Schätzungsweise 4.000 Raketen feuerten die Einheiten der Hisbollah auf den Norden Israels ab, darunter solche, die Metallkugellager enthielten, um möglichst schwere Verletzungen bei den getroffenen Menschen hervorzurufen. Laut Berichten wurden auch hier Raketen mit Streukörpersprengköpfen verwendet. 43 Zivilisten kamen bei diesen Angriffen ums Leben und etwa 300.000 Einwohnern Nordisraels wurden aus ihren Heimatorten vertrieben. Außerdem hinterließen die Raketen ausge­dehnte Gebäudeschäden.[12]

Hinsichtlich der Kampfteilnehmer gaben die israelischen Behörden an, daß 117 Soldaten getötet wurden. Israel behauptete ferner, über die Namen von etwa 500 getöteten Hisbollah-Kämpfern zu verfügen, wollte diese jedoch nicht zur Veröffent­lichung freigeben. Laut Hisbollah kamen 74 ihrer Kämpfer ums Leben. Zusätzlich wurde eine kleinere Anzahl Kombattanten getötet, die anderen Gruppen zuzurechnen sind.[13] Durch israelische Angriffe starben außerdem vier Bedienstete der internen, libanesischen Sicherheitskräfte und ungefähr 40 libanesische Soldaten, obwohl sich die libanesischen Sicherheits- und Streitkräfte nicht an den Auseinandersetzungen beteiligt hatten.

Es war die Zivilbevölkerung, die in weit überwiegendem Maß die Last des Konfliktes zu tragen hatte - nicht nur was die Anzahl getöteter oder nun zeitlebens behinderter Personen angeht, sondern auch durch die Vertreibung aus ihren Heimat­orten, die Zerstörung von Wohnraum, die psychologischen Traumatisierungen und die langfristigen Folgen für Wirtschaft und Umwelt.

Entsprechend der Resolution 1701, die der UN-Sicherheitsrat am 11. August verabschiedete, endeten die Feindseligkeiten zwischen den Parteien am Morgen des 14. August 2006. Die Resolution legte die Bedingungen für den Waffenstillstand im Detail fest und erweiterte zudem das Mandat der UN-Blauhelmtruppen im Libanon (UN Interim Forces in Lebanon / UNIFIL). Am 7. und 8. September hob Israel die zu Beginn des Krieges verhängte Luft- und Seeblockade auf. Am 1. Oktober verkündete die israelische Armee, daß sie sich komplett aus dem Libanon zurückgezogen habe, obwohl sie selbst Anfang November noch eine Einheit in der libanesischen Ortschaft al-Ghajar an der israelischen Grenze unterhielt.

Nach wie vor halten Truppen der Hisbollah die beiden am 12. Juli gefangen­genommenen israelischen Soldaten fest.[14] Berichten zufolge sollen sie am Leben sein. Dem Internationalen Rot-Kreuz-Komitee (International Committee of the Red Cross / ICRC) wurde jedoch der Zugang zu ihnen verwehrt. Im Verlauf des Konfliktes nahm die israelische Armee mindestens 20 libanesische Staatsbürger fest. Wenigstens drei davon, die Berichten zufolge in Israel unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in der Hisbollah angeklagt wurden, befinden sich nach wie vor in Haft.[15] In der Zwischenzeit hat auch das ICRC diese drei Gefangenen besucht. Zusätzlich wurden die Leichen von mindestens 13 toten Hisbollah-Kämpfern durch israelische Truppen nach Israel ver­bracht und „könnten“ – wie israelische Militärquellen in den Medien verlauten ließen – „potentiell in Verhandlungen zur Rückkehr der beiden entführten Soldaten Verwen­dung finden." [16]

Während und nach dem Konflikt bemühten sich beide Parteien, ihre Rückkehr zur Gewalt und die Art und Weise ihrer Kriegführung zu rechtfertigen. Am 12. Juli startete die Hisbollah ihre "Operation Wahres Versprechen". Das erklärte Ziel dieser Aktion war, die Freilassung libanesischer und anderer arabischer Gefangener in Israel zu erreichen, indem man sie gegen gefangene, israelische Soldaten austausche - ganz wie Hisbollah-Generalsekretär Hasan Nasrallah es zuvor versprochen hatte. Nach dem Krieg stellte Nasrallah fest, daß er den Übergriff vom 12. Juli nicht angeordnet hätte, wäre ihm klar gewesen, daß Israel so harsch reagieren wird. [17]

Indes, die Hisbollah versteht sich selbst und generell alle Araber und Muslime als Verteidiger des Libanon gegen die langanhaltende Aggression Israels und seiner Verbündeten, insbesondere der USA. Konkret wird seitens der Hisbollah behauptet, daß der Konflikt der Organisation mit Israel im Jahr 2000 keineswegs damit beendet war, daß sich Israel aus dem Libanon zurückzog, weil sie diesen Rückzug als unvoll­ständig betrachtet. Die Hisbollah wie die libanesische Regierung führen an, daß die als Sheba’a-Farm bekannte Grenzregion zum Libanon gehöre, obwohl die Vereinten Nationen diese als israelisch besetztes, syrisches Territorium definieren. Die häufigen Überflüge der israelischen Luftwaffe über libanesisches Gebiet stellen ebenfalls einen nicht unerheblichen Streitpunkt dar, und zudem bemüht man sich immer noch um die vollständigen Lagepläne der nach der damaligen Besetzung des Südlibanon hinter­lassenen Minenfelder.

Der israelische Premierminister Ehud Olmert erklärte den Hisbollah-Angriff vom 12. Juli 2006 zu einer "kriegerischen Handlung" und versprach dem Libanon eine "sehr schmerzhafte und weitreichende Antwort", als er daraufhin die "Operation Richtungswechsel" lancierte.[18] Israel behauptet, den Angriff der Hisbollah-Kämpfer nicht provoziert zu haben, da man sich im Jahr 2000 aus dem Libanon zurückgezogen habe und die Demarkationslinie zum Libanon durch die Vereinten Nationen bestätigt worden sei. Israelische Offizielle sehen die Hisbollah zudem als Teil einer breiteren, anti-israelischen Front, der auch die palästinensische Organisation Hamas, Syrien und der Iran angehören. Sie betrachten die enge Allianz zwischen Hisbollah und Iran mit besonderer Sorge, weil sich der iranische Präsident bereits mehrfach bedrohlich gegen den israelischen Staat geäußert hat. In den Augen Israels ist die Militärkampagne gegen den Libanon ein reiner Akt der Selbstverteidigung gewesen.

Die libanesische Regierung stellte klar, daß sie nicht vorab über die Aktion der Hisbollah informiert worden sei, einen solchen Angriff nicht befürwortet und sich von Anfang an um einen Waffenstillstand bemüht habe. Hisbollah-Führer Hasan Nasrallah erklärte, daß er die Operation vom 12. Juli angeordnet habe, um israelische Soldaten gefangenzunehmen und daß die libanesische Regierung an dieser Entscheidung nicht mitgewirkt habe.

Die Beziehung zwischen dem libanesischen Staat und der Hisbollah ist viel­schichtig. Politisch betrachtet war die Hisbollah während des Konfliktes als Partei sowohl im Parlament wie in der Regierung von Premier Fouad Siniora vertreten. Auf sozialer Ebene stellt die Hisbollah den Menschen im Libanon, und hier vor allem den traditionell benachteiligten, schiitisch-muslimischen Bevölkerungsteilen, wesentliche medizinische, pädagogische und andere Dienste zur Verfügung. Die Hisbollah, deren bewaffneter Flügel den Kampf gegen die israelischen Truppen im Libanon anführte, – bis letztere im Jahr 2000 den Rückzug antraten – hat ihre militärischen Kapazitäten nicht abgebaut, obwohl die im September 2004 verabschiedete Resolution 1559 des UN-Sicherheitsrats die "Auflösung und Entwaffnung" sämtlicher Milizen im Libanon verlangt.

Weder zu den weitgefächerten, ideologischen und politischen Fragestellungen, die den Feindseligkeiten zwischen der Hisbollah und Israel zu Grunde liegen, noch zum Status der Hisbollah im Libanon wünscht amnesty international hier Position zu beziehen. Die Organisation hat weder die Hisbollah aufgrund der Durchführung des militärischen Angriffs auf Israel am 12. Juli 2006, noch Israel für die Einleitung einer Militärkampagne gegen die Hisbollah im Libanon verurteilt. Doch von Beginn des Krieges an appellierte amnesty international an beide Beteiligten, die internationalen, humanitären Völkerrechte zu beachten. Diese Regeln gelten für den Aggressor wie den Verteidiger gleichermaßen und sind auf organisierte, bewaffnete Gruppen wie die Hisbollah ebenso anwendbar wie auf reguläre Staaten.

Seit dem Ende des Konflikts findet in Israel und im Libanon eine fortlaufende, öffentliche Debatte um die Vorgehensweise im Kriegsfall statt. In Israel sind offizielle Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten der israelischen Kriegsvorbereitungen und der Reaktion auf die Attacken der Hisbollah initiiert worden. Keine davon ist je­doch mit dem Mandat betraut, der Frage nachzugehen, inwieweit die Art und Weise der Auseinandersetzungen Israels Verbindlichkeiten anhand der Kriegsgesetze gerecht wurden. So weit amnesty international bekannt, ist durch die libanesische Regierung oder die Hisbollah keine solche offizielle Untersuchung in Gang gesetzt worden.

Dieser Konflikt zerschlug unzählige Lebenswege und verursachte im Libanon wie in Israel Verwüstungen, die erst nach Jahren beseitigt sein werden. Vieles davon hätte vermieden werden können, wenn beide Seiten die Regeln des Krieges respektiert hätten. amnesty international hat die Vorgehensweisen beider Parteien im Lichte ihrer Verbindlichkeiten nach internationalem Recht betrachtet, um die Verantwortlichkeit der Täter, Gerechtigkeit für die Opfer und die Prävention ähnlicher Verstöße in der Zukunft zu gewährleisten.

Jeder Krieg endet unvermeidlich in persönlichen Tragödien. Dennoch verlangt jedes verlorene oder beschädigte Leben, das aus Verstößen gegen die Kriegsregeln re­sultiert, daß die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und den Opfern Wiedergutmachung angedeiht.

Kapitel 2: Der Konflikt im Fokus internationalen Rechts

Das unten ausgearbeitete, gesetzliche Regelwerk führt die Grundsätze und Prinzipien aus, die für den Konflikt zwischen der Hisbollah und Israel von Bedeutung sind. In bestimmten Fällen hat amnesty international klare Verstöße gegen diese Grundsätze und Prinzipien durch die eine oder andere Konfliktpartei festgestellt. Um die Hand­lungsweisen der Parteien und das Ausmaß ihrer Verstöße in vollen Umfang beurteilen zu können ist - wie in den Empfehlungen am Ende dieses Berichtes dargelegt - eine umfassende Untersuchung erforderlich.

Hinsichtlich dieses Krieges können verschiedene gesetzliche Regelwerke des internationalen Rechts zu Rate gezogen werden. An das internationale, humanitäre Völkerrecht, oft auch Kriegsrecht genannt, sind alle Parteien eines bewaffneten Kon­fliktes, also auch die bewaffneten Gruppen, rechtlich gebunden. Zudem verlieren auch die internationalen Menschenrechte im Kriegsfall nicht ihre Gültigkeit und bleiben für alle regulären Staaten verbindlich. Das internationale Strafrecht bestimmt über die strafrechtliche Verfolgung von Individuen aufgrund bestimmter Verstöße, wie zum Beispiel Kriegsverbrechen. Ferner ist mit dem Gesetz über die Zuständigkeit von Staaten ein rechtliches Regelwerk geschaffen, das sich der Entschädigung von Opfern diverser Verstöße annimmt.

Das internationale humanitäre Völkerrecht

Die im internationalen, humanitären Völkerrecht enthaltenen Regeln und Prinzipien, suchen den Schutz jener zu gewährleisten, die nicht an den Feindseligkeiten beteiligt sind. Dazu zählen insbesondere Zivilisten, aber auch bestimmte Kampfteilnehmer, wie etwa Verwundete oder Gefangene. Sie schreiben die Standards des menschlichen Gebarens im Kriegsfall fest und begrenzen die Mittel und Methoden zur Ausführung militärischer Operationen. Ihr zentrales Anliegen ist es, menschliche Leiden in Zeiten bewaffneter Konflikte - soweit umsetzbar – in Grenzen zu halten.

Die vier Genfer Konventionen von 1949 und ihre beiden Zusatzprotokolle von 1977 sind die Hauptinstrumente der internationalen, humanitären Völkerrechte. Israel ist zwar Vertragsstaat der Genfer Konventionen von 1949, jedoch nicht Vertragspartei des Protokoll I über den Schutz der Opfer internationaler, bewaffneter Konflikte. Der Libanon ist sowohl den Genfer Konventionen als auch dem Protokoll I beigetreten.

Die Hisbollah akzeptierte von sich aus einige der Grundregeln internationaler Völkerrechte, so zum Beispiel, als sie der Vereinbarung vom April 1996 zustimmte, die einen früheren Ausbruch der Kämpfe mit Israel beendete. Dieses Abkommen erlaubte zwar den Fortgang der Gefechte im Südlibanon, dem Schutz des Lebens von Zivilisten wurde jedoch besondere Bedeutung zugeschrieben.[19] Nach dem aktuellen Konflikt erneuerte die Hisbollah ihre Selbstverpflichtung zur Einhaltung dieses Abkommens.

Die grundlegenden Bestimmungen des Protokoll I, einschließlich der unten zitierten Regeln, gelten als Bestandteil gewohnheitsmäßigen, internationalen Rechts. Sie sind daher für alle Parteien eines Konfliktes verbindlich.[20] Grobe Verstöße gegen die Genfer Konventionen und/oder Protokoll I erfüllen den Tatbestand eines Kriegs­verbrechens. Die anerkannten Definitionen dieser Verbrechen nach gewohnheitsmäßi­gem, internationalem Recht finden sich im Römischen Statut zum Internationalen Strafgerichtshof wieder.

Verbot direkter Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte
- das Prinzip der Unterscheidung

Artikel 48 des Protokoll I legt eine der „Grundregeln“ zum Schutz von Zivilisten fest – das Prinzip der Unterscheidung. Dieses Prinzip stellt einen wichtigen Eckpfeiler der internationalen Völkerrechte dar.

„Um die Anerkennung und den Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu gewährleisten, haben die Konfliktparteien jederzeit zwischen der Zivilbevölkerung und den Kampfteilnehmern sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen zu unterscheiden und dürfen dementsprechend ihre militärischen Operation nur gegen militärische Ziele richten.“

Gemäß des Römischen Statuts gilt die absichtliche Ausrichtung von Angriffen auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne Zivilisten, die nicht direkt an den Kampfhandlungen teilnehmen, als Kriegsverbrechen.[21] Nach Artikel 51(3) des Protokoll I stehen Zivilisten unter Schutz „es sei denn, daß – und nur für den Zeitraum während dessen – sie sich direkt an den Kämpfen beteiligen“. Artikel 52(1) setzt fest:

„Als zivile Objekte gelten alle Objekte, die keine militärischen Ziele darstellen.“

Artikel 52(2) definiert militärische Ziele wie folgt:

„all jene Objekte, die ihrer Natur, ihrer Position, ihrem Zweck oder Gebrauch nach einen effektiven Beitrag zu Militäraktionen leisten und deren völlige oder teilweise Zerstörung, Einnahme oder Neutralisierung unter den gegebenen Umständen einen klaren, militärischen Vorteil erwarten läßt.“

Objekte, die diesen Kriterien nicht entsprechen, sind zivile Objekte. In Fällen, wo nicht eindeutig geklärt werden kann, ob ein Zielobjekt für militärische Zwecke benutzt wird, „ist davon auszugehen, daß das fragliche Objekt keiner solchen Nutzung unterliegt“, (Artikel 52 (3)).[22] Die absichtliche Ausrichtung von Angriffen auf zivile Objekte stellt ein Kriegsverbrechen dar.

Die Interpretation des Begriffes „militärischer Vorteil“ darf nicht derart weit gefaßt werden, daß dieser Grundsatz dadurch seine beabsichtigte Wirkung einbüßt. Angriffe mit dem Hinweis auf einen militärischen Vorteil zu rechtfertigen, die darauf ausgelegt sind, den wirtschaftlichen Wohlstand eines Staates zu beschädigen oder die Zivilbevölkerung zu demoralisieren, um deren Kampfkraft zu schwächen, würde eine Verzerrung der rechtlichen Bedeutung des Wortes, eine Untergrabung grundlegender, völkerrechtlicher Prinzipien und eine ernste Gefahr für Zivilisten bedeuten.

Verbot nicht differenzierender oder unverhältnismäßiger Angriffe

Artikel 51(4) des Protokoll I verbietet nicht differenzierende Angriffe, die:

„ihrer Natur nach dergestalt sind, daß sie militärische Zielobjekte und Zivilisten oder zivile Objekte ohne Unterscheidung zerschlagen.“

Als unverhältnismäßige Angriffe, eine Abart nicht differenzierender Angriffe, werden auch jene betrachtet:

„von denen angenommen werden kann, daß sie beiläufige Todesfälle und Verletzungen unter Zivilisten oder Schäden an zivilen Objekten oder eine Kombination dieser Ereignisse in einem Maße verursachen, das dies im Ver­hältnis zu einem möglichen, konkreten und direkten militärischen Vorteil nicht angemessen erscheint.“ (Artikel 51(5))

Die absichtliche Durchführung eines unverhältnismäßigen Angriffs gilt als Kriegsverbrechen.[23] Die Durchführung nicht differenzierender Angriffe, die zu Verlusten oder Verletzungen unter Zivilisten führen oder in der Beschädigung ziviler Objekte resultieren, gelten ebenfalls als Kriegsverbrechen.[24]

Darüber hinaus dürfen auch beiläufige Schäden und Todesfälle ein gewisses Maß nicht überschreiten.[25] Ausgedehnte Zerstörungen und Beschlagnahmungen, die nicht durch militärische Notwendigkeiten gerechtfertigt sind und die unrechtmäßig und willkürlich durchgeführt werden, sind Kriegsverbrechen. [26]

Vorsichtsmaßregeln bei Angriffen

Artikel 57 verlangt von allen Parteien, daß sie stete Sorgfalt walten lassen, „um die Zivilbevölkerung, Zivilisten und zivile Objekte zu schonen“. Artikel 57 (2) legt fest, daß diejenigen, die einen Angriff planen:

„(i) alles Erdenkliche unternehmen, um eindeutig festzustellen, daß es sich bei anvisierten Zielen weder um Zivilisten noch um zivile Objekte handelt, die einem besonderen Schutz unterliegen, sondern um militärische Zielobjekte im Sinne des Artikels 52, Paragraph 2 und daß ein Angriff auf die fraglichen Objekte nicht durch die Bestimmungen des vorliegenden Protokolls untersagt ist“,

„(ii) bei der Wahl ihrer Angriffsmittel und –methoden alle nur erdenk­lichen Vorkehrungen treffen, um Verluste und Verletzungen unter Zivilisten und Schäden an zivilen Objekten zu vermeiden, in jedem Falle aber möglichst gering zu halten“,

 „(iii) von Entscheidungen zum Angriff Abstand zu nehmen, wenn zu erwarten ist, daß diese beiläufige Verluste und Verletzungen unter Zivilisten, Schäden an zivilen Objekten oder eine Kombination dieser Ereignisse in einem Maß verursachen, das im Verhältnis zum wahrscheinlichen, konkreten und direkten militärischen Vorteil als übertrieben anzusehen wäre“,

„(b) sollte sich herausstellen, daß ein Zielobjekt nicht militärischer Natur ist, daß es einem besonderen Schutz unterliegt oder daß ein Angriff desselben aller Voraussicht nach zu beiläufigen Todesfällen und Verletzten unter Zivilisten, zu Schäden an zivilen Objekten oder zu einer Kombination dieser Ereignisse führen wird und zwar in einem Ausmaß, das im Verhältnis zu dem erhofften, konkreten und direkten militärischen Vorteil als exzessiv zu betrachten wäre, so ist ein solcher Angriff abzusagen oder auszusetzen“,

„(c) Angriffen, die sich auf die Zivilbevölkerung auswirken könnten, muß eine effektive und frühzeitige Warnung vorausgehen, es sei denn, daß die Umstände dies nicht erlauben.“

Vorsichtsmaßnahmen im Verteidigungsfall

Kriegführende Parteien sind ebenfalls verpflichtet, alle umsetzbaren Vorkehrungen zum Schutz der Zivilisten und zivilen Objekte unter ihrer Kontrolle vor den Folgen gegnerischer Angriffe zu treffen. Protokoll I verlangt, daß die Parteien vermeiden, militärische Zielobjekte innerhalb oder in der Nähe dichtbesiedelter Gebiete unter­zubringen (Artikel 58 (b)).

Zudem verbietet Protokoll I ausdrücklich die Anwendung solcher Taktiken wie den Gebrauch „menschlicher Schutzschilde“ zur Verhinderung von Angriffen auf militärische Ziele. Artikel 51 (7) statuiert:

„Die Anwesenheit oder Verbringung der Zivilbevölkerung oder einzel­ner Zivilisten darf nicht dazu benutzt werden, gewisse Orte oder Areale gegen militärische Operationen zu immunisieren. Insbesondere ist es nicht gestattet, Attacken oder Militäroperationen gegen militärische Zielobjekte auf diese Weise vorzubeugen, sie so voranzutreiben oder zu verzögern. Den Konflikt­parteien ist zudem nicht gestattet, die Bewegungen der Zivilbevölkerung oder einzelner Zivilisten in der Absicht zu steuern, militärische Zielobjekte vor Angriffen oder Militäroperationen zu schützen“.

Die geplante Benutzung von Zivilisten zur Deckung militärischer Ziele ist ein Kriegsverbrechen.[27]

Das Protokoll stellt jedoch ebenso klar, daß, selbst wenn eine Seite sich hinter Zivilisten verschanzt, ein solcher Verstoß „... die andere Konfliktpartei eindeutig nicht von ihrer Rechtsverbindlichkeit zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Zivilisten befreit.“

Ferner legt Artikel 50 (3) fest, daß:

„Die Anwesenheit von Personen innerhalb der Zivilbevölkerung, die nicht unter die Definition des Zivilisten fallen, enthebt die Bevölkerung nicht ihres zivilen Status.“

Wie durch die autorisierten Kommentare des ICRC angezeigt:

„Im Rahmen der Umstände eines Krieges ist es unvermeidlich, daß Personen die zur Kategorie der Kampfteilnehmer gehören, sich unter der Zivilbevölkerung aufhalten, so zum Beispiel Soldaten, die sich auf Heimat­urlaub bei ihren Familien befinden. Vorausgesetzt, daß es sich bei solchen Mannschaften nicht um reguläre Einheiten von erheblicher Größe handelt, verändert deren Anwesenheit nicht den zivilen Charakter der Bevölkerung.“

Verbot von Vergeltungsmaßnahmen und Kollektivstrafen

Laut der Artikel 51 (6) und 52 (1) sind Angriffe auf die Zivilbevölkerung, Zivilisten oder zivile Objekte im Sinne der Vergeltung durch das internationale, humanitäre Völkerrecht ausdrücklich untersagt. Derartige Angriffe gelten auch anhand des ge­wohnheitsmäßigen, internationalen Rechts weithin als verboten. Die Tatsache, daß eine der Parteien gegen die Gesetze des Krieges verstoßen hat, kann die gegnerische Partei daher nicht als Begründung dafür anbringen, sich nun selbst unrechtmäßiger Handlungsweisen zu bedienen, weder um die angreifende Partei zur Einhaltung der Rechtsvorgaben zu zwingen, noch als Mittel des Gegenschlags oder der Vergeltung.

In Artikel 33 der Vierten Genfer Konvention heißt es:

„Keine geschützte Person darf für eine Tat bestraft werden, die er oder sie nicht persönlich begangen hat. Kollektivstrafen und gleichermaßen alle Maßnahmen zur Einschüchterung oder des Terrors sind verboten.“

Der Schutz der Umwelt

Gemäß Artikel 55 des Protokoll I ist dafür Sorge zu tragen, daß Umwelt und Natur vor „ausgedehnten, langanhaltenden und schwerwiegenden Schäden“ geschützt sind. Methoden oder Mittel der Kriegführung, die darauf ausgelegt sind oder von denen zu erwarten ist, daß sie solche Schäden verursachen, sind verboten.

Artikel (2)(b)(iv) des Statuts von Rom zum ICC (Internationaler Strafgerichts­hof / International Criminal Court) deklariert als Kriegsverbrechen:

„... einen Angriff in dem Wissen zu starten, daß dadurch beiläufige Verluste und/oder Verletzungen unter Zivilisten, Schäden an zivilen Objekten oder weitläufige, langanhaltende und schwerwiegende Schäden für Natur und Umwelt verursacht werden, die im Verhältnis zum konkreten, direkten und insgesamt wahrscheinlichen, militärischen Vorteil eindeutig als übertrieben zu werten wären.“

Überleben der Bevölkerung und Zugang für humanitäre Helfer

Das Attackieren, Zerstören, Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Objekten, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unerläßlich sind, ist verboten (Protokoll I, Artikel 54 (2)). Die Konfliktparteien müssen die zügige und ungehinderte Durchfahrt neutraler, humanitärer Helfer gestatten und befördern (Protokoll I, Artikel 70). Sie müssen medizinisches Personal und deren Transportmittel respektieren und schützen (Protokoll I, Artikel 15 und 21).

Waffen

Das internationale Völkerrecht verbietet den Einsatz von Waffen, die ihrer Natur nach ungenau sind und außerdem solche, die von ihrer Art her überflüssige Verletzungen oder unnötiges Leid hervorrufen. Die Kommentare des ICRC zu den Protokollen erwähnen „Langstreckenraketen, die nicht präzise auf das Ziel ausgerichtet werden können“, als Beispiel für nicht differenzierende Waffen.

Bei nicht differenzierenden Angriffen wurden im Verlauf des Krieges auch andere Waffen verwendet, darunter solche mit Streukörpersprengköpfen. Derartige Streubomben oder –granaten versprengen unzählige kleinere Sprengkörper oder Patronen über ein weites Areal von üblicherweise der Größe eines oder zweier Fuß­ballfelder. Sie können vom Flugzeug aus abgeworfen oder durch Artilleriegeschütze und Raketenwerfer abgefeuert werden. Je nachdem, welcher Typ von Füllmunition verwendet wird, liegt der Anteil der Blindgänger zwischen fünf und zwanzig Prozent. Diese bleiben dann als explosive Hinterlassenschaft des Krieges zurück und stellen – ähnlich wie Personen-Landminen – eine Gefahr für die Zivilbevölkerung dar. Der Einsatz dieser Bomben in zentralen, zivilen Gebieten mit dichter Besiedlung verstößt gegen das Verbot nicht differenzierender Angriffe, weil weite Flächen mit zahlreichen Sprengkörpern bedeckt werden und dies eine Gefahr für jeden darstellt, der mit den Patronen in Berührung kommt, einschließlich der unbeteiligten Zivilisten.

Die israelischen Streitkräfte benutzten während des Konfliktes laut Berichten in Gebieten, in denen sich Zivilisten befanden auch weißen Phosphor. Dieses Material wird in Granaten und Patronen zur Zielmarkierung, zum Aufbau von Nebelwänden für Truppenbewegungen, zur Verfolgung von der Geschoßflugbahnen und als Brand­beschleuniger verwendet.[28] Protokoll III zum Verbot oder der Beschränkung des Einsatzes von Brandwaffen (eines der Zusatzprotokolle der UN-Konvention über das Verbot oder die Beschränkung der Verwendung konventioneller Waffen von 1980) verbietet den Einsatz solcher Waffen gegen Zivilisten. Da es sich hierbei um einen Grundsatz des gewohnheitsmäßigen, internationalen Rechts handelt, ist diese Regel auch für Israel und den Libanon verbindlich, selbst wenn diese dem Protokoll III nicht beigetreten sind. Laut ICRC, ist auch das Verbot der Verwendung von Brandwaffen gegen Kombattanten eine Regel gewohnheitsmäßigen internationalen Rechts – außer wo es schlichtweg unmöglich ist, andere, harmlosere Waffen einzusetzen, um etwaige Feindpersonen kampfunfähig zu machen (hors de combat). In Protokoll III ist diese Regelung nicht enthalten.

Die internationalen Menschenrechte

Wie durch den Internationalen Gerichtshof und die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen bestätigt, sind die Menschenrechte auch in Zeiten internationaler, bewaffneter Konflikte anzuwenden und behalten – in Ergänzung der internationalen, humanitären Völkerrechte – ihre volle Wirksamkeit bei.[29] Beide Rechtsinstrumente sind unverzichtbar, um den Schutz von Menschen gerade im Verlauf bewaffneter Konflikte zu gewährleisten.

Der Libanon wie Israel, beide sind Vertragsstaaten wichtiger Menschenrechts­abkommen, einschließlich des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR / International Covenant on Civil and Political Rights) sowie des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR / International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights). Wie die Menschen­rechtskommission klargestellt hat, sind die aus dem ICCPR erwachsenden, menschen­rechtlichen Verbindlichkeiten von Staaten über deren Grenzen hinaus gültig.[30] Auch der ICESCR gewährt keine ausdrückliche Einschränkung bezüglich der territorialen Gerichtsbarkeit.

Zu den für den Konflikt relevanten Verbindlichkeiten, gegen die die Parteien verstoßen haben, zählen das Recht auf Leben (ICCPR, Artikel 6), das Recht auf adäquate Nahrung und Unterkunft (ICESCR, Artikel 11), das Recht auf Erhalt der bestmöglichen, verfügbaren Standards für die körperliche und geistige Gesundheit (ICESCR, Artikel 12), worunter auch das Recht auf Wasser zu rechnen ist, sowie das Recht auf Bildung (ICESCR, Artikel 13).[31] Aktionen, die auf eine Beeinträchtigung oder Zerstörung der zur Inanspruchnahme dieser Rechte notwendigen Infrastruktur, einschließlich Schulen und Krankenhäuser, ausgerichtet waren, oder von denen zu erwarten war, daß sie eine solche Beeinträchtigung oder Zerstörung nach sich ziehen würden, gelten als Kriegsverbrechen, für die die Parteien zur Rechenschaft gezogen werden können.

Das Recht auf Unterkunft betreffend, könnten bestimmte Aktionen in diesem Krieg – namentlich die weitverbreitete Zerstörung Zehntausender von Wohnungen – unrechtmäßigen Zwangsvertreibungen gleichkommen, einem Bruch des Artikels 11 des ICESCR. Die Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte de­finiert den Begriff der „Zwangsvertreibung“ als „permanente oder vorübergehende Räumung des von den Betreffenden genutzten Wohnraums oder Landes gegen den Willen von Individuen, Familien und/oder Gemeinden, ohne die Gewähr von und den Zugang zu angemessenen Formen der Rechtsbeihilfe oder eines anderen gesetzlichen Schutzes.“[32] Zu diesen Arten der Räumung zählt die Kommission auch jene, die aus „internationalen, bewaffneten Konflikten, internen Streitigkeiten und aus kommunaler oder ethnischer Gewalt“ erwachsen.[33]

Der ICESCR kennt – selbst in Zeiten des Notstands – keine Möglichkeiten der Abweichung, und läßt Einschränkungen nur insofern gelten, „als sie im Gesetz vor­gesehen sind, soweit dies mit der Natur dieser Rechte in Einklang steht und einzig mit dem Ziel der Förderung allgemeiner Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft.“ Wie die Kommission eindeutig feststellte, müssen jedwede Einschränkungen verhält­nismäßig sein und „wo verschiedene Arten von Einschränkungen zur Auswahl stehen, muß die am wenigsten restriktive Alternative gewählt werden.“ [34]

Das internationale Strafrecht

Gravierende Brüche der Genfer Konventionen und des Protokoll I gelten wie auch andere schwere Verstöße gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte als Kriegsverbrechen. Die in Artikel 8 des Römischen Statuts zum Internationalen Straf­gerichtshof ausgeführte Liste der Kriegsverbrechen spiegelt die Bestimmungen des gewohnheitsmäßigen, internationalen Rechts zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung wider.

Protokoll I verlangt gemäß Artikel 86, daß „die Konfliktparteien sich grober Brüche der [Genfer] Konventionen [von 1949] oder dieses Protokolls enthalten und daß sie Maßnahmen ergreifen, um jegliche anderen Brüche, die aus unterlassenen Handlungspflichten entstehen, verhindern.“

Individuen können, ob Zivilisten oder Militärbedienstete und ungeachtet ihres Ranges, aufgrund solcher Vergehen strafrechtlich verfolgt werden, wobei Truppen­kommandanten auch die Verantwortung für die Handlungen ihrer Untergebenen zu tragen haben. Im Wortlaut des Artikels 86 (2):

„Die Tatsache, daß ein Bruch der Konventionen oder dieses Protokolls durch einen Untergebenen begangen wurde, enthebt seinen Vorgesetzten nicht der strafrechtlichen oder disziplinarischen Verantwortung. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Vorgesetzte wußten oder über den Zugang zu Informationen verfügten, die unter den vorhandenen Umständen den Rück­schluß erlaubt hätten, daß ein Untergebener soeben dabei ist, einen derartigen Bruch zu begehen oder alsbald einen solchen Bruch begehen wird. Sollten die Vorgesetzten daraufhin nicht alle erdenklichen und in ihrer Macht stehenden Maßnahmen ergreifen, um diesen Bruch zu verhindern“, [so werden sie selbst in die Verantwortung genommen.]

Auch können Befehle von übergeordneter Stelle nicht zur Rechtfertigung von Verstößen angebracht werden, obwohl dies bei der Berechnung des Strafmaßes wohl Berücksichtigung findet. Dieses seit den Nürnberger Prozessen nach dem II. Welt­krieg anerkannte Prinzip ist inzwischen in gewohnheitsmäßiges, internationales Recht übergegangen.

Es gibt verschiedene, mögliche Mechanismen, um Verursacher von Verstößen gegen die internationalen Völkerrechte strafrechtlich zu verfolgen und – im Rahmen fairer Verhandlungen ohne die Verhängung einer Todesstrafe – zur Rechenschaft zu ziehen:

(a) Durch die Parteien selbst

Jede Konfliktpartei muß diejenigen ihrer Staatsangehörigen, die unter dem Verdacht stehen für gravierende Verstöße gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte verantwortlich zu sein, vor Gericht stellen. Auch Israel und der Libanon sind hierzu verpflichtet.

(b) Durch andere Staaten

Andere Staaten sollten ihren Verpflichtungen nachkommen und eine strafrechtliche Untersuchung gegen alle Personen einleiten, die verdächtigt werden, während des Konfliktes schwerwiegende Brüche des internationalen Völkerrechts begangen zu haben. Wo ausreichend zulässige Beweise vorliegen und der Verdächtigte sich unter ihrer Gerichtsbarkeit befindet, sollte der betreffende Staat entweder selbst Anklage gegen diesen erheben oder ihn an einen anderen Staat ausliefern, der willens und in der Lage ist, den Verdächtigen gerichtlich zu belangen.

Abgesehen davon, daß sie verpflichtet sind, bei gravierenden Brüchen der Genfer Konventionen und des Protokoll I die allgemeine Gerichtsbarkeit auszuüben, dürfen die Staaten von dieser allgemeinen Gerichtsbarkeit auch bei anderen schwer­wiegenden Verstößen gegen die internationalen, humanitären Völkerrecht Gebrauch machen. Wo ausreichend zulässige Beweise vorliegen und sich der Verdächtigte unter ihrer Gerichtsbarkeit befindet, sollten die Staaten diesen strafrechtlich belangen oder ihn an einen anderen Staat ausliefern, der dazu willens und in der Lage ist.

(c) Durch den Internationalen Strafgerichtshof

Weder Israel noch der Libanon haben das Römische Statut zum Internationalen Straf­gerichtshof ratifiziert. Allerdings könnten die beiden Länder – laut Artikel 12 (3) des Römischen Statuts – die rechtliche Zuständigkeit des Gerichtshofs innerhalb ihrer Territorien per Deklaration anerkennen. Außerdem besteht laut Artikel 13 (b) des Römischen Statuts die Möglichkeit, daß der UN-Sicherheitsrat die Situation in Israel und im Libanon gesondert an den Internationalen Strafgerichtshof verweist.

Staatliche Verantwortung und Entschädigungen

Die Kommission für internationales Recht verarbeitete im Jahr 2001 in ihren Artikeln zur Verantwortlichkeit von Staaten für widerrechtliche Handlungen auf internationa­ler Ebene den Grundsatz, daß die Staaten der internationalen Gemeinschaft gegenüber für „international widerrechtliche Handlungen“ verantwortlich sind. Diese Artikel beschließen das Gesetz über die Verantwortlichkeit von Staaten und wurden den Regierungen der Staaten im Jahr 2002 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen anempfohlen.[35] Artikel 31 statuiert:

„Der verantwortliche Staat ist an die Verpflichtung gebunden, durch international widerrechtliche Handlungen verursachte Verletzungen in vollem Umfang zu entschädigen ... Der Begriff der „Verletzung“ beinhaltet jedweden Schaden, ob materiell oder moralisch, der durch international widerrechtliche Handlungen eines Staates verursacht wurde.“

International widerrechtliche Handlungen umfassen Verstöße gegen die Ver­bindlichkeiten eines Staates, wie sie sich aus gewohnheitsmäßigem und allgemeinem Recht ergeben. So stellt zum Beispiel Artikel 91 des Protokoll I klar, daß jede Partei des Konfliktes „für alle Handlungen von Personen, die Teil ihrer bewaffneten Streit­kräfte sind, die Verantwortung zu tragen haben.“ Dementsprechend: „Eine Partei des Konfliktes, die gegen Bestimmungen der Konventionen oder dieses Protokolls ver­stößt, soll, so die Sache es erfordert, zu Kompensationszahlungen verpflichtet sein.“

Das Recht auf Entschädigung individueller Opfer ist auch im internationalen Menschenrecht tief verankert, wo es sich in internationalen und regionalen Menschen­rechtsverträgen als Kernelement des Rechts auf Wiedergutmachung wiederfindet.[36] In Regel 150 kommt die Studie des ICRC zum gewohnheitsmäßigen, internationalen, humanitären Völkerrecht[37] zu dem Schluß: „Ein Staat, der für Verstöße gegen die internationalen Völkerrechte verantwortlich ist, muß Verluste oder Verletzungen, die er verursacht hat, in vollem Umfang entschädigen.“ Mit ihrer Resolution 60/147 vom 16. Dezember 2005 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen zusätzlich die Grundprinzipien und Richtlinien zum Recht auf Wiedergutmachung und Entschädigung der Opfer massiver Verstöße gegen internationale, humanitäre Völkerrechte. Diese verankern die Verpflichtung der Staaten, den Opfern wirksame Wiedergutmachungen, inklusive Entschädigungen zur Verfügung zu stellen. Dieses Instrument schreibt die angemessenen Formen der Entschädigung und - anhand der Prinzipien 19 - 23 - die Möglichkeiten der Wiederherstellung, der Kompensation, der Rehabilitation, der Satisfaktion sowie diverse Unterlassungsgarantien fest.

Bewaffnete Gruppen und Entschädigungen

Nach dem Gesetz zur Verantwortlichkeit von Staaten, kann eine bewaffnete Gruppe nur dann zur Bereitstellung von Reparationen verpflichtet sein, wenn sie in der Folge die Rolle der neuen Regierung eines Staates innehat oder wenn sie erfolgreich einen neuen Staat auf einem Teil des Territoriums des bereits bestehenden Staates oder in einem Territorium unter dessen Verwaltung einrichtet.

Die internationalen Menschenrechtsverträge konzentrieren sich vorrangig auf die Verbindlichkeiten von Staaten. Von daher schaffen sie hinsichtlich bewaffneter Gruppen keine Verbindlichkeiten, außer jener, daß der betreffende Staat verpflichtet ist, bei der Prävention, Bestrafung, strafrechtlichen Verfolgung oder Entschädigung der von solchen Akteuren verursachten Schäden die erforderlich Sorgfalt walten zu lassen. Hinsichtlich der Hisbollah stände hier also der Libanon in der entsprechenden Pflicht.

Das ICRC stellte fest, daß auch die bewaffneten Gruppen selbst zur Achtung der internationalen, humanitären Völkerrechte verpflichtet sind. Während zwar einer­seits die Frage noch nicht abschließend geklärt ist, ob bewaffnete Gruppen im Falle von Verstößen gegen die internationalen Völkerrechte vollständige Reparationen leisten müssen oder nicht,[38] hat sich in der Praxis doch gezeigt, daß solche Gruppen in einem gewissen Maß sehr wohl für angemessene Entschädigungen zu sorgen haben.[39]

Kapitel 3: Die Logik der israelischen Angriffe

Die israelische Regierung behauptete mehrfach, bei der Durchführung ihrer Angriffe während des gesamten Konfliktes mit dem Libanon allen Vorgaben internationalen Rechts jederzeit in vollem Umfang entsprochen zu haben. Dies gelte auch für das Prinzip der Unterscheidung (die Differenzierung zwischen zivilen und militärischen Zielen) und die Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit. Letztere stellt sicher, daß Angriffe im Verhältnis zum wahrscheinlichen, konkreten und direkten militärischen Vorteil keine übermäßigen Schäden verursachen. Israelische Offizielle erklärten gegenüber amnesty international, daß sämtliche Zielobjekte vor Beginn eines Angriffs durch internationale Fachberater für humanitäre Völkerrechte genau geprüft wurden und daß etwaige zivile Verluste und Zerstörungen im Libanon entweder legitimen Kollateralschäden oder Fehlern zuzurechnen seien.

Letztlich beschuldigte die israelische Regierung jedoch die Hisbollah, den Konflikt ausgelöst zu haben und macht diese für die zivilen Verluste verantwortlich, die durch Angriffe der israelischen Armee zustande kommen. Sie behauptet, daß die Hisbollah absichtlich Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ vorgeschoben habe, wodurch es für die israelischen Streitkräfte kaum möglich gewesen sei, die Tötung und Verletzung von Zivilisten zu vermeiden. So erklärte Brigadegeneral Amis Eshel, Generalstabschef der israelischen Luftwaffe, zum Beispiel nach dem Angriff vom 30. Juli (siehe unten), bei dem mindestens 28 Zivilisten in einem Haus in Qana starben, die israelischen Militäroperationen wie folgt:

„Militäroperationen sind etwas sehr Kompliziertes. Wir sprechen über hunderte Raketenwerfer und eine große Zahl weit über den Libanon verteilter Raketen, wobei alle Typen, von Kurz- bis Langstreckenwaffen vertreten sind. Wir versuchen, die Elemente dieses Potentials möglichst häufig zu treffen und damit letztlich die Zahl der Attacken auf uns und ihre Genauigkeit zu mindern. Darauf konzentrieren wir uns. Unsere Strategie zielt auf die zur Abfeuerung von Raketen ineinandergreifende Aktionskette ab, auf die Menschen, die sich ihrer bedienen, auf die dahinter stehende Logistikkette und die Kommando­zentralen, die diese Geschützkräfte steuern. Wir sprechen über eine hochent­wickelte Militärorganisation, die verschiedene Waffentypen zum Einsatz zu bringen vermag, ich möchte tatsächlich fast behaupten, es handelt sich um eine regelrechte Armee. Ein anderer Punkt, mit dem wir uns befassen, ist die Zerschlagung der operationalen Kapazitäten des Gegners. Wir suchen dies zu erreichen, indem wir die Routen kappen, die er benutzt, und indem wir in die Abschußzonen feuern, um den reibungslosen Verlauf seiner Operationen so weit wie möglich zu verhindern oder zu zerstören.“[40]

Für amnesty international ist klar, daß die Bekämpfung einer Guerillagruppe, die ihre Basen in der Zivilbevölkerung unterhält, besondere Probleme aufwirft. So ist es zum Beispiel nicht leicht, Waffen innerhalb ziviler Gebäuden ausfindig zu machen, diese zu zerstören und etwaige Schäden für Zivilisten dabei möglichst geringzuhalten. Solche Anforderungen sind in den Regeln der internationalen Völkerrechte jedoch durchaus berücksichtigt. Folglich können operationale Probleme bei der Bekämpfung irregulärer Truppen nicht als Rechtfertigung für eigene, nicht differenzierende oder unverhältnismäßige Angriffe, unterlasse Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivil­bevölkerung oder für andere gravierende Völkerrechtsverstöße herangezogen werden.

Auch Guerillatruppen dürfen sich nach den internationalen, kriegsrechtlichen Bestimmungen nur bestimmter Taktiken bedienen. Hier gilt gleichermaßen, daß die besonderen Anforderungen im Kampf gegen übermächtige, besser ausgerüstete und organisierte, staatliche Kräfte keine Entschuldigung für gravierende Verstöße gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte bieten können.

In einem Informationsgespräch mit amnesty international erklärten israelische Militärvertreter, daß ihren Truppen während der gesamten Kampagne nur zwei grobe Fehler unterlaufen seien – zum einen der Angriff auf eine UN-Posten bei al-Khiam, der vier UN-Beobachter das Leben kostete und zweitens die Attacke auf ein Gebäude in Qana, bei dem 28 Zivilisten starben. Wohl um der Aufmerksamkeit und Besorgnis auf internationaler Ebene zu begegnen, gab die israelische Regierung zu beiden Fällen eine öffentliche Stellungnahme ab. Die angebotenen Erklärungen, blieben jedoch un­zureichend und ließen wichtige Fragen unbeantwortet.

Angriffe auf einen UN-Posten bei al-Khiam auf ein Haus in Qana

Nachdem Umgegend der Beobachterposten der Vereinten Nationen bei al-Khiam tags zuvor unter ständigem Artilleriefeuer gestanden hatte, wurde am 25. Juli das Gebäude selbst von einem direkten Luftschlag der israelischen Armee getroffen. Die Vereinten Nationen gaben an, daß ihre Belegschaft über Stunden hinweg mehrfach mit den israelischen Offiziellen in Kontakt gestanden und darum gebeten hatte, daß die israelischen Truppen ihre Angriffe in der Nähe des UN-Postens einstellten. Nach UNIFIL-Berichten kamen 21 Einschläge im Abstand von bis zu 300 Metern und 12 Artillerieladungen im Abstand von bis zu 100 Metern von der Basis entfernt nieder. Vier davon schlugen direkt in das Gebäude ein.[41]

Am folgenden Tag erklärte der UN-Sicherheitsrat, daß er durch den Angriff „tief geschockt und erschüttert“ sei und forderte die israelische Regierung auf, eine umfassende Untersuchung des Vorfalls durchzuführen. Ebenfalls am 26. Juli gaben die israelischen Streitkräfte bekannt, daß sie in der Gegend von al-Khiam operierten, „von wo aus die Hisbollah Raketen gegen Israel abfeuert“.


 

Angriffe auf einen UN-Posten bei al-Khiam - Fortsetzung

Die israelische Regierung äußerte ihr Bedauern über den Vorfall und sagte, daß „eine vollständige Untersuchung in enger Zusammenarbeit mit der UN auf dem Weg“ sei.[42] Eine gemeinsame Untersuchung mit der UN lehnte der Staat Israel jedoch ab - und machte keine Angaben über die Art der Untersuchung, die er selbst durchführte oder wie deren Ergebnisse lauteten. Nachdem sich der Untersuchungsausschuß der UN des Vorfalls angenommen hatte, erklärte das Büro des Generalsekretärs:

„Der Untersuchungsausschuß stellt fest, daß die israelischen Behörden die volle Verantwortung für den Vorfall anerkennen, den sie als Fehler „auf operativer Ebene“ bezeichnen und für den sie sich bei den Vereinten Nationen entschuldigten. Der Ausschuß hatte keinen Zugang zu IDF-Kommandanten der operationalen oder taktischen Ebene. Er war insofern nicht in der Lage, festzustellen, warum die Angriffe auf den UN-Posten – trotz wiederholter Vorsprachen von UN-Vertretern bei den israelischen Behörden sowohl im Kampfgebiet wie auch in den Hauptquartieren – nicht gestoppt werden konnten.“[43]

Angriff auf ein Haus in Qana

Am 30. Juli starben bei einem israelischen Angriff auf ein dreistöckiges Haus in Qana mindestens 28 Zivilisten, die meisten davon Kinder, die sich dort versteckt hielten (sämtliche Einzelheiten hierzu siehe Kapitel 4).

Zunächst hatten israelische Offizielle behauptet, daß man auf den Abschuß von Katjuschas aus der Umgegend des Ortes reagiert habe und daß der Einsturz des Hauses wohl eher der Explosion dort gelagerter Hisbollah-Waffen zu danken sei, als einem israelischen Angriff.[44]

Drei Tage später, am 2. August 2006, verkündeten israelische Offizielle den Abschluß einer diesbezüglichen Untersuchung und erläuterten, daß „der Beschuß des Gebäudes in Einklang mit den Militärrichtlinien zum Feuereinsatz gegen verdächtige Strukturen innerhalb von an Gebiete grenzende Ortschaften erfolgte, aus denen zuvor Raketen in Richtung Israel abgefeuert und deren Einwohner zur Evakuierung aufge­fordert worden waren,”. Nach ihren Informationen sei „das Gebäude von Terroristen als Versteck genutzt worden.” Zivilisten hätten sich keine darin befunden.

Angriffe auf einen UN-Posten bei al-Khiam auf ein Haus in Qana - Fortsetzung

In der genannten Stellungnahme wurde zudem festgehalten, daß der Generalstabschef der israelischen Armee „befohlen hat, die Richtlinien zur Eröffnung des Feuers auf verdächtige Ziele zu überprüfen und umgehend auf den neusten Stand zu bringen.” [45]

In beiden Fällen gab die israelische Regierung keine Auskunft über Methoden und Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Untersuchungen. Und auch zur Art der Fehler, die ihrer Meinung nach gemacht wurden, oder dazu, ob die für diese Fehler Verantwortlichen identifiziert werden konnten, äußerte sie sich nicht. Zudem ließen die israelischen Behörden nicht erkennen, ob eine Überarbeitung der Richtlinien zur Eröffnung des Feuers, wie am 2. August 2006 verkündet, stattgefunden hat und, so dies geschehen sein sollte, wie deren Ergebnisse lauten.

Auch in bezug auf andere Vorfälle bedauerte die israelische Regierung regelmäßig und ausdrücklich die durch Angriffe ihrer Streitkräfte verursachten, zivilen Verluste – und gab ansonsten die der allgemeinen Politik des Staates entsprechenden Stellung­nahmen ab. Hinsichtlich nahezu aller weiteren Fälle, waren keinerlei Angaben über die Vorkommnisse im Einzelnen, wie die beabsichtigten Ziele, Überlegungen zur Proportionalität oder die zum Schutz von Zivilisten getroffenen Vorkehrungen erhält­lich. Soweit amnesty international dies für die in diesem Bericht enthaltenen Fälle feststellen konnte, deutete die Beweislage vor Ort zum Zeitpunkt der Angriffe nicht auf militärische Aktivitäten der Hisbollah in den betroffenen Gebieten hin. Insofern wären detaillierte Angaben zu den oben erwähnten Elementen für eine Bewertung der Rechtmäßigkeit dieser Angriffe von besonderer Wichtigkeit.

Die israelische Armee verfügt über hochentwickelte Aufklärungssyteme, vor allem unbemannte Drohnen, die sie während des Konfliktes über dem Libanon auch intensiv nutzte. Angesichts dieser Tatsache klingen die Behauptungen von offizieller israelischer Seite, daß man über die Anwesenheit von Zivilisten in den Zielgebieten nicht informiert gewesen sei, besonders besorgniserregend.

‘Ainata, 19. Juli 2006

Am 19. Juli 2006 wurde das Haus der Familie Wehbe in der Ortschaft ‘Ainata gleich zwei Mal getroffen. Der 85-jährige Mousa Wehbe und sein älterer Nachbar Hussein Samhat starben. Kurz darauf schlug eine Rakete in ein anderes Haus ein und tötete Mousa Darwish, seine 17 Jahre alte Tochter Amal und dessen Nichten Zainab, 17, und Salwa, 20, sowie die äthiopische Haushälterin der Familie, Alawiya Muzammal Awali.

‘Ainata, 19. Juli 2006 – Fortsetzung

Mousa Darwish's andere Tochter und sein Sohn und wurden bei dem Angriff schwer verletzt - die 18-jährige Himyam lag 10 Tage lang im Koma und erlitt Gedächtnis­verluste, ihr jüngerer Bruder Mahmoud wird seine Beine nie wieder bewegen können.

Das Haus war etwas abseits der Ortsmitte in einer Siedlung eingeschossiger, durch Obstgärten voneinander abgetrennter Häuser gelegen. Mousa Darwish's Halbbruder Samih, der direkt neben dem zerstörten Haus wohnt, erklärte amnesty international:

„Hier war nichts, es gibt hier keine Widerstandsbewegung. Hier leben nur wir, unsere Familie. Auch die Straße endet hier, also kommt hier noch nicht mal jemand durch und wir sind über alles im Bilde, was geschieht. Es gab keinen Grund uns zu bombardieren.“

Auch die allgemein gehaltenen Erläuterungen ihrer Vorgehensweisen sowie die israelischen Interpretationen internationaler Rechtsvorgaben, die die israelischen Behörden veröffentlicht oder mit amnesty international diskutiert haben, geben Anlaß zu erheblichen Bedenken.

So wurde amnesty international zum Beispiel während eines Informations­gesprächs mit israelischen Militärvertretern erzählt, daß wenn israelische Soldaten, einen Mann beim Zünden einer Rakete beobachten und ihn danach in ein Haus gehen sehen, daß sie dieses Haus dann ohne weitere Nachfrage angreifen dürfen. amnesty international hält eine solche Reaktion für unverhältnismäßig. Die bloße Tatsache, daß ein Kampfteilnehmer ein Haus betritt, berechtigt nicht automatisch zur Attacke dieses Hauses. Wer das Gebäude angreift, um einen Kombattanten zu töten, ohne den Versuch, erst einmal zu klären, ob sich nicht etwa Zivilisten dort aufhalten, verstößt gegen das Verbot unverhältnismäßiger Angriffe.

Ernste Besorgnis wecken auch verschiedene öffentliche Stellungnahmen aus der politischen und militärischen Führungsriege Israels, die darauf hinwiesen, daß die israelischen Truppen alle Zivilisten, die nicht aus dem Südlibanon geflohen waren, als legitime Zielobjekte betrachteten. Am 27. Juli äußerte der israelische Justizminister Haim Ramon: „All jene, die sich jetzt noch im Südlibanon aufhalten, sind Terroristen, die auf die eine oder andere Art mit der Hisbollah in Verbindung stehen.“[46] Er erklärte weiter: „Ein Dorf wie Bint Jbeil, in dem die Einwohner zur Evakuierung aufgefordert wurden und fortgegangen sind, wo also nur noch die Scharfschützen der Hisbollah zurückgeblieben sind, sollte aus der Luft und durch die Artillerie in Grund und Boden gehämmert werden, bevor die Truppen dort eintreffen.“[47] Am selben Tag ließ Dan Halutz, Generalstabschef der IDF, auf einer Pressekonferenz verlauten: „Bint Jbeil wurde von der Luft aus und durch die Artillerie in dem Maß bombardiert, das wir für ausreichend hielten. Die humanitäre Frage stellte sich hier nicht, weil Bint Jbeil von Zivilisten entleert war und sich von innen wie außen fest in Hisbollah-Hand befand.“[48]

Bint Jbeil war jedoch keineswegs von „Zivilisten entleert“. Am 31. Juli und am 1. August, als Journalisten und das ICRC den Ort während einer zweitägigen Feuerpause besuchten, zeigten die Medien Bilder von Toten und Überlebenden, die aus den Trümmern ihrer Häuser gezogen wurden. Drei Journalisten erzählten amnesty international, daß sie eine verzweifelte, mit bloßen Händen im Schutt grabende Frau trafen, die sie angefleht hatte, bei der Suche nach ihrer Schwester zu helfen. Das taten sie und konnten letztlich zwei ältere Frauen, von denen eine bettlägerig und behindert war, und deren noch älteren Bruder noch lebend bergen. Die drei, alle über siebzig, waren über eine Woche unter den Trümmern ihres Hauses im Zentrum von Bint Jbeil eingeschlossen gewesen.

Die Befürchtung ähnlicher Vorfälle weckten die Texte der Flugblätter, die die israelische Luftwaffe mehrfach über dem Südlibanon abwarf, um die Bevölkerung vor näher rückenden Angriffen zu warnen und zur Evakuierung aufzufordern. Besonders zu hinterfragen wäre in diesem Zusammenhang das Flugblatt vom 7. August 2006. Es verkündet, daß „alle Fahrzeuge jedweder Art, die südlich des Flusses Litani unterwegs sind, aufgrund des Verdachts des Transports von Raketen, militärischem Equipment oder Terroristen bombardiert werden“. Hier liegt ein ganz offensichtlicher Bruch der Prinzipien der Unterscheidung und der Vermutung des zivilen Status vor. Ein laut dieser Drohung umgesetzter Angriff wäre ein nicht differenzierender Angriff, der ebenso als direkter Angriff auf Zivilisten gewertet werden kann.

Andere Flugblätter und Angriffsmuster lassen die Annahme zu, daß israelische Truppen bestimmte Fahrzeugtypen wie Laster, Lieferwagen und Motorräder bewußt unter dem Verdacht ins Visier nahmen, daß sie von Kämpfern der Hisbollah benutzt werden. Ein Flugblatt vom 25. Juli statuiert, daß „offene und geschlossene LKWs“ allein aufgrund dieses Verdachtes bombardiert werden könnten. amnesty international dokumentiert in Kapitel 4 zwei tödliche Luftschläge gegen einen Bäckereilaster und einen Motorradfahrer. Beide ereigneten sich am 6. August 2006 auf Straße nach Tyre in der Nähe eines Konvois der Vereinten Nationen.

Von amnesty international im September 2006 zu dieser Art Angriff befragt, erklärten israelische Offizielle, daß in den meisten Fällen dienstliche Informationen vorgelegen darüber hätten, daß die attackierten Fahrzeuge in „Hisbollah-Mission“ unterwegs gewesen seien. Die Befragten deuteten allerdings auch an, daß LKWs, die sich noch auf den Straßen befanden, nachdem die Bevölkerung gewarnt worden war und die meisten Menschen das Gebiet verlassen hatten, als legitimes Ziel betrachtet wurden, insbesondere auf Strecken wie der Hauptverbindungsstraße des Libanon mit Syrien. amnesty international ist davon überzeugt, daß jeder Angriff, bei dem nicht die konkreten Umstände eines jeden einzelnen Falles in Betracht gezogen wurden, gegen die Vermutung des zivilen Status verstoßen hat und somit den Tatbestand eines nicht differenzierenden Angriffs, möglicherweise auch eines direkten Angriffs auf Zivilisten erfüllt.

Eine Flucht bedeutete für die Zivilbevölkerung jedenfalls keine Garantie ihrer Sicherheit. Israelische Truppen griffen Zivilisten an, die ihre Dörfer verlassen hatten und nach Norden unterwegs waren, obwohl diese den Anweisungen der israelischen Militärbehörden folgten, die durch Luftflugblätter und mit anderen Mitteln verbreitet worden waren. Israel hat bislang keine adäquate Erklärung dafür abgegeben, wie die einzelnen Vorfälle, die zur Tötung unbewaffneter Zivilisten führten, unter solchen Umständen zustande kommen konnten.

Auf der Flucht attackiert

„Die Armee sagte uns, daß wir das Dorf verlassen sollen, aber die, die es taten, wurden daraufhin bombardiert und getötet. Warum? Ein Wagen voller Kinder!“

So schildert ein Angehöriger der Familie ‘Abdallah sein Unverständnis und seine Verzweiflung. Er hatte den Angriff überlebt, den israelische Truppen auf einen Konvoi von Familien, die aus dem Dorf Marwahin geflohen waren, gestartet hatten. Dieser Angriff vom 15. Juli hinterließ 23 tote Zivilisten, mehrheitlich Kinder. Die Einwohner von Marwahin hatten ihr Dorf geräumt, weil israelische Soldaten sie per Megaphon dazu aufgefordert hatten. Der Überlebende sagte:

„Von der Nähe des Grenzzauns aus beschuldigten uns israelische Soldaten, dem Widerstand zu helfen. Sie sagten, daß wir den Ort verlassen müssen. Aber wir haben mit dem Widerstand nichts zu tun. Es gab nur einen Hisbollah-Kämpfer in unserem Dorf und dem machten wir klar, daß wir Waffen im Dorf oder Attacken aus dem Umland des Dorfes nicht wünschen.“

Als der Flüchtlingskonvoi die Gegend zwischen Shama’a und Bayada erreicht hatte, geriet er in ein anhaltendes Sperrfeuer, das offenbar von einem Kriegsschiff der israelischen Marine und von Hubschrauberkommandos ausging. Es macht wütend, zu lesen, wie hoch der Blutzoll allein bei diesem einen Vorfall lag.


 

Die Liste der Toten von Marwahin:

·      Zahra Fares ‘Abdallah, 45, Mutter von 10 Kindern, ihr Sohn Hedi, 6, und ihre Tochter Mirna,

·      Sana’ Muhammad ‘Abdallah, 30, und fünf ihrer Kinder – ‘Ali, 15, Muhammad, 13, Hussein, 12, Hassan, 10 und Lama, 2,

·      Muhammad Mousa Ghannam, 47, seine 35-jährige Ehefrau Suha und ihre sechs Kinder Qasem, 16, Mustapha, 15, Hussein, 11, Fatima, 14, Zainab, 10 und Do’a, 7,

·      Mariam Brahim ‘Abdallah, 27, und ‘Ali Kamil ‘Abdallah, 55, sein 17-jähriger Sohn Muhammad, seine alte Mutter Subha Hassan ‘Abdallah sowie die beiden älteren Schwestern Latifa and Fawzia Abu Hadla.

Viele weitere Menschen wurden schwer verletzt, darunter auch ein älterer Mann namens Mousa Touhan Seif, der beide Beine verlor.

Zusätzlich besorgniserregend ist die israelische Interpretation des Begriffs des militärischen Vorteils in bezug auf die Verhältnismäßigkeit. Israel behauptet, daß der militärische Vorteil „nicht in einem einzelnen Angriff, sondern in der Militäroperation als ganze zu sehen ist.“[49] Israelische Sprecher deuteten amnesty international gegen­über an, daß die einfache Tatsache, daß bestimmte Objekte, wie Elektrizitätswerke und Tankstellen, auch einen militärischen Nutzen haben, dazu führe, daß diese ihrer Ansicht nach als legitime Zielobjekte einzustufen sind.

Diese Definition ist zu weit gegriffen. Ein legitimer, militärischer Vorteil kann nicht dergestalt sein, daß er nur einen potentiellen oder unbestimmten Vorteil bietet, sonst könnte diese Interpretation zur Rechtfertigung tatsächlich aller Attacken heran­gezogen werden, weil nahezu jedes zivile Objekt potentiell auch militärisch genutzt werden könnte, selbst Nahrungsmittel und Wasser. Stattdessen müssen militärischer Vorteil und wahrscheinliche Schäden für Zivilisten in Balance gehalten werden. Die militärischen Truppen sind daher verpflichtet, von Angriffen abzusehen, bei denen die Schäden auf der einen Seite den Vorteil für die andere Seite überwiegen.

Die Muster und Reichweite der israelischen Angriffe auf die Infrastruktur des Libanon, gepaart mit den Stellungnahmen israelischer Offizieller, spiegeln diese über­dehnte Interpretation des Konzepts des militärischen Vorteils deutlich wider. Einige Angriffe waren offenkundig darauf angelegt, der libanesischen Bevölkerung eine Art kollektiver Bestrafung zukommen zu lassen, um einerseits die libanesische Regierung gegen die Hisbollah aufzubringen und andererseits die militärischen Möglichkeiten der Hisbollah selbst zu schwächen.[50] In diesem Zusammenhang führte die israelische Armee anscheinend auch direkte Angriffe auf zivile Objekte durch, wie etwa bei der Zerstörung von Industrieanlagen und des kleinen Hafens von of al-Ouza’i mit seinen Fischerbooten (siehe Kapitel 5).

Die möglicherweise strafende Natur der Angriffe auf die Infrastruktur des Libanon zeigt sich auch in den Stellungnahmen israelischer Offizieller. Während der ersten Kriegstage, kurz nach Gefangennahme der beiden israelischen Soldaten durch die Hisbollah, erklärte IDF-Generalstabschef Halutz, daß: „Wenn die Soldaten nicht zurückgegeben werden, wird die Uhr im Libanon um 20 Jahre zurückgestellt.“[51] Laut der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post drohte ein hochrangiger Offizier der IDF, daß Israel die libanesischen Elektrizitätsanlagen zerstören werde, wenn Kämpfer der Hisbollah Langstreckenraketen auf strategische Einrichtungen in Nordisrael ab­feuerten.[52] Am 24. Juli 2006 erklärte ein hochrangiger Offizier der israelischen Luft­waffe auf einer Pressekonferenz gegenüber Reportern, daß Generalstabschef Halutz das Militär angewiesen habe, für jeden Hisbollah-Raketenschlag auf die Stadt Haifa[53] zehn Gebäude in Beirut zu zerstören. Laut New York Times sagte Halutz, daß die Luftangriffe dem Zweck dienten, libanesische Offizielle unter Druck zu halten und der libanesischen Regierung die Botschaft zu vermitteln, daß sie die Verantwortung für die Aktionen der Hisbollah zu tragen habe. [54]

In jedem Fall scheint es wahrscheinlich, daß ein Großteil der Zerstörung der Infrastruktur des Libanon durch Israel eher die fliehende Zivilbevölkerung und die Konvois humanitärer Hilfsorganisationen trafen, als daß sie Hisbollah-Akteure daran gehindert hätten, ihre Kämpfer oder deren Ausrüstung zu transportieren.

Jiyye – eine Umweltkatastrophe

Die israelische Bombardierung des Kraftwerks von Jiyye vom 13. und 15. Juli wirkte sich verheerend auf die Umwelt, die Wirtschaft des Landes und die Lebensumstände der dort lebenden Menschen.

Zwischen 10.000 und 15.000 Tonnen Öl quollen ins Meer. Weitere 55.000 Tonnen verbrannten und verbreiteten dicken Rauch mit herunterfallenden Öltropfen über ein weites Areal.

Jiyye – eine Umweltkatastrophe                                                             – Fortsetzung

Der Ölschlamm bedeckte in variierender Stärke gut 120 Kilometer der Mittel­meerküste. Große Teile des Meeresbeckens wurden verseucht. Die Ökosysteme der See und der Küste, einschließlich der Vögel und Fische, wurden stark geschädigt.[55]

‘Abd al-Razaq al-Eitani, Direktor des Kraftwerks, erklärte gegenüber amnesty international, daß am 13. Juli der erste Tank mit 10.000 Tonnen Öl durch einen Luft­schlag zerstört wurde. Zwei Tage später wurde der 15.000-Tonnen-Tank getroffen. Dieser setzte einen weiteren Behälter mit 25.000 Tonnen Öl in Brand. Ein Mensch wurde bei den Angriffen leicht verletzt und verschiedene weitere Personen, auch er selbst, trugen Rauchvergiftungen davon.

Nach Schätzungen der libanesischen Regierung wird es 10 Jahre dauern, bis die betroffenen Gebiete sich vollständig erholt haben. Die UN schätzten die Kosten für eine erste Aufräumaktion auf 64 Millionen US$.

Da das Kraftwerk und seine Treibstofftanks direkt am Meer liegen, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß ein Angriff darauf sofortige, verheerende und lang­anhaltende Folgen für die maritime Umwelt mit sich bringen würde. Solche Risiken übersteigen eindeutig jeden anzunehmenden, militärischen Vorteil. amnesty inter­national glaubt, daß die Angriffe auf das Kraftwerk von Jiyye unverhältnismäßig waren. Sie gelten ebenfalls als Verstoß gegen das Verbot von Kriegsmitteln oder Methoden, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu weitverbreiteten, langanhaltenden und schweren Umweltschäden führen.

Zu den israelischen Angriffen, die offenbar über jedes Maß weit hinausgingen, zählen auch die Attacken auf den Südbeiruter Vorort Dhahiyeh, wo die Hisbollah ihr Hauptquartier hatte.

Dhahiyeh wurde mit intensiven und schweren Bombenangriffen von der See her und aus der Luft überzogen, auch nachdem die meisten Einwohner längst geflohen waren. Diese Bombardierungen verursachten massive Schäden – Berichten zufolge wurden rund 250 mehrstöckige Gebäude mit mindestens 4.000 Wohnungen zerstört.[56] Nach Schätzungen verloren zwischen 30.000 und 60.000 Menschen ihre Wohnung.[57] Zwar stellten die im Hisbollah-Hauptquartier gelegenen, militärischen Kommando­zentralen ein legitimes Angriffsziel dar, das Ausmaß der Schäden in dem Stadtteil ringsum läßt jedoch vermuten, daß die israelischen Luftschläge sich gegen jedes Haus richteten, daß auch nur im Entferntesten mit irgendwelchen Aktivitäten der Hisbollah in Zusammenhang gebracht werden konnte. In diesem Sinne handelt es sich hier um direkte Angriffe auf zivile Objekte, die womöglich auch als Mittel zur kollektiven Bestrafung der Einwohner von Dhahiyeh dienen sollten.

Während des gesamten Krieges setzten israelische Streitkräfte den Libanon zu Land, von der See her und aus der Luft heraus unter massiven Beschuß und feuerten dabei fast täglich tausende Granaten ab. Diese Bombardierungen kosteten Zivilisten das Leben und zerstörten deren Wohnhäuser und andere Gebäude, oder machten sie unbrauchbar. Dies mag Bestandteil der Taktik gewesen sein, die die IDF als „in die Abschußzonen feuern, um den reibungslosen Verlauf ihrer [Hisbollah] Operationen so weit wie eben möglich zu stören oder zu unterbrechen.“ beschrieb. [58]

Bei der Bombardierung des Südlibanon durch die Artillerie hat man indes auf eine solche Differenzierung verzichtet. „Im letzten Libanonkrieg feuerten wir wie die Verrückten, ohne uns an irgendwelche Sicherheitsbereiche zu halten“, ließ Berichten zufolge[59] ein Artillerist verlauten. Ein anderer, israelischer Soldat erklärte gegenüber amnesty international, daß seine Artillerieeinheit Anfang August die Zielkoordinaten für eine Reihe libanesischer Dörfer mit dem Zusatz „überfluten“ – dichter Beschuß – erhalten habe. Eines dieser Dörfer sei, wie er glaube, Tayyabah gewesen (siehe auch Kapitel 4).

Die überwiegende Mehrheit der zerstörten oder beschädigten Gebäude, die amnesty international besichtigte, zeigten keinerlei Hinweise darauf, daß sie von Hisbollah-Kämpfern als Versteck oder Waffenlager benutzt wurden. Das Muster der Zerstörungen ließ in den meisten Fällen jedoch die Annahme zu, daß die Grundstücke wohl eher beschossen wurden, um sie außer Stand zu setzen, als in der Absicht dort einzelne Kämpfer zu töten oder versteckte Waffen zu vernichten. Auch hätte die Art der Schäden, die durch Artilleriesperrfeuer an den getroffenen Gebäuden verursacht wurde, in keiner Weise verhindern können, daß die Hisbollah ihre dort gelagerten Waffen gegebenenfalls nicht hätte wieder einsammeln können. In den meisten der besichtigten Häuser konnten die Delegierten amnesty internationals auch keine Brand­reste feststellen. Die hätten jedoch vorhanden sein müssen, wenn in den Gebäuden ein Munitionslager getroffen oder ein etwaiger Brand auch nur durch Feuerprojektile oder andere Munition hervorgerufen worden wäre.

Während der letzten drei Tagen des Konfliktes, als der Waffenstillstand schon vereinbart war, intensivierte Israel seine Luft- und Artillerieangriffe und die Armee setzte vielerorts zusätzlich auch Waffen mit Streusprengkörpern in Wohngebieten ein. Gut vier Millionen dieser Sprengkörper, von denen rund ein Viertel nicht explodierte, wurden über den südlichen Libanon verteilt und kamen – wie in Kapitel 5 illustriert – in Dörfern und Wohnhäusern, auf Feldern, Straßen und in Obsthainen zu Boden.

Die beiden 12-jährigen Schwestern Marwa und Sikne Me’ri sowie der 10-jährige Hassan Tehini erlitten Verletzungen, als am 17. August eine Streubombe in der Nähe ihres Wohnhauses im Dorf ‘Ait al-Sha’b explodierte. Marwa Me’ri erzählte amnesty international, daß sie, Sikne und Hassan beim Spielen auf den Trümmern des Hauses eines Verwandten, daß die israelische Armee zerstört hatte, einen kleinen Gegenstand entdeckten:

„Ich hob die Bombe auf, aber ich wußte nicht, daß es eine Bombe war und Hassan sagte, daß ich das Ding wegwerfen soll. Als ich das tat, explodierte es.“

Die drei Kinder wurden verletzt. Hassan trug schwere Verletzungen am Bauch davon. Marwa und Sikne hatten am ganzen Körper Splitterwunden. Der behandelnde Arzt, der Hassan als erster begutachtete, sagte:

„Die Verletzungen des Jungen waren horrend. Seine Gedärme hingen heraus und wir machten uns große Sorgen, daß wir ihn verlieren würden. Glücklicherweise hat er überlebt.“

Marwa’s Mutter erzählte amnesty international:

„Einen Tag nach Kriegsausbruch nahm ich die Kinder und wir flohen, weil die israelische Armee das Dorf bombardierte. Wir verbrachten einen Monat weit weg von Zuhause und kamen erst am 15. August, dem Tag des Kriegsendes, zurück. Aber unser Haus war zerstört. Jetzt sind wir bei Verwandten untergekommen. Ich dachte, daß wir nun, wo der Krieg vorbei ist, wenigstens in Sicherheit sind. Aber es liegen überall Bomben, die nicht explodiert sind. Wir haben noch nicht mal eine Wohnung und auch der Schulunterricht wird dieses Jahr später beginnen, weil die Schulen und alles im Dorf zerstört wurden, so daß die Kinder oft draußen spielen. Ich bin jedes Mal außer mir vor Sorge, wenn ich sie nicht mehr im Blickfeld habe.“

Streubomben stellen eine erhebliche Gefahr für die Zivilbevölkerung dar. Die Sprengkörper, die sie verteilen, sind sehr klein und verschieden geformt – manche sind so groß wie Tennisbälle, andere gleichen Taschenlampenbatterien. Das macht sie für Kinder attraktiv und durch ihre geringe Größe sind sie viel schwerer zu entdecken als andere nicht explodierte Munition.

Wohl noch über Jahre wird die große Zahl nicht explodierter Sprengkörper im Libanon weitere Menschen ohne jeden Unterschied töten und verstümmeln. Israel verteidigte seinen Einsatz von Streubomben mit der Aussage, daß solche Waffen nach internationalem Recht legal seien und daß man sich „energisch bemüht“ habe, zivile Verluste zu vermeiden. Streubomben unterliegen dem internationalen, humanitären Völkerrecht jedoch in gleicher Weise wie jede andere Waffe auch. Der massive Ein­satz dieser Waffen in bewohnten Gebieten reicht insofern eindeutig an den Tatbestand eines nicht differenzierenden Angriffs heran.

amnesty international stellte zudem gewisse Zerstörungsmuster fest, die die israelischen Angriffe hinterließen. Diese deuten darauf hin, daß die israelischen Streitkräfte auch solche Objekte bewußt ins Zielvisier genommen haben, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unerläßlich sind, inklusive Supermärkte und andere Lebensmittelverteilungsstellen, sowie Tankstellen und Wasserpumpen. Die Wirkkraft dieser Zerstörungsmusters wurde durch die See- und Luftblockade, die von Beginn des Krieges an bis fast vier Wochen nach dem Waffenstillstand über den Libanon verhängt war, noch verstärkt. Die israelische Regierung hält an der Behauptung fest, daß diese Blockade notwendig gewesen sei, um Waffen- und andere Lieferungen an die Hisbollah zu verhindern und daß man deren Aufhebung nach dem Waffenstill­stand hinausgezögert habe, um den Aufmarsch der internationalen Friedenstruppen abzuwarten, die dann eine Wiederbewaffnung der Hisbollah von der See her und aus der Luft zu verhindern hätten.

Zwar sind solche Blockaden nach internationalem, humanitärem Völkerrecht nicht verboten, sie dürfen jedoch die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Nahrungs­mitteln und anderen essentiellen Gütern nicht unterbinden. Die israelische Blockade führte jedoch dazu, daß lebenswichtige Lebensmittellieferungen und humanitäre Hilfe die bedürftigen Menschen nur schwer oder gar nicht erreichten. Sie könnten daher so­wohl als Form der Kollektivstrafe wie auch als Mittel zur Behinderung militärischer Operationen der Hisbollah angeordnet worden sein.

Es ist dringend erforderlich, daß sämtlichen Informationen, die auf Verstöße gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte hinweisen – wie etwa die in diesem Bericht präsentierten Beweise – gründlich nachgegangen wird. Eine Unter­suchung ist notwendig, um die für solche Verstöße, inklusive Kriegsverbrechen, Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, die Opfer umfassend zu entschädigen und neue Vorgehensweisen und andere Maßnahmen umzusetzen, die eine Wiederholung solcher Vergehen in Zukunft verhindert.

Kapitel 4: Zivilisten unter Beschuß

Eingeschlossen und terrorisiert

„Es war gefährlich, auf den Straßen unterwegs zu sein, aber es war ebenso gefährlich zuhause zu bleiben.“ Ein Überlebender aus der Familie ‘Awada, die am 17. Juli neun Angehörige beim Einschlag einer israelischen Rakete in ihre Wohnhaus verlor.

Die von Kriegsbeginn an hohe Frequenz der israelischen Bombardierungen bewirkte, daß sich innerhalb nur weniger Tage der größte Teil der halben Million Einwohner des Südlibanon sowie zehntausende Besucher des Landes in den Norden flüchteten. Viele waren jedoch tage- oder wochenlang in ihren Dörfern gefangen und bis zu 120.000 Menschen blieben, solange der Konflikt anhielt, in den Dörfern und Städten des südlichen Libanon den israelischen Bombardierungen ausgesetzt. [60]

Einige konnten aufgrund ihres Alters oder ihrer Behinderungen nicht fliehen. Manche wollten die Gegend zwar verlassen, befürchteten aber, daß eine solche Reise zu gefährlich sei oder sie verfügten nicht über die finanziellen Mittel. Wieder andere wollten ihre Häuser nicht im Stich lassen.

Mit dem ersten Kriegstag begann die Flucht der Menschen aus ihren Dörfern. Doch die israelischen Angriffe auf Flüchtlingsfahrzeuge aus der Ortschaft Marwahin vom 15. Juli 2006 (siehe Kapitel 3) und die weitverbreiteten Attacken auf die Straßen und andere Infrastruktur hielt offenbar viele zunächst von der Flucht ab. Am 30. Juli verkündete Israel eine 48-stündige Luftangriffspause ab dem folgenden Tag. Etliche der noch anwesenden Einwohner der südlichen Dörfer ergriffen jetzt die Chance zur Flucht. Am Ende der Feuerpause waren viele Dörfer weitgehend geräumt.

In der zweiten Konfliktwoche warf die israelische Luftwaffe Flugblätter über dem Süden ab und wies die Libanesen zur Evakuierung an. Dabei wurden grundsätz­lich keine bestimmten Orte benannt. Stattdessen forderte Israel alle südlich des Litani lebenden Menschen auf, ihre Heimatorte vollständig zu räumen.

Zu diesem Zeitpunkt war es für die betroffenen Einwohner äußerst schwierig geworden, die Gegend zu verlassen. Viele Routen waren nicht mehr passierbar und die israelischen Angriffe auf Fahrzeuge, die auf den noch intakten Straßen unterwegs waren, gestalteten ein Fortkommen zunehmend gefährlich.

Die Blockade und die gezielten Angriffe israelischer Streitkräfte auf die Treib­stofflager und Tankstellen führten zu Benzinengpässen. Die meisten Tankstellen, die noch nicht zerstört oder ausverkauft waren, blieben geschlossen, weil die Eigentümer einen Angriff fürchteten. Dadurch fehlte selbst jenen, die ein Fahrzeuge hatten, oft das Benzin für die Flucht.

Für Flüchtlinge ohne Auto stiegen – aufgrund der Benzinknappheit und der unterwegs drohenden Gefahren – die Preise für selbst kurze Reisen dramatisch an. Flugticketpreise kletterten ins Unermeßliche. Landbewohnern, die sich eine solche Reise noch leisten konnten, gelang es oft nicht, mit der nächsten Stadt in Kontakt zu treten, um den Transport zu organisieren. Durch israelische Bombardements waren die Telefon- und Stromnetze zu diesem Zeitpunkt bereits außer Stand gesetzt. Die Busverbindungen in die Städte existierten nicht mehr. Handy-Akkus konnten nicht mehr an der Steckdose aufgeladen werden, wenn sie erst einmal leer waren.

Die von der israelischen Armee abgeworfenen Flugblätter forderten ursprüng­lich jeden auf, das gesamte Gebiet südlich des Flusses Litani – Heimat von etwa 500.000 Menschen – zu verlassen. Später folgende Flugblätter warnten, daß in dieser Gegend sämtliche Fahrzeuge jedweder Art, unter Beschuß genommen würden. So wurden Zivilisten in die unmögliche Lage versetzt, daß sie – egal, ob sie blieben oder fortgingen – in jedem Fall ihr Leben riskierten. Wie die Attacke vom 11. August 2006 auf die aus dem Dorf Marjayoun abreisenden Zivilisten zeigt, bot es keinerlei Sicher­heitsgarantie, Teil einer Fahrzeugkolonne zu sein, auch wenn dies mit den israelischen Streitkräften koordiniert war (siehe unten).

 

 

An die in den Dörfern südlich des Flusses Litani lebenden Einwohner

Aufgrund terroristischer Operationen, die von Ihrem Dorf und Ihren Wohnungen aus gegen den Staat Israel durchgeführt werden, sind die israelischen Streitkräfte gezwungen, diese Aktivitäten sofort und selbst innerhalb Ihrer Dörfer zu beantworten.

Zu Ihrer eigenen Sicherheit!!!

Wir fordern Sie auf, Ihre Dörfer sofort in nördlicher Richtung des Flusses Litani zu verlassen! [61]

 

 

An das libanesische Volk           Beachten Sie diese Anweisungen!!

Die IDF (Israeli Defence Forces / israelische Armee) wird ihre Aktivitäten verstärken und das gesamte Areal, aus dem Raketen auf den Staat Israel abgefeuert werden, unter schweres Bombengeschütz setzen.

Jeder, der in diesen Gebieten anwesend ist, gefährdet sein Leben!

Zusätzlich wird jeder offene oder geschlossene LKW, der südlich des Flusses Litani unterwegs ist, des Raketen- und/oder Waffentransports verdächtigt und könnte bombardiert werden.

Seien Sie sich darüber im Klaren, daß jeder, der sich in einem offenen oder geschlossenen LKW auf die Straße begibt, sein Leben gefährdet.

Der Staat Israel [62]

 

An die libanesischen Zivilisten südlich des Flusses Litani

Lesen Sie diese Ankündigung aufmerksam und folgen Sie den Befehlen

Die IDF wird ihre Einsätze verstärken und mit großer Kraft gegen die Terrorgruppen vorgehen, die Sie als menschliche Schutzschilde mißbrauchen und die Raketen aus Ihren Wohnungen auf den Staat Israel abfeuern.

Sämtliche Fahrzeuge aller Art, die südlich des Flusses Litani unterwegs sind, werden aufgrund des Verdachtes Raketen, militärische Ausrüstung und Terroristen zu transportieren, bombardiert.

Jeder, der sich in irgendeiner Art Fahrzeug auf die Straße begibt, bringt sein Leben in Gefahr.

Der Staat Israel [63]

Diese Flugblätter erreichten nicht alle Dörfer. Mancherorts wurden die Blätter erst abgeworfen wurden, als die Bomben längst gefallen waren.[64] In den von amnesty international besuchten Dörfern sagten viele Menschen aus, daß sie nie ein Flugblatt zu Gesicht bekommen hatten. Libanesische und internationalen Radio- und Fernseh­anstalten machten die Inhalte dieser Flugblätter ebenfalls weithin publik. Doch hatten die Menschen in einigen Gebieten den Anschluß an die Außenwelt über Medien und Kommunikationswege schnell verloren, weil Radio- und Fernsehsender sowie Strom- und Kommunikationsnetzwerke längst durch israelische Angriffe zerstört waren.

Andere Personen, die Flugblätter gesehen oder davon gehört hatten, in denen stand, daß die israelischen Streitkräfte jene Gebiete bombardieren würden, aus denen Raketen abgefeuert wurden, kamen – weil sie wußten, daß sich in näherer Umgebung Ihres Dorfes keine Raketenabschußrampe befand – zu dem Schluß, daß es sicherer sei zuhause zu bleiben. Außerdem glaubten sie, daß sie unterwegs womöglich unabsicht­lich in Gebiete gelangen könnten, aus denen Raketen abgefeuert wurden oder in denen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Truppen und Hisbollah-Kämpfern im Gange waren.

In manchen Dörfern wie ‘Ainata, ‘Aitaroun and Bint Jbeil, in deren Umland die israelische Armee von Beginn des Konfliktes an präsent war, sahen sich die Ein­wohner plötzlich von Kämpfen um ihre Dörfer herum eingeschlossen. Andernorts waren den Menschen zwar klar gewesen, daß israelische Truppen in den Südlibanon vorgedrungen waren, um die Hisbollah zu bekämpfen, sie wußten aber nicht genau, wo sich diese Truppen aufhielten und trauten sie sich deshalb nicht nach draußen.

In ihren Häusern getötet

„Keiner von uns hat irgendetwas mit dem Krieg zutun. Ich verstehe nicht, warum sie unser Haus bombardierten.“ Fatima al-Akhras, die 12 Familienangehörige verlor, als ihr Haus in der Ortschaft ‘Aitaroun am 16. Juli bei einem israelischen Angriff getroffen wurde.

Vom 12. Juli 2006, dem ersten Konflikttag, an gab es Berichte über Artillerie­angriffe der israelischen Armee auf Dörfer im gesamten Südlibanon. Am zweiten Tag wurden viele Häuser in etlichen Dörfern von Luftschlägen getroffen und Dutzende Zivilisten starben.

In den Fällen, die in diesem Kapitel beleuchtet werden, fand amnesty inter­national keine Hinweise auf militärische Aktivitäten der Hisbollah in oder nahe den betroffenen Orten. Zu den meisten Fällen bat amnesty international die israelische Regierung um Auskunft, mit Blick auf deren Rechtmäßigkeit im Sinne internationaler Kriegsgesetze und vor allem hinsichtlich der Gründe für diese Attacken, bei denen Zivilisten starben und verletzt wurden. Israel teilte amnesty international zwar mit, daß die Angriffe vorab juristisch geprüft und freigegeben waren, lieferte aber keine weiteren Details. Bis heute sind die von amnesty international erbetenen Zusatz­informationen, die klar darüber Auskunft geben könnten, ob sich die Angriffe im Rahmen internationaler, humanitärer Völkerrechte bewegten, nicht bereitgestellt worden. Basierend auf den verfügbaren Beweisen und in Ermangelung der erbetenen, konkreten Details, geht amnesty international davon aus, daß die zivilen Todes- und Verletztenfälle wahrscheinlich aus Verstößen der israelischen Streitkräfte gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte resultierten.

Zibqin – 13. Juli

Bei einem Luftangriff auf das Haus der 78-jährigen Fatima Ahmad Bze’a im Zentrum von Zibqin kamen zwölf Angehörige der Familie ums Leben, zwei weitere Familien­mitglieder wurden schwer verletzt. Die Familie hatte am 13. Juli am Frühstückstisch gesessen, als eine Rakete in das Haus einschlug. Einige Mitglieder der Familie lebten eigentlich anderswo im Ort und leisteten der Großmutter Gesellschaft. Manche waren auch dort, weil sie es für gefährlicher hielten, in den eigenen Häusern am Rande des Dorfes zu bleiben, denn die israelischen Streitkräfte hatten diese bereits am Tag zuvor bombardiert.

Folgende Personen starben:

·        Fatima Ahmad Bze’a, und ihre 60-jährige Schwester Thania,

·        ihre 44-jährige Tochter Amal und deren drei Töchter, Khouloud, 18, Farah, 14, and ‘Aziza, 12,

·        ihre 45- jährige Schwiegertochter Mariam al-Husseini Bze’a und ihre drei Söhne, die 17-jährigen Zwillinge Malik und Mohammed und der 12 Jahre alte Hussein,

·        ihre Schwiegertochter Sou’ad Nassour Bze’a, 40; und ihr 18jähriger Enkel Na’im Wa’el Bze’a.

Die beiden Söhne von Fatima Ahmad Bze’a, ‘Ali and Darwish Bze’a, sagten amnesty international:

„Wir saßen auf der Veranda und tranken Kaffee ... Es war für ein paar Stunden ziemlich ruhig gewesen. Gegen circa fünf Uhr nachmittags hatten wir in der Umgegend des Dorfes Raketeneinschläge gehört, danach nicht mehr. Auch am Abend zuvor hatte es gegen sieben Uhr abends außerhalb des Dorfes einige Einschläge gegeben, aber nicht im Dorf selbst. Wir waren zu Mutters Haus gegangen, um bei ihr zu sein. Es war ein altes und stabiles Haus. Dem ursprünglich ebenerdigen Gebäude war ein zweites Stockwerk hinzugefügt worden ... Wir wissen nicht, ob die Bombe kam durch das Dach ins Haus kam oder seitlich durch die Mauern schlug. Es hörte sich an wie zwei Explosionen. Wir wurden weggeschleudert, aus dem Haus raus und davon weg.“

 ‘Ali und Darwish wurden schwer verletzt. ‘Ali, der durch den Angriff seine Ehefrau Mariam und seine drei Kinder verlor (Malik, Mohammed und Hussein), erlitt eine Kopfverletzung, einen Nasenbeinbruch und einen Bruch des rechten Fußgelenks. Darwish verlor seine Frau Sou’ad und erhielt ebenfalls eine Kopfwunde, außerdem schwere Verbrennungen, sowie über die ganze rechte Körperhälfte verteilte Splitter­wunden und Bänderrisse am rechten Fuß. Er verbrachte 27 Tage im Krankenhaus, vier davon auf der Intensivstation.

Zahra Bandar, eine Nachbarin der Familie Bze’a, sagte amnesty international:

 „Gegen acht Uhr früh ging ich zum Haus meiner Nachbarin Fatima, um etwas Mehl zum Brotbacken zu borgen ... Sie luden mich ein, noch dort zu bleiben und mit ihnen gemeinsam zu frühstücken, aber ich blieb nur ein paar Minuten, ging zurück nach Hause und frühstückte dort. Ich war erst kurz Zeit zurück gewesen, als das Nachbarhaus bombardiert wurde. Es war schrecklich, unbeschreiblich. Die Körper der fünf Familienmitglieder, die ich zuletzt im Schlafzimmer getroffen hatte, lagen immer noch da. Fatima‘s Körper war in Stücke gerissen, die Körper von Farah und Na’im waren auf die Felder hinaus geschleudert worden und auch ‘Ali war weit weg geflogen. Ich konnte nicht glauben, daß auch nur einer überlebt hatte. Mariam‘s Körper blieb tagelang unauffindbar.“

Zahra Bandar erzählte dann von den Grausamkeiten, die sie und ihre Familie in den Wochen nach diesem Angriff auszustehen hatten:

„Nachdem Fatima’s Haus bombardiert worden war, wurde die Lage im Dorf sehr schwierig. Die Menschen, die in den Randbezirken wohnten, hatten schreckliche Angst. Viele Verwandte kamen zu meinem Haus, weil es etwas geschützter liegt. Wir waren etwa 20 Personen. Am frühen Freitag­abend gab es viele Explosionen und es kamen noch weitere Verwandte und Bekannte aus dem Dorf. Insgesamt waren wir etwa 60 oder 70 Personen, vor allem Frauen, Kinder und alte Leute. Die Druckwellen rissen die Türen aus den Zimmern, es war sehr beängstigend und wir hatten nicht genug zu essen für alle, aber es war zu gefährlich nach draußen zu gehen und nach Lebens­mitteln zu suchen. Am Samstag zogen wir alle in die Garage eines anderen Hauses in der Nähe um, weil uns das sicherer erschien. Aber dort gab es nicht einmal Wasser.“

„Es kam auch ein bewaffnetes Fahrzeug der UNIFIL-Truppen vorbei und wir versuchten sie anzuhalten und baten sie uns zu evakuieren, aber das konnten sie nicht. Einige von uns zogen in ein wieder anderes Haus um. Wir gingen an immer wieder andere Orte, die uns sicherer erschienen, doch die Bomben kamen näher. Dann sahen wir wieder eine UNIFIL-Patrouille, dieses Mal in einem Fahrzeug der libanesischen Armee, aber sie konnten uns wieder nicht fortbringen. Wir zogen immer weiter von Haus zu Haus. Einmal, als wir ein Haus verlassen und gerade die Straße zu einem anderen Haus überquert hatten, das leer war und früher einer älteren Dame gehörte, die nun gestorben war, fiel die Bombe genau dort auf die Straße, wo wir zwei Minuten zuvor noch gegangen waren. Wir fühlten, daß man uns ins Visier genommen hatte.“

Baflay, al-Dweir und Srifa – 13. Juli

Auch am 13. Juli starben bei israelische Luftangriffen vor Sonnenaufgang in den drei Dörfern Baflay, al-Dweir und Srifa mindestens 25 Zivilisten.

·        Neun Angehörige der Familie Zein starben in ihrem Haus in Baflay – der Farmer Mounir Zein, seine Frau Najla, ihre fünf Kinder sowie der Ehemann ihrer Tochter und dessen Vater.

·        Zwölf Angehörige der Familie Akash wurden in ihrem Haus in al-Dweir, etwa 15 Kilometer nördlich von Tyre, getötet. ‘Adil Akash, ein religiöser Geistlicher, seine Frau Rabab und ihre 10 Kinder im Alter von zwei Monaten bis 18 Jahren. Auch die Haushälterin der Familie, eine Frau aus Sri Lanka, starb bei dem Angriff. Laut Berichten stand ‘Adil Akash dem politischen Flügel der Hisbollah nahe. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise darauf, daß er oder eine andere im Haus anwesende Person an militärischen Aktionen beteiligt war.

·        Um vier Uhr morgens starben bei einem Luftangriff auf ein zweistöckiges Haus in Srifa vier Mitglieder der Familie Mer’i – ‘Aqil Mer’i, seine Frau Ahlam, ihr neun­jähriger Sohn Hedi und ihre sechs Jahre alte Tochter Fatima. Nachbarn hörten, Hedi und Fatima noch bis acht Uhr morgens weinen. Es handelte sich um eine Familie aus Brasilien. Alle waren brasilianische Staatsbürger, die zum Urlaub bei Verwandten in den Libanon gekommen waren. Sie wohnten bei Cousins, die in einem anderen Teil des Hauses schliefen und den Angriff unbeschadet überlebten. Ein Angehöriger der Familie erklärte amnesty international:

„Unsere Verwandten waren hier in Urlaub. Sie haben nicht mal einen Monat im Libanon verbracht. Sie sind den ganzen, langen Weg von Brasilien aus angereist, um hier im Schlaf ermordet zu werden. Die Bombe oder Rakete, ich weiß es nicht, aber ich glaube, es war eine Rakete, schlug auf der Seite des Hauses ein, wo sie im zweiten Stock lagen und tötete sie. Andere Angehörige, die auf der anderen Seite des Hauses schliefen, starben fast durch den Schock. Die Leichen konnten erst sehr viel später am Tag aus den Trümmern geborgen werden, weil die Bombardierungen weitergingen.“

Der hohe Todeszoll in der Zivilbevölkerung des Libanon während der ersten 24 Stunden des Konfliktes ließ auf internationaler Ebene umgehend Besorgnisse laut werden. Vor dem UN-Sicherheitsrat erklärte der israelische Abgesandte, daß Israel am 14. Juli „Bollwerke und Infrastrukturen der Hisbollah und keine zivilen Ziele“ angegriffen habe.[65] Israelische Offizielle ließen verlauten, daß die Bombenkampagne so weitergehen werde, wie sie begann.

In den Tagen darauf nahmen die israelischen Luftangriffe und damit auch die zivilen Verluste weiter zu.

‘Aitaroun und Tyre – 16. und 17. Juli

Bei drei Luftangriffen auf das Dorf Aitaroun und auf die Stadt Tyre, die größte Stadt des Südens, starben am 16. und 17. Juli über 30 Zivilisten, darunter wiederum etliche Kinder. Einige weitere Menschen trugen Verletzungen davon.

Bei dem israelischen Luftschlag auf das zweistöckige Wohnhaus der Familie al-Akhras im Zentrum von ‘Aitaroun am 16. Juli 2006 kamen zwölf ihrer Mitglieder um. Viele Kinder und alte Leute starben. Die Opfer:

·        Ali Ahmad al-Akhras, seine Frau Amira Raslan und ihre vier kleinen Kinder,
Saja, 7, Zeinab, 5, Ahmad, 3, and Salam, 1, – alle sechs kanadische Staatsbürger,

·        Ali al-Akhras’ Tanten Fadda und Haniya, beide über sechzig,

·        sein Großvater Hassan Mahmoud, 82, und seine beiden Onkel Muhammad Mahmoud, 86, and Ali Hassan, 65,

·        sowie Amira Raslan’s Schwester, die 16jährige Manal Raslan.

Ali al-Akhras’ Vater, der 65-jährige Ahmad Hassan, ebenfalls Kanadier, and seine Schwester Fatima Hassan erlitten Verletzungen.

Fatima und Sikne al-Akhras, die beiden Töchter von Muhammad Mahmoud al-Akhras, hatten sich in einem anderen Teil des Hauses aufgehalten und überlebten unverletzt. Fatima erzählte amnesty international:

„Ich war im Haus bei der Familie. Es war 17:45 Uhr am Sonntag [den 16. Juli]. Tags zuvor ein unbewohntes Gelände im Dorf aus der Luft attackiert worden, an diesem Tag hatten aber bis dahin noch keine Angriffe auf das Dorf stattgefunden. Und dann war unser Haus plötzlich getroffen und die Menschen darin waren tot. Mein 86-jähriger Vater starb vor meinen Augen. Mein Cousin Ali Ahmad hat noch nicht mal im Libanon gelebt. Er lebte mit seiner Frau und seinen Kindern in Kanada. Sie verbrachten hier ihre Sommerferien und sind einfach nur in den Krieg hineingeraten. Von uns hatte keiner etwas mit dem Krieg zu tun. Ich frage mich, warum sie gerade unser Haus bombardierten.“

„Als die Bombe einschlug, war ich auf der anderen Seite des Hofes, alle anderen befanden sich in der Küche, bis auf Amira und ihre zwei Kinder. Sie waren draußen am Brunnen. Ihre Körper sind 35 Tage lang im Brunnen liegengeblieben, weil ein Bulldozer nötig war, um sie auszugraben und kein Bulldozer kommen konnte. Es war zu gefährlich. All diese Fahrzeuge wurden bombardiert. Letzten Endes konnten wir ihre Leichen erst bergen, als wir nach dem Waffenstillstand zum Haus zurückkehrten.“

„Nach dem Massaker an unserer Familie blieben wir unter extremer Angst noch für zwei Tage im Dorf und flohen dann nach Rmeish [eine nahe­gelegene Ortschaft] und blieben zwölf Tage da. Es waren Zehntausende von Flüchtlingen aus vielen Dörfer dort und man konnte kaum an Nahrungsmittel kommen. Es war sehr überfüllt. Letztlich konnten wir das Lager in einem aus Hunderten von Autos bestehenden Konvoi verlassen und gingen nach Sidon.“

Am nächsten Tag bombardierte die israelische Luftwaffe ein weiteres Haus voller Zivilisten. Neun Mitglieder der Familie ‘Awada, darunter sechs Kinder unter zwölf Jahren, starben. Drei weitere Kinder und ihre Mutter trugen Verletzungen da­von. Die Todesopfer waren: Musa Naif ‘Awada; seine Ehefrau Jamila und ihre fünf Kinder – ‘Ali, 12, ‘Abir, 11, Hassan, 7, Mariam, 6, und Muhammad, 5, sowie Hassan Mahmoud ‘Awada und sein 18 Monate alter Sohn Hussein. Hassan ‘Awada’s Ehefrau Mayda Mansour und drei ihrer Kinder (Katia, 13, Jana, 8, und Ali, 4) wurden bei dem Angriff verletzt.

Zwölf weitere Familienmitglieder befanden sich in einem angrenzenden Haus und überlebten die Attacke. Einer von ihnen erklärte amnesty international:

„Es war der zweite Luftangriff auf Aitaroun; der erste hatte am Tag zuvor das Haus der Familie al-Akhras getroffen. Vor allem in der Umgegend des Dorfes hatte es einige Explosionen gegeben. Wir hatten alle Angst und blieben deswegen im Inneren des Hauses im Erdgeschoß, um nicht in die Nähe der Außenwände und des Daches zu geraten. Abends gegen 23:45 Uhr kam der Angriff. Einige Menschen wurden über 20 Meter weit geschleudert. Nach dem Massaker sind alle Überlebenden, geflüchtet. Auch unsere Nachbarn flohen, obwohl es riskant war, draußen unterwegs zu sein, zuhause zu bleiben war ja genauso riskant.“

Nabil Baidoun erzählte amnesty international, daß seine Frau mit den beiden Kindern gerade bei ihrer Familie (die Familie ‘Awada) in ‘Aitaroun zu Besuch war, als am 12. Juli der Krieg ausbrach, und dort in der Falle gesessen hatte. Erst nachdem, ihre Verwandten bei einem Angriff getötet wurden, fand sie den Mut zur Flucht.

„Wir wußten tagelang nicht, ob meine Frau und unsere Kinder noch lebten. Als wir endlich wieder zusammen waren, zeigte sich, daß meine Frau durch die Grausamkeiten, die sie erlebt hatte, tief traumatisiert war. Sie war bei Nachbarn gewesen, als das Massaker stattfand. Sie hat so viele Menschen verloren. Sie und die Kinder hätten auch tot sein können. Sie ist immer noch in einem schrecklichen Zustand, spricht fast überhaupt nicht mehr und bringt kaum noch etwas zustande.“

Am Nachmittag des 16. Juli griff die israelische Luftwaffe ein 13-stöckiges Gebäude in Tyre an, wo Tausende von Flüchtlingen aus den Dörfern Schutz gesucht hatten. Das Gebäude beherbergte auch die Büros der libanesischen Bürgerwehr. Der Einschlag brachte das sechste Stockwerk zum Zusammensturz und begrub die dort Anwesenden unter sich. Herabfallende Bruchstücke fielen auf die Menschen im Café vor dem Haus. Mindesten 11 Zivilisten kamen dabei ums Leben. Anwohner erklärten amnesty international, daß die Hisbollah hier in dieser Gegend nicht aktiv sei. Auch amnesty international selbst fand keinerlei Hinweise darauf, daß das Gebäude militä­risch genutzt wurde.

Innerhalb der ersten Konfliktwoche starben bei israelischen Luftschlägen rund 200 Zivilisten und über 500 Menschen erlitten Verletzungen. Wieder wurde auf seiten der internationalen Gemeinschaft Besorgnis laut.[66] Offizielle Sprecher der israelischen Regierung erklärten auch weiterhin, daß die Armee nur militärische Ziele angreife. Eine Erklärung für diesen speziellen Angriff, der so viele zivile Verlusten verursacht hatte, konnten sie jedoch nicht liefern.

Im weiteren Verlauf des Konfliktes bekamen auch in anderen Gebieten des Libanon, einschließlich der Hauptstadt Beirut, immer noch weitere Wohnhäuser und Wohnungen der am Krieg unbeteiligten Zivilisten die volle Schlagkraft israelischer Raketen zu spüren.

‘Ainata – 28. Juli

Die 75-jährige Zeinab Khanafer lebte allein in ihrem Haus im Zentrum von ‘Ainata. Es ging ihr gesundheitlich schlecht. Sie konnte sich nur schwer bewegen. Ihre nahen Verwandten in Beirut glaubten, daß es zu gefährlich sei, nach ‘Ainata zu fahren und die Frau aus dem Dorf zu holen. Als dort auch die Telefone ausfielen, verloren sie vollständig den Kontakt zu ihr. amnesty international Delegierte, die am 1. August das Dort ‘Ainata besuchen wollten, mußten zu Fuß gehen, weil sämtliche Straßen dorthin durch israelische Angriffe unpassierbar gemacht worden waren. Als sie das Haus von Zeinab Khanafer erreichten, fanden sie es durch einen israelischen Angriff zerstört. Es gab keinerlei Munitionsreste oder andere Beweise für irgendwelche militärischen Aktivitäten der Hisbollah im Haus selbst oder im Umfeld des Hauses.

Zwei Wochen später wurde Zeinab’s Leiche unter den Trümmern des nahe­gelegenen Hauses eines entfernten Verwandten gefunden, das am 28. Juli bombardiert worden war. Bei dieser Attacke auf das Wohnhaus der Familie nahe der Moschee im Zentrum von ‘Ainata starben 15 Angehörige der Familien Khanafer und Fadlallah. Zwölf von ihnen waren Frauen und Kinder. Die Opfer:

·        Almaza Fadlallah, 68, Mariam Shbiti Fadlallah, 60, Zahra Fadlallah,

·        Zeinab Khanafer, 75, Kamila Khanafer, 70, Fayez Khanafer, 33, seine Frau Rima Samhat und ihre vier Kinder – Ali, 8, Abdallah, 6, Muhammad, 3, und Dumu’a, 1,

·        Um Khader Fadlallah, 28, und ihr Sohn Khader Amir, 3,

·        ‘Afif Fayes Khanafer, 47, und

·        Muhammad Ali Wehbe, 75.

Es gab Berichte, nach denen zwei verletzte Männer, die kurz vor dem Angriff in dem Haus nach Hilfe gesucht hatten, ebenfalls zu Tode kamen. Die beiden Männer stammten nicht aus dem Dorf. Wie es hieß waren sie unbewaffnet und zivil gekleidet. Delegierte amnesty internationals fanden keine Beweise dafür, daß in dem Haus etwa militärische Aktivitäten stattgefunden hätten oder daß dort oder in der Nähe Waffen gelagert wurden.

Qana – 30. Juli

Am 30. Juli kamen bei einem israelischen Luftschlag auf das Dorf Qana mindestens 28 Zivilisten, größtenteils Kinder, ums Leben. Der Ort ist schon vom April 1996 her bekannt, als bei einem israelischen Artillerieangriff auf eine Unterkunft der UNIFIL 102 Zivilisten starben, die dort Schutz gesucht hatten.[67]

Gegen 1:00 Uhr morgens leiteten die israelischen Streitkräfte am 30. Juli einen Luftschlag gegen ein dreistöckiges Haus im Bezirk Khraibe in Qana ein. Dort hatten etwa 60 Angehörige der Familien Shalhoub und Hashem im Erdgeschoß Zuflucht ge­sucht. Die Beschreibungen der Überlebenden und die vor Ort gefundenen Fragmente weisen darauf hin, daß eine lasergesteuerte Präszisionsbombe verwendet wurde. Diese Waffen durchschlagen das getroffene Gebäude von oben nach unten und kommen erst im untersten Stockwerk zur Explosioen. Dies geschah auch hier und traf den einzigen Bereich des Gebäudes, in dem sich überhaupt Menschen aufhielten.

Unter den Toten befanden sich Khadija ‘Ali Younes, ihre fünf Kinder Haura’, elf Jahre alt, Ali, 10, Yahia, 8, Qasem, 6 und die zweijährige Zahra sowie die 70 Jahre alte Schwiegermutter Hasna Hazme. Khadija’s Ehemann Mohamed Qasem Shalhoub wurde verletzt, überlebte den Angriff jedoch. Er sagte amnesty international:

„Außer mir und einem weiteren Mann starben alle um uns herum. Ich fühlte, daß der Boden unter mir abhob und ich herumgewirbelt wurde. Dann hörte ich die Leute schreien, so als ob ich vorher taub gewesen wäre. Einen Jungen brachte ich nach draußen. Ich glaube es war der fünfjährige Hassan Mohammad Shalhoub, aber ich bin mir nicht sicher. Es war das erste Kind, das ich zu packen bekam und ich legte ihn unter einen Baum, etwa 50 Meter vom Haus entfernt. Ich war auf dem Rückweg zum Haus, als es dort zu einer zweiten Explosion kam, die mich wegschleuderte. Ich rappelte mich auf und fing an, die Leute im Nachbarhaus um Hilfe zu rufen, während ich dorthin lief. Vor der Haustür brach ich zusammen.“

Es starben:

·        Maryam Brahim Hashem, 60,

·        verschiedene Kinder aus der Familie Shalhoub Samih, 8, Husan, 10, Brahim, 6, ‘Ali 2, Jaafar, 11, Zainab, 6,

·        ihre Tante Nabila Shalhoub, um die 40, und ihr Onkel (Nabila’s Bruder), Taysir Ali Shalhoub, 38,

·        Ahmad Mahmoud Shalhoub, 50, seine Ehefrau Afaf Zabat, etwa 40 Jahre alt, ihre Tochter Ola, 25, und ihr Sohn ‘Ali, 17.

Auf einer Pressekonferenz am 30. Juli 2006 erklärtem hochrangige Vertreter des israelischen Militärs, daß aus Qana und Umgebung seit Kriegsbeginn 50 Raketen abgefeuert worden seien und die israelischen Streitkräfte versucht hätten diese “Serie von Raketenabwürfen” zu durchbrechen. Die israelischen Behörden verwiesen darauf, daß das Haus wohl eher durch die Explosion dort gelagerter Waffen eingestürzt sei, als aufgrund ihres Angriffs. Sie beschuldigten wiederum die Hisbollah, Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ zu benutzen, daher sei diese für alle Schäden verant­wortlich, die Zivilisten durch israelische Angriffe zu erleiden hätten.[68]

Am 2. August verkündete Israel, daß das Haus laut einer Untersuchung, die man durchgeführt habe, um 0:52 Uhr von zwei Raketen getroffen wurde, wobei die erste explodierte und die zweite offenbar ein Blindgänger war. Die israelische Regie­rung stellte klar, daß das Haus „entsprechend der Militärrichtlinien zum Einsatz von Kampfmitteln gegen verdächtige Strukturen innerhalb von Dörfern, deren Einwohner bereits zur Räumung aufgefordert wurden und die an Gebiete grenzen, aus denen Raketen auf Israel abgefeuert werden, ins Zielvisier genommen wurde.“ Sie fügte hinzu, daß das Gebäude ihrer Kenntnis nach „als Versteck für Terroristen“ benutzt wurde und daß „der Angriff nicht gestartet worden wäre, wenn Informationen vor­gelegen hätten, daß es Hinweise auf anwesende Zivilisten gab.“[69] Den früheren Verweis auf die Zerstörung des Gebäudes durch etwa dort gelagerte Waffen wieder­holten sie jedoch nicht.

Von den israelischen Behörden bereitgestellte Luftüberwachungsvideos zeigen wie Raketen aus einem Gebiet abgefeuert werden, das in einiger Entfernung dieses Hauses liegt. Das Video ist nicht datiert. Die Existenz von Überwachungsfotos dieses Areals und die Aussagen von Überlebenden und Verwandten, die in einem Gebäude nahebei Schutz gesucht hatten, deuten an, daß sich die israelischen Truppen durchaus darüber im Klaren hätten sein müssen, daß in dem Zielgebäude und dem benachbarten Haus eine hohe Konzentration von Zivilisten anzutreffen war. Die Opfer und ihre Verwandten, über 100 Menschen, hatten sich schon zwischen 10 und 18 Tagen in den betreffenden Gebäuden aufgehalten. In dieser Zeit waren ständig israelische Aufklärer über dem Ort präsent.

Najwa Shalhoub, die durch den Angriff schwere Verletzungen davontrug, erzählte amnesty international:

„Den ganzen Tag standen Überwachungsflugzeuge über dem Ort. Tagsüber waren wir oft draußen und wuschen die Kinder. Die Kinder spielten auch draußen, eben der normale Tagesablauf. Es ist nicht möglich, daß die Flugzeuge nicht gesehen haben, daß der Ort voller Frauen und Kinder war.“

In einem informativen Gespräch mit amnesty international im September 2006 erklärte ein hochrangiger, israelischer Militärkommandant, daß das Gebäude, in dem die Zivilisten starben, aus Versehen getroffen wurde und daß die israelische Luftwaffe in der Nähe verschiedene Gebäude und einen Raketenwerfer geräumt hatte. Erneut warf er Zweifel hinsichtlich der Verantwortung Israels auf und klagte daß Hisbollah an, die Gegend tagelang abgeriegelt und nur den Medien Zutritt gewährt zu haben, wobei sie letzere nur habe das sehen lassen, das gezeigt wissen wollte.

Durch die Hinweise, die amnesty international vor Ort gesammelt hat, wird diese Aussage nicht gestützt. Am 30. und 31. Juli 2006 besuchten die Delegierten der Organisation die Ortschaft Qana und das Umland. Sie trafen keine Hisbollah-Kämpfer an. Es gab niemanden, der ihre Bewegungsfreiheit in dem bombardierten Gebäude und dessen Umfeld oder sonstwo auf dem Gelände eingeschränkt hätte. Etliche Journalisten waren ebenfalls da und filmten, fotografierten, interviewten Überlebende. In dem bombardierten Haus selbst, in seiner Umgebung und in den angrenzenden Gebäuden wurden keine Hinweise auf Raketen, Raketenwerfer oder andere Waffen gefunden.

Das ICRC nahm zu dem Vorfall Stellung und beschrieb ihn als „beispielhaft für andere“. ICRC-Sprecher Roland Huegenin sagte:

„Tatsächlich war die praktisch ausschließlich aus Frauen und Kindern bestehende Gruppe von Menschen, die in einem Wohngebäude getötet wurde, in dem sie Zuflucht gesucht hatte – und bei dem es sich im Übrigen um einen Rohbau handelte – das so offensichtlich falsches Ziel. Es gab dort keine Kämpfer und keine Waffen in erreichbarer Nähe. Nur Frauen und Kinder ...“[70]

Bis Anfang November 2006 hatte die israelischen Regierung weder Angaben zu Methodik und Ergebnissen der von ihr durchgeführten Untersuchung gemacht, noch ließ sie erkennen, ob sie irgendeine Verantwortlichkeit für die Fehler feststellen konnte, von denen sie annimmt, daß sie bei dieser fatalen Attacke gemacht wurden.

Beiruter Vorort al-Shiyah 7. August

Am 7. August 2006 gegen 19:00 Uhr starben durch einen israelischen Luftangriff auf ein sechsstöckiges Wohngebäude und ein angrenzendes Haus nahe einer Schule und eines Einkaufszentrums im dichtbesiedelten Beiruter Vorort al-Shiyah mindestens 39 Menschen, darunter 11 Kinder. Eine Warnung, daß sie beabsichtigten die Gegend zu bombardieren, hatten israelischen Streitkräfte nicht ausgegeben. Faltblätter, in denen die Einwohner aufgefordert wurden, al-Shiyah, Hay Selloum und Bourj al-Barajneh zu verlassen, warf die israelische Luftwaffe erst am 10. August über Beirut ab.

Bis zur Bombardierung galt al-Shiyah als sichere Wohngegend und viele, die aus dem Beiruter Vorort Dhahiyeh und aus Dörfern im Südlibanon geflohen waren, hielten sich dort auf. Einige der Todesopfer waren solche Flüchtlinge.

Huda Rmeiti, ihr Ehemann und ihr Sohn wurden durch die Bombardements verletzt. Sie erzählte amnesty international:

„In der Siedlung war das Leben fast normal. Flugblätter, die uns zum Gehen aufgefordert hätten waren keine abgeworfen worden. Niemand war an diesem Tag sonderlich besorgt. Nachts legten wir uns gewöhnlich in einem der geschützteren Räume des Erdgeschosses zum Schlafen hin. Zum Zeitpunkt des Bombenangriffs hatten wir abends auf dem Balkon gesessen. Wir hörten noch die israelischen Überwachungsflugzeuge, als das Haus plötzlich bombardiert wurde.“

Ma’roub 7. August

Am 7. August 2006 starb die 34-jährige Najma Hassan Moussa mit ihren drei Kindern Zahra, 16, Hyder, 14 und Ousra, 3, durch einen israelischen Luftangriff auf das Erd­geschoß eines Schulgebäudes in Ma’roub, wo die Familie Zuflucht gesucht hatte.

Najma’s Ehemann, der 40-jährige Abu Ali Ahmed Moussa war zwölf Jahre lang Hausmeister dieser Schule für Waisenkinder gewesen. Die Familie wohnte auf am Haupteingang des Schulgrundstücks im Hausmeistergebäude, etwa 50 Meter vom Unterrichtsgebäude entfernt. Als der Krieg begann, suchte die Familie im betonierten Souterrain der Schule Schutz, wo ihnen genug Nahrung und Wasser zur Verfügung stand. Etwa 10 weitere Familienangehörige hatten sich zu ihnen gesellt. Bis zur An­kündigung der 48-stündigen Angriffspause am 31. Juli 2006 verließ kaum jemand das Gebäude.

Verwandte hatten der Familie Moussa zuvor angeboten mit ihnen nach Tyre zu gehen. Doch weil in dem LKW nicht genug Platz für fünf weitere Personen war, entschieden sie sich zu bleiben.

Am 7. August um 11:30 Uhr vormittags verließ Abu Ali das Souterrain und ging zum Haus der Familie am Schuleingang, um Wäsche zu waschen und zu beten. Er hatte das Schulgebäude gerade verlassen, als plötzlich vier israelische Kampfflug­zeuge und eine Aufklärungsdrohne am Himmel erschienen und acht Raketen über der Schule abwarfen. Geschockt sah Abu Ali wie die Schule, in der sich seine Frau und die Kinder befanden, zusammenfiel. Er lief auf die Hauptstraße und versuchte Hilfe zu holen, aber es war niemand dort. Am nächsten Tag brachten Rettungskräfte ihn nach Tyre, doch aufgrund der anhaltenden Luftschläge konnte er erst am 11. August wieder nach Ma’roub zurückkehren. In den Trümmern suchte er die Leichen seiner Frau und seiner Kinder. Da ihm jedoch die nötigen Geräte fehlten, sie auszugraben, fuhr er nach Tyre zurück. Mit dem Waffenstillstand kehrte er dann endlich ganz nach Ma’roub zurück. Erst dann konnten die Leichen seiner Familie geborgen werden.

Al-Ghazieh 7. - 8. August

In der Ortschaft al-Ghazieh, außerhalb Sidons, wurden bei zweitägigen, israelischen Angriffen mindestens 20 Zivilisten getötet. Acht Angehörige der Familie Badran, vier Frauen und vier Kinder, starben am 8. August gegen 8:00 Uhr morgens als israelische Streitkräfte ein vierstöckiges Gebäude in der Gegend von Hay Badran im Zentrum des Ortes bombardierten. Als Delegierten amnesty internationals den Ort des Geschehens nur Stunden später besuchten, waren die Leichen der Opfer von Rettungskräften aus dem Schutt geborgen worden. Ahmed Badran verlor seine vier Kinder – Hanin, 16, Manal, 14, ‘Ali, 12, und Hassan, 11. Auch seine Mutter Ruqaya Nasser, 67, seine Schwestern Zeinab, 44, und Leila, 46, sowie deren Tochter Mariam, 28, starben. Die Ehefrau Ahmed Badrans, Basima Nasser, wurde schwer verletzt und lag über einen Monat auf der Intensivstation. Ahmed Badran erzählte amnesty international:

„Als die Bomben kamen, war ich gerade draußen. Der Angriff hat mich völlig schockiert. Warum gerade unser Haus? Wir sind nur einfache Zivilisten und haben mit der Partei [Hisbollah] oder was auch immer nichts zu tun. Warum meine Familie? Ich habe alle meine Kinder verloren, meine Mutter, meine Schwestern. Meine Frau ist in sehr kritischem Zustand, ich weiß nicht, ob sie überlebt; wie soll sie sich erholen? Wie sagt man einer Mutter, daß sie all ihre Kinder verloren hat?“

Nachbarn erzählten amnesty international, daß der Angriff auf das Haus jeden überrascht habe, weil es der erste Luftschlag gegen ein Haus in al-Ghazieh war – bis zu diesem Zeitpunkt waren nur die Brücken um den Ort herum zerstört worden – und weil die Familie keinerlei Verbindungen zur Hisbollah hatte.

Am nächsten Tag traf gegen 14:30 Uhr eine Rakete ein Haus in Hay Bashroun bei al-Ghazieh und tötete sieben Mitglieder der Familie Khalife: Mahmoud Khalife, ein 32-jähriger Apotheker, seine Ehefrau Ibtisam, 30, und die drei Kinder Hussein, 10, Fatima, 6, und Ahmad, 2. Seine beiden Schwiegereltern kamen ebenfalls ums Leben.

Sein Bruder Ahmad Khalife und seine Frau Ibtisam wurden bei verschiedenen Luftschlägen getötet, die am selben Tag nacheinander auf ihre und die benachbarten Häuser verübt wurden – darunter auch das Haus eines dritten Bruders, der Berichten zufolge mit der Hisbollah in Verbindung stand, zu diesem Zeitpunkt aber nicht dort war.

Später am 8. August führte die israelische Luftwaffe während der Beerdigung der Angehörigen der Familie Khalife weitere Luftschläge auf den Friedhof im Hay Ruwais Distrikt von al-Ghazieh durch. Ein zweijähriges Mädchen, das in der Nähe des Friedhofs lebte, starb. Eine junge Frau, die ebenfalls in der Gegend wohnte, erlitt schwere Verletzungen.

Auf der Flucht attackiert

In ersten paar Tagen des Konfliktes gingen israelische Evakuierungsbefehle an die Bewohner einiger Grenzdörfer aus. Die Einwohner von ‘Ait al-Sha’b, zum Beispiel, erzählten amnesty international, daß die israelische Armee am Nachmittag des 14. Juli per Lautsprecher den Befehl zur Räumung des Ortes erteilt hatte. Viel flohen ins nahe Rmeish, ein überwiegend von Christen bewohntes Dorf, das daher als sicherer galt.

Einige Dorfbewohner jedoch, die dem Befehl zum Verlassen des Ortes gefolgt waren, wurden auf der Straße von israelischen Truppen attackiert. Die Ermordung der Menschen, die am 15. Juli 2006 mit dem Konvois aus Marwahin flohen, (siehe auch Kapitel 3), hat weltweit die Aufmerksamkeit der Medien erregt. Am 11. August 2006 ereignete sich ein ähnlicher Vorfall.

Nachdem israelische Truppen in die Stadt Marjayoun einmarschiert waren und das örtliche Hauptquartier der libanesischen Armee und verschiedene zivile Gebäude besetzt hatten, entschlossen sich einige Einwohner zur Flucht. Diese Menschen hatten bis dahin trotz erheblicher Entbehrungen den gesamten Krieg in Häusern ausgeharrt. Jetzt wurde einem langen Fahrzeugkonvoi in Begleitung libanesischer Streitkräfte und einer UNIFIL-Patrouille, die Passiererlaubnis der israelischen Behörden[71] erteilt. Die Verhandlungen über die Abfahrtgenehmigung des israelischen Militärs und über eine abgestimmte Route aus Marjayoun hinaus, waren langwierig gewesen. Daher konnte der Konvoi erst gegen vier Uhr nachmittags losfahren. Die Kolonne kam nur extrem langsam voran, zum einen weil die Straßen in so schlechtem Zustand waren (manche waren von israelischen Streitkräften bombardiert worden und nur teilweise befahrbar), zum anderen dank der von der israelischen Armee vorgegebenen, weit ausholenden Route. Die UNIFIL konnte den Konvoi nur für ein paar Kilometer begleiten, bis er das Operationsgebiet der UNIFIL verlassen mußte. [72]

Einige Stunden später, als der Konvoi ein Gelände zwischen den Dörfern Joub Jenine und Kefraya erreicht hatte, feuerte ein israelischer Flieger – Berichten zufolge eine unbemannte Drohne – mehrere Raketen auf die Fahrzeuge ab. Sieben Menschen starben, darunter Colette Rashid, Ely Salame, Khaled Abdallah, Kamil Tahtah und der freiwillige Rot-Kreuz-Helfer Mikhail Jabaili, der getötet wurde, während er einen der Verwundeten versorgte.[73] 32 weitere Personen wurden verletzt. Einer von ihnen, der 28-jährige ‘Abir Abla erklärte amnesty international:

„Am 10. August war Marjayoun von israelischen Panzern, die in dem Ort stationiert waren, bombardiert worden. Auch unser Haus wurde beschä­digt, aber von uns wurde keiner verletzt. Andere Einwohner trugen durchaus Verletzungen davon und mußten ins Krankenhaus. Viele entschlossen sich, die Stadt zu verlassen, obwohl die israelische Armee die Bevölkerung nicht dazu aufgefordert hatte. Es gab schon keine Telefonverbindungen mehr und keine Kommunikation mit der Außenwelt. Das Krankenhaus wurde geschlossen und man brachte die Verwundeten mit dem Konvoi aus der Stadt.“

 „Am 11. August hatten sich etwa 1.000 Fahrzeuge bereit gemacht, um Marjayoun zu verlassen. Alle waren voll besetzt mit Einwohnern, die sich vor der Anwesenheit der israelischen Armee in der Stadt in Sicherheit bringen wollten. Die Fahrzeuge folgten jenen des Libanesischen Roten Kreuzes und der libanesischen Armee. Seit dem Morgen hatten Verhandlungen zwischen der israelischen und der libanesischen Armee stattgefunden. Und die Kolonne hatte von 8:00 Uhr morgens bis nachmittags um 16:00 Uhr zur Abfahrt bereit gestanden , bis sie sich endlich in Gang setzen konnte.“

Ich war zusammen mit meiner Tante und meiner Mutter in einem Auto in der Mitte des Konvois. Die Wagen bewegten sich sehr langsam. Der Konvoi konnte den normalen Weg nicht nehmen, weil die israelische Armee uns eine schwierigere und langsamer zu befahrende Route zugewiesen hatte. Abends, gegen 10:OO Uhr näherten wir uns der Stadt Kefraya, die auf dem Weg nach Beirut liegt. Plötzlich feuerten israelische Flugzeuge sieben Raketen auf den Konvoi ab. Nach einer Viertelstunde kam uns das Libanesische Rote Kreuz aus Kefraya zur Hilfe. Als sie uns erreichten, wurden sie auch bombardiert und ein freiwilliger Helfer des Roten Kreuzes wurde von einer Rakete getötet. Ich hatte Wunden an der Hand, im Gesicht, an der Brust und mein Oberkörper war voller Splitter.“

Am nächsten Tag sagten die israelischen Behörden, daß israelische Streitkräfte „verdächtige Bewegungen entlang einer Strecke identifizierten, auf der der Verkehr verboten war und die von Hisbollah-Terroristen zum Transport von Raketen und anderem Kriegsgerät benutzt wurde. Auf der Handlungsgrundlage des Verdachts, daß es sich um Hisbollah-Terroristen handele, die Kriegsgerät transportierten, wurde ein Angriff aus der Luft durchgeführt.“ Die israelischen Behörden bestritten, daß der Konvoi genehmigt war und verwiesen darauf, daß „einige Tage zuvor über alle nicht genehmigten Fahrzeuge südlich des Flusses Litani ein Bewegungsverbot verhängt worden war.“[74] Das Dorf Kefraya liegt nordwestlich des Flusses.

Fahrzeuge medizinischer Dienste und humanitäre Konvois

Die Intensität der Kämpfe warf bedeutende Schwierigkeiten für die Durchführung humanitärer Hilfsaktionen auf. Rettungsfahrzeuge gerieten bei israelischen Angriffen unter Beschuß und humanitäre Organisationen mußten ihre Versuche zur Rettung von Menschen oder zur Bereitstellung humanitärer Hilfen immer wieder einstellen, selbst wenn sie über eine offizielle Genehmigung der israelischen Behörden verfügten.

In Qana zum Beispiel wurden am 23. Juli kurz nach 11:00 Uhr abends zwei Rot-Kreuz-Fahrzeuge durch eine Rakete der israelischen Luftwaffe getroffen. Sechs Rettungssanitäter des Roten Kreuzes und drei Patienten erlitten Verletzungen. Die Fahrzeuge waren am Dach getroffen worden, das in beiden Fällen eindeutig durch ein großes, rotes Kreuz markiert und einen Scheinwerfer beleuchtet war. Zum Zeitpunkt des Angriffs waren die Rettungsmannschaften dabei, die drei Kranken – allesamt Zivilisten – von einem Fahrzeug zum anderen hinüberzubringen. Die drei Patienten, darunter auch ein Kind, waren bei einem früheren Angriff verwundet worden und trugen nun noch zusätzliche Verletzungen davon.

Nach dieser Attacke erklärte Balthasar Staehelin, Generaldelegierter des ICRC für den Mittleren Osten und Nordafrika:

„Das ICRC ist in tiefer Sorge um die Sicherheit seines medizinischen Personals ... Wir haben das Problem gegenüber den israelischen Behörden angesprochen und sie darauf gedrängt, dringend notwendige Maßnahmen zur Vermeidung solcher Vorfälle in Zukunft zu ergreifen.“

Ein anderer Sprecher des ICRC, Roland Huegenin, beantwortete eine eher allgemeine Frage zu derlei Angriffen:

„Es kann kein militärisches Ziel darin liegen, Ambulanzfahrzeuge zu zerstören und die Menschen darin zu töten, egal ob es sich um Verletzte, einen Fahrer oder wen auch immer handelt. Warum also sollte so etwas überhaupt geschehen?“[75]

Freiwillige der Bürgerwehr und des Libanesischen Roten Kreuzes berichteten über Luftschläge, die von Drohnen ausgeführt wurden und sehr nah bei ihren gekenn­zeichneten Fahrzeugen niedergingen, obwohl es in ihrer Nähe keinerlei Anzeichen für Aktivitäten der Hisbollah gegeben hatte –zuweilen war weit und breit nicht mal ein anderes Fahrzeug auf der Straße oder ein Gebäude ringsum zu sehen.

Zum Beispiel am 22. Juli hatte das ICRC die israelischen Behörden davon in Kenntnis gesetzt, daß ein Konvoi von vier Ambulanzfahrzeugen des Libanesischen Roten Kreuzes acht Personen mittels einer Behelfsbrücke über den Fluß Litani etwa neun Kilometer nördlich von Tyre evakuieren werde. Unweit dieser Stelle trennt sich die Straße in zwei verschiedene Wegstrecken, die später wieder zusammenführen. Der Konvoi benutzte die weniger befahrene und leichter passierbare Route. Wie amnesty international erfuhr, feuerte eine Drohne kurz darauf eine Rakete ab, die aber etwa 200 Meter vom Konvoi entfernt in den Feldern niederging. Es waren weder Gebäude noch andere Fahrzeuge in Sichtweite, noch hatte es Anzeichen für Aktivitäten der Hisbollah gegeben. Neben der schmalen Straße befand sich ein steiler Abhang und die Rettungsfahrzeuge konnten sich nur mit Glück der Erschütterung der Detonation zum Trotz auf der Fahrbahn halten.

Ein Freiwilliger des Libanesischen Roten Kreuzes, der am Nachmittag des
3. August bei einer Evakuierungsaktion mit im Fahrzeug saß, erzählte amnesty inter­national von einem weiteren Vorfall. Das Libanesische Rote Kreuz war in einem Minibus mit neun Personen aus dem Salah Ghandour Hospital in Bint Jbeil unter­wegs. Als sie sich der Stadt Tibnin näherte, verschwand plötzlich die Drohne, die sie die ganze Zeit am Himmel begleitet hatte,. Kurz darauf gingen etwa 500 Meter von dem Fahrzeug entfernt Bomben auf die Feldern nieder. Auch hier befanden sich keine Gebäude oder andere Fahrzeuge in Sichtweite noch hatte es irgendwelche Anzeichen für Hisbollah-Aktivitäten gegeben.

Am 6. August geriet ein durch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen organisierter Konvoi mit humanitären Hilfsgütern unversehens sehr nahe an eine Gruppe von Fahrzeugen heran, die durch israelische Streitkräfte attackiert wurde. Die Kolonne war von Beirut nach Tyre unterwegs. Sie bestand aus acht LKWs der Hilfs- und Arbeitsorganisation für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UN Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East / UNRWA) in Begleitung einiger Fahrzeuge zur Vor- und Nachhut. Die Kolonne war vor der Abfahrt durch das israelische Militär abgefertigt worden. Etwa 15 Kilometer nördlich von Tyre näherte sie sich dem von einer Rakete getroffenen LKW eines Bäckers. Das verantwortliche Geschoß war vermutlich von einer israelischen Drohne abgefeuert worden. Der LKW taumelte auf das Führungsfahrzeug der Kolonne zu, verfehlte es knapp und prallte dann gegen eine Mauer. Die beiden Insassen des Fahrzeugs starben. Auf der Rück­reise des Konvois wurde ein Motorradfahrer, der diesen gerade überholt hatte, von einer Rakete getroffen und getötet. Auch diese Rakete stammte aller Wahrscheinlich­keit nach von einer israelischen Drohne. Der Gruppenleiter und vier der Fahrer des Konvois reichten bei der Ankunft in Beirut ihren Abschied ein. Die israelischen Be­hörden genehmigten Berichten zufolge in Tagen darauf keine weiteren UN-Konvois nach Tyre.

Die vier Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, die den Libanon und Israel besuchten, stellten fest, daß die Bombardierung von Straßen und andere Infra­struktur „einen besonders lähmenden Effekt auf die ... Bereitstellung humanitärer Hilfen und den Zugang zu medizinischer Versorgung hatte.“ [76]

Die UNIFIL erklärten amnesty international, daß die israelischen Armee von ihnen verlangt hatte, daß sie zunächst eine Genehmigung für humanitäre und andere Einsätze einholten. Bei der Beantragung solcher Genehmigungen sah man sich jedoch immer wieder mit Problemen konfrontiert. Am 17. Juli berichteten die UNIFIL zum Beispiel, daß die Antwort bezüglich eines Antrags für den Transport humanitärer Hilfsgüter aus Tyre zu zwei verschiedenen Grenzorten seit 14. Juli anhängig war.[77] Bis 9. August war – so die UNIFIL – „aufgrund der Verweigerung der Zustimmung der IDF“ die Auslieferung von Lebensmitteln durch einen humanitärer Konvoi bereits um vier Tage hinausgezögert worden.[78] Die entsprechende Genehmigung wurde erst erteilt, nachdem die Feindseligkeiten am 14. August eingestellt worden waren. Der Bericht der vier UN-Sonderberichterstatter beschreibt, daß Genehmigungen zuweilen erst spät oder nur mit Einschränkungen erteilt wurden, wodurch sich die UNIFIL gezwungen sahen, Transporte zu streichen.

Die Zerstörung von Wohnhäusern

Tausende zivile Wohnhäuser wurden zerstört, eine noch größere Zahl beschädigt. Die meisten davon befanden sich in Dörfern und Städten südlich des Flusses Litani, einige aber auch im Beiruter Stadtteil Dhahiyeh (siehe Kapitel 3) sowie in Ba’albek und Umgebung. Gut eine Millionen Menschen wurde obdachlos. Viele davon landeten in überfüllten und schmuddeligen Unterkünften, wo grundlegende Versorgungsanlagen wie Wasser und Strom oft nur mangelhaft oder gar nicht vorhanden waren.

Delegierte von amnesty international besuchten einige der am schlimmsten betroffenen Wohngebiete und sprach mit den Überlebenden.

Die Stadt Bint Jbeil zum Beispiel die tief im Süden des Landes liegt, wurde weitgehend zerstört. In vielen Stadtteilen war fast jedes Haus dem Erdboden gleich gemacht oder – oft irreparabel –beschädigt.

Der 72-jährige Huseyn Sa’id Bazzi zeigte amnesty international den Haufen Trümmer, der früher sein zweistöckiges, 100 Meter vom Zentrum Bint Jbeils entfernt gelegenes Wohnhaus gewesen war. „Es war das Haus meiner Eltern und Großeltern. Mein Vater wurde hier geboren und starb hier,“ erklärte er. Sämtliche Gebäude in der Umgebung waren schwer beschädigt oder komplett zerstört.

Durch israelische Angriffe wurden im Südlibanon etwa 7.500 Wohnhäuser zerstört und 20.000 weitere beschädigt. In Ba’albek und im Beqa’a-Tal waren es laut der Berichte rund 500 Häuser, die zerstört und 5.000, die beschädigt wurden. Auch im Norden des Landes fielen Häuser der Zerstörung anheim oder wurden beschädigt.

Laut den Erhebungen der UNIFIL sind in den beiden Dörfern Tayyabah und al-Ghanduriyah 80 % aller zivilen Gebäude vernichtet worden; in Zibqin 60 %, in al-Markaba, al-Qantarah, Jabal al-Butm und Bayada 50 %, in Meis al-Jebel und Beit Leif 30 %, in Kafra 25 %, in Hula 20 % und in Talusha 15 %.[79]

Sidiqin und Srifa erlitten durch den Artilleriebeschuß und die Angriffe der israelischen Luftwaffe extrem hohe Schäden. In der letzten 60 Stunden vor dem Waffenstillstand fielen die Angriffe auf Zibqin und Sidiqin besonders heftig aus.

Oftmals konnte nicht geklärt werden, worin hier der zu erwartende, konkrete und direkte militärische Vorteil dieser Angriffe lag.

Nach dem Waffenstillstand kehrten die Menschen schnell wieder an die ver­staubten Orte zurück, die einmal ihr Zuhause gewesen waren. Als amnesty internatio­nal die Gebiete besuchte, waren viele dabei den Schutt zu sortieren oder sie warteten auf einen Bagger, der die schweren Trümmer beiseite räumte, so daß sie vielleicht einige ihre Habseligkeiten retten konnten.

Bei ihrer Ankunft in Dhahiyeh trafen die Delegierten amnesty internationals auf Mariam al-Shuqeiri und ihren Ehemann Muhammad Akram al-Shuqeiri, einen palästinenischer Schriftsteller und Poet, die bei den Aufräumungsarbeiten zusahen. Muhammad al-Shuqeiri sagte, daß dies seit 1948 nun das dritte Haus war, das er verloren habe. Er hatte lediglich ein paar seiner Gedichte und seinen Personalausweis retten können. Die Nächte verbrachte das Paar im Haus der Familie ihrer Tochter nördlich von Sidon.

Das Haus des IT-Händlers Mustafa Wazni, seiner Frau und seiner sieben Kinder wurde schwer beschädigt, als bei einem israelischen Angriff am oder um den 10. August die Wohnsiedlungen gegenüber in der Obayni Straße von Dhahiyeh bombardiert wurden. Die Vorderseite des Hauses war weggerissen worden. Die Zimmer des Hauses wurden durch die Druckwellen der Explosionen verwüstet. Zum Zeitpunkt des Angriffs hatten sich die Bewohner nicht dort aufgehalten – die Familie Wazni selbst war zum Beispiel nach Tripolis geflohen. Als amnesty international dort eintraf, war Mustafa Wazni mit seinen beiden Söhnen Hasan, 12 und Rida, 10, zum Aufräumen in seine Wohnung zurückgekehrt. Die Wohnung hatte immer noch keine Vorderfront. Mustafa Wazni: „Es gab keine Pistolen, keine Gewehre, nichts [hier in der Gegend].“

Kapitel 5: Die Folgen für die Zivilbevölkerung

Für nahezu jeden im Libanon hatte der Krieg tiefgreifende Folgen. Die Luft- und Seeblockade beraubte das Land seiner lebensnotwendigen Lieferverbindungen und fror alle Im- und Exporte ein. Die Zerstörung grundlegender Infrastruktur und die Bombardierung wichtiger Industrieanlagen und agrarwirtschaftlicher Areale hatten verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes. Humanitärer Beistand für die notleidende Bevölkerung war nicht verfügbar. Die Schäden an Krankenhäusern in Kombination mit der Unterbrechung der Strom- und Wasserversorgung schränkten den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung massiv ein. Schulen wurden zerbombt oder geschlossen. Eine Million und mehr, von israelischen Truppen abgefeuerte und nicht explodierte Streusprengkörper verwandelten den Südlibanon letztlich in ein weites Minenfeld. Der Erfolg dessen wird sein, daß auch weiterhin Zivilisten getötet und verstümmelt werden und daß viele für die nächsten Monate oder gar Jahre nicht zu ihren Häusern, Obsthaine und Feldern zurückkehren können.

Die Blockade

„Unsere Hilfsoperation ist – wie ein Patient, der unter Sauerstoffmangel leidet – von Lähmungserscheinungen gezeichnet und ringt mit dem Tode.“

Zlatan Milisic, Koordinator der Libanon-Nothilfe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen am 10. August 2006[80]

Sofort, als der Krieg begann, setzten israelische Truppen den internationalen Flughafen von Beirut außer Funktion. Sie versiegelten den Libanon durch eine See- und Luftblockade und bombardierten die Ein- und Ausfallstraßen des Landes und die dazugehörenden Brücken. Ihr erklärtes Ziel war es, die Operationen der Hisbollah zu behindern – auch indem Waffennachschub an die Kämpfer unterbunden wurde. Die blockierten oder gravierend unterbrochenen Luft-, See- und Landrouten ließen nur noch sehr wenige Lieferkanäle offen und gesamte Wirtschaft glitt in eine Krise ab.

Dringend benötigte Lebensmittel– und Notfallhilfen wurden häufig verzögert. Schäden an Straßen und Brücken führten dazu, daß sich der Fahrzeugverkehr nur auf langen Umwegen über Nebenstraßen oder auf Schotterwegen bewegte, die für Liefer­fahrzeuge teilweise nicht befahrbar waren.

Mindestens eine Woche lang konnten weder das ICRC noch irgendeine andere humanitäre Hilfs- oder Flüchtlingsorganisation die Dörfer im belagerten Südlibanon erreichen. Die Organisation für Landwirtschaft und Ernährung der UN (FAO) warnte, daß durch Schäden an Straßen und Brücken die Nahrungsmittelkette unterbrochen sei und die Gefahr einer massiven Lebensmittelkrise bestehe. Am 4. August widmeten sich israelische Flieger der letzten Verbindungsstraße des Libanon mit Syrien. Dieser Angriff blockierte einen Konvoi mit 150 Tonnen Hilfsgütern und durchtrennte die von der UN ihre als „Nabelschnur“ bezeichnete Hilfslieferungsroute. Die Blockade und die Bombardierung führten auch im Norden des Landes zu Störungen und Engpässen.

Als am 14. August der Waffenstillstand in Kraft trat, weigerte sich Israel mit dem Argument die Blockade aufzuheben, daß erst genug UNIFIL-Kräfte stationiert werden müßten, um die Wiederbewaffnung der Hisbollah von der See her und aus der Luft zu verhindern. UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte, daß diese Entscheidung als „kollektive Bestrafung“ des libanesischen Volkes verstanden werden könnte.[81] Die Fortsetzung der See- und Luftblockade bis zum 7. bzw. 8. September verzögerte die Bemühungen zum Wiederaufbau und die Erholung des Libanon erheblich.

amnesty international traf im Libanon auf viele Menschen, die schwer unter der Blockade zu leiden hatten, einschließlich der Vertreter von Fischerei- und Bau­gewerbe sowie des landwirtschaftlichen und medizinischen Sektors.

Mit am schwersten getroffen wurden die Fischer des Landes. Ohne die Chance auf Fang zu gehen, blieben die Boote von etwa 8.000 Fischern in den Häfen liegen und viele der Männer mit ihren Familien wurden mittellos. Zusätzlich zerstörte der israelischer Luftangriff vom 4. August den Fischereihafen al-Ouza’i im Südwesten Beiruts. Betroffene Fischer erklärten gegenüber amnesty international, daß zwischen 300 und 400 Boote – jedes in einem Wert von 5.000 bis 50.000 US$ - bei den wieder­holten Luftschlägen der israelischen Armee schwer beschädigt oder zerstört worden sind. Die Büros der Fischereigenossenschaft, das Café, die Metallreparaturwerkstatt, die Schreinerei, die Netzreparaturwerkstatt, der Markt und ein dreistöckiges Gebäude der libanesischen Armee wurden ebenfalls allesamt vernichtet. Jamal ‘Allama, der Direktor der Fischereigenossenschaft erklärte, daß Hisbollah-Kämpfer diesen Hafen aufgrund seiner sensiblen und leicht zu überblickenden Lage nicht hätten nutzen können, da dieser nur ein paar Meter vom Begrenzungszaun des Flughafens Beirut und in der Nähe eines militärisch kontrollierten Zugangs zum Flughafengelände liege.

Der Fischereivertreter erläuterte zudem die durch die Blockade verursachten Probleme: seit bereits sechs Wochen hatten die Fischer keinerlei Verdienstmöglich­keiten mehr gehabt. Khalil Taha, Direktor der Fischereikonsortiums für den Süden sagte, daß es im Südlibanon ungefähr 1.300 Fischer gebe – davon 620 in Tyre, 100 in al-Naqoura und etwa 600 in al-Sarafand – dazu die vielen ehemaligen Fischer, die nun mit der Herstellung von Netzen, Tauen und Metallgewichten beschäftigt waren und die Markthändler. Er erklärte, daß all diese Menschen von der Hand in den Mund leben und nur wenige über Rücklagen verfügen. „Selbst unsere Netze sind zerfallen, weil sie so lange außerhalb des Wassers in der Sonne gelegen haben. Die Motoren mancher Boote springen nicht mehr an, weil wir sie so lange nicht bewegt haben.“

Einer der Fischer aus Tyre, der 50-jährige Rida Qassaab, hatte seine gesamten Ersparnisse aufgebraucht. Er hat vier Kinder. „Wir essen Brot, Käse und trinken Tee, sonst kaum etwas. Gestern habe ich zum ersten Mal im Leben eine Dose Thunfisch gegessen – gerade wir sollten eigentlich frischen Fisch essen.“

Selbst als die Seeblockade aufgehoben wurde, normalisierte sich das Leben der Fischer nicht. Ursache hierfür war die Ölpest, die das israelische Bombardement des Küstenkraftwerks Jiyye Mitte Juli verursacht hatte (siehe Kapitel 3).

Andere Bereiche der libanesischen Wirtschaft wurden von der Blockade ebenfalls schwer getroffen, weil sie sehr auf den freien Waren- und Personenverkehr angewiesen sind. Die libanesischen Behörden schätzen, daß die Blockade dem Land Handelsverluste in Höhe von 30 – 50 Millionen US$ eingebracht hat.[82]

 Verheerende wirtschaftliche Konsequenzen

Fünfundzwanzig Jahre harte Arbeit und in 10 Minuten ist alles zerstört ... es gab hier kein Militär, nichts Militärisches, gar nichts. Nicht mal die Aufseher hatten Pistolen.“ George Hanna, Generaldirektor der Dalal Steel Industries Stahlfabrik in Ta’nayel im Beqa’a-Tal, die am 23. Juli bei einem israelischen Luftangriff zerstört wurde.

Die 34-tägige Bombardierung schädigte die libanesische Infrastruktur ganz erheblich und verwüstete weite Teile des Handels- und Agrarsektors des Landes.

Die Zerstörung hatte direkte und indirekte Folgen für die Wirtschaft. Gut 900 Gewerbebetriebe erlitten zum Teil erhebliche Schäden und über 30.000 Wohngrund­stücke, Büros und Geschäfte wurden vernichtet.[83] Der libanesische Handel, stark angewiesen auf den Im- und Export von Gütern, brach für die Dauer des Konfliktes zusammen. Viele Familien verloren ihre einzige Einkommensquelle, weil ihr Geschäft den Bomben zum Opfer fiel. Tausende Firmen konnten den Betrieb kaum aufrecht erhalten, weil sie durch die Zerstörung der entsprechenden Infrastruktur ohne Strom und ohne Möglichkeit zur Einfuhr notwendiger Zulieferungen oder zum Verkauf ihrer Produkte waren. Hotels und andere vom Tourismus abhängige Firmen verzeichneten verheerende Einbußen, weil Touristen aus dem Land flohen, Reisen abgesagt und die Einkünfte der gesamten Feriensaison ausradiert wurden. [84]

Die Luftschläge trafen auch die Kommunikationsnetze, inklusive der Telefon- und Fernsehanstalten. So traf am 22. Juli traf ein Luftangriff die Übertragungsstation des Senders LBC TV in Satqa östlich von Beirut. und tötete den Techniker Sliman Shidiac. Am selben Tag wurden im Norden des Landes die Antennen von Terbel bei Luftangriffen zerstört, einschließlich der Sendeanlagen von Avenir und al-Manar TV.

Ein im August veröffentlichter Bericht amnesty internationals faßt die ersten Ergebnisse der israelischen Angriffe auf die Infrastruktur des Libanon zusammen.[85] Delegierte der Organisation besuchten nach und nach gewerbliche und agrarwirt­schaftliche Produktionsstätten, die zum Ziel israelischer Angriffe geworden waren und fanden keine Hinweise, daß diese von Kämpfern der Hisbollah genutzt wurden oder anderen militärischen Zwecken gedient hätten. Israel machte keine Angaben über die Gründen für diese Angriffe.

Gewerblich genutzte Gebäude

Bei israelischen Angriffen wurden mindestens 30 Fabriken vollständig oder teilweise zerstört[86] und rund 5 % des libanesischen Industriesektors lahmgelegt.[87] Berichten zufolge erlitten über 700 Industrieunternehmen erhebliche Schäden.[88] Produktions­anlagen von Firmen aus wichtigen Industriesektoren sind zerstört oder geschädigt worden, zum Beispiel der größte Milchproduzent des Landes Liban Lait in Ba’albek, die Glasfabrik Maliban in Ta’nayel im Beqa’a-Tal, der Gesundheitsartikel-Hersteller Safieddin in Bazouriye/Südlibanon, der Papierhersteller Fine in Kafr Jara bei Sidon, der Baustofflieferant Musawi aus dem Kreis Ba’albek und die Dalal Steel Industries aus Ta’nayel im Beqa’a-Tal, die Fertighäuser herstellt.

amnesty international besuchte die Milch- und Molkereiproduktefabrik Liban Lait, die am 17. Juli gegen 3:00 Uhr morgens durch einen Luftangriff zerstört wurde. Kontrollraum, Produktionsanlagen, Verpackungskette und Käserei lagen in Schutt und Asche. Liban Lait hatte 90 % der pasteurisierten Milch im Libanon sowie frische Milch, Joghurt, Käse und Lebneh – ein libanesisches Milchprodukt – produziert und geliefert. Hisham Oraybi, Chefingenieur des Betriebs, erklärte amnesty international, daß die Firma Ende August 160 Arbeiter in der Fabrik beschäftigte, von denen jetzt nur noch 18 eine Arbeitsstelle hatten. Die Zerstörung von Liban Lait unterbrach die Frischmilch-Versorgung der Schulkinder, die von zwischenstaatlichen Agenturen und Nichtregierungsorganisationen koordiniert worden war [89] Hisham Oraybi sagte, daß der Angriff der Firma schätzungsweise 20 Millionen US$ allein an Schäden gekostet habe, und daß „wir die Belegschaft während der ersten Hälfte des Krieges zwar weiter entlohnten, aber jetzt nicht wissen, wann uns das wieder möglich sein wird.“

Am 19- Juni wurde der Glashersteller Maliban, der in seinen Hallen Glas­flaschen und andere Gefäße produziert, gegen 12:30 Uhr mittags bei einem Luftschlag zerstört. Einer der Arbeiter, Devesh Kumar Swain, starb und einige weitere Personen erlitten Verletzungen. Ein Kollege lag 15 Tage lang im Koma. Die Fabrik, die einem britischen Staatsbürger indischer Abstammung gehörte, war laut Berichten die größte im Beqa’a-Tal gewesen und hatte etwa 190 Tonnen Flaschen und Gefäße täglich für den Export in den Mittleren Osten und nach Europa produziert. Firmenmanager Roy Chowdhury sagte, daß die Fabrik nicht wieder instandgesetzt werden könne: „Sie muß ganz neu aufgebaut werden. Ob uns das möglich sein wird, entscheiden die Aktionäre. Wir schätzen, daß wir allein für den Wiederaufbau 60 bis 70 Millionen US$ benötigen sowie zusätzliche Gelder für die Aufräumarbeiten.“ Er erklärte, daß die Gesellschaft ihren 350 Beschäftigten seit dem 19. Juli keinen Lohn mehr ausgezahlt habe und daß etwa 400 Zulieferfirmen gleichermaßen betroffen seien.

Die Fertigungsanlagen und Lagerstätten der Dalal Steel Industries wurden am 23. Juli attackiert und vernichtet. Schwere Maschinen, Stahlaufhängungen und Hoch­kräne blieben als Wracks zurück. Generalmanager George Hanna sagte, daß die Firma Dalal, die 650 Arbeiter beschäftigt hatte, Verluste in Höhe von 25 Millionen US$ zu verzeichnen habe.

Am 4. August wurden der Elektrogerätehersteller Elektra und das angrenzende Café im Beiruter Stadtteil al-Ouza’i komplett zerstört, als gegen 17:00 Uhr etwa neun Raketen am Ort niedergingen. Drei Arbeiter, die dort ihre Mittagsruhe hielten, trugen Verletzungen davon: ‘Abd al-Karim Khalaf, irakischer Staatsbürger, wurde von umherfliegenden Splittern am Bein getroffen und verlor auf einem Ohr das Gehör. Musa al-‘Abud al-‘Attiyeh, ein Syrer, erlitt einen Armbruch. Der Sudanese Haytham ‘Abd al-Rasul Marhum Muhammad wurde unter den Trümmer begraben und mußte aufgrund einer Kopfwunde fünf Tage lang intensivmedizinisch behandelt werden. Die drei Männer sagten, daß 35 Familien im Ort von den Arbeitsplätzen hier abhingen und daß sie selbst sich in der Hölle sahen - Geld konnten sie nun nicht mehr verdienen und die Summe für die Heimreise zu ihren Familien konnten sie auch nicht aufbringen

Außer den großen Fabriken wurden auch hunderte kleine und mittelständische Gewerbebetriebe im gesamten Libanon beschädigt oder zerstört.

Zu den Standorten, die amnesty internationals Delegierte besuchten, zählte auch ein Flachbau an der Hauptstraße etwa einen Kilometer südlich von Nabatiyeh, in dem die Firma Samar Pharmacy, ein Obst- und Gemüsemarkt sowie die Autowasch­anlage al-Kawthar angesiedelt waren. Das Gebäude war am 26. Juli gegen 3:30 Uhr am Morgen bei einem Luftangriff stark beschädigt worden. Opfer gab es keine, der Markt war seit dem 17. Juli geschlossen geblieben und die örtlichen Anwohner hatten die Gegend bereits geräumt.

Am 6. August wurde gegen 16:00 Uhr das neunstöckige Kazma-Mu’awadh-Gebäude im Südbeiruter Stadtteil Mar Mikhail durch einen israelischen Luftschlag vollständig zerstört. Das Gebäude beherbergte Geschäfte, Büroräume, eine Gold- und Diamantenwerkstatt und ein Möbellager. „Das Gebäude war unser Leben, unsere Zukunft“, so Fadia Kazma zu amnesty international. „Unsere ganze Familie lebte von den Einnahmen daraus.“ Die Familie schätzt, daß sie 3 Millionen US$ verloren hat. „Wir wissen nicht, wozu sie das Haus zerstören wollten. Natürlich gab es hier nichts [Militärisches] und wir haben keine Verbindungen zu politischen Interessengruppen.“

amnesty international besuchte auch 15 der 25 Tankstellen, die laut Berichten durch israelische Angriffe zerstört oder gravierend beschädigt wurden - größtenteils im Südlibanon und in der Gegend um Ba'albek. Die direkt im Norden Sidons gelegene Tankstelle Daghr mit der angrenzenden Reifenwerkstatt und das kleine Nachbarhaus wurden zum Beispiel am 18. Juli gegen 5:00 Uhr morgens durch einen israelischen Raketenangriff zerstört. Ein Mensch wurde getötet. Der 28-jährige syrische Arbeiter Hani ‘Omar al-Habash, der in der Reifenwerkstatt beschäftigt war, erklärte amnesty international: „Eine Rakete traf die Tankstelle genau. Sie schlug in einen der Treib­stoffbehälter ein; Abu ‘Ali Ibrahim war sofort tot.“

Der Agrarsektor

Gerade jene Menschen, die ihren Lebensunterhalt aus dem libanesischen Agrarsektor beziehen, trafen die israelischen Angriffe besonders hart. Etliche Bauern kamen ums Leben, Tausende andere flohen oder stellten die Arbeit ein und überließen ihre Felder sich selbst. Gewächshäuser, Bauernhöfe, Grundwasserpumpen, landwirtschaftliche Fahrzeuge und andere, unbedingt notwendige Geräte und Maschinen wurden zerstört.

Die libanesische Agrarwirtschaft ist vor allem im Süden des Landes und im Beqa’a-Tal angesiedelt. Diese beiden Gebiete sind (zusammen mit Südbeirut) durch die israelischen Streitkräfte während des Konfliktes am heftigsten attackiert worden.

Am 4. August 2006 zählten zu den getöteten Landarbeitern mindestens fünf Mitglieder der syrischen Familie Shibli aus dem Beqa’a-Taldorf al-Jamaliye. Zwei Tage später starben 23 syrisch-kurdische Arbeiter bei einem Luftangriff auf ein Obst­verpackungslager in dem nordöstlich gelegenen Dorf al-Qa’a an der syrischen Grenze.

Ein Geistlicher, der Zeuge des Angriffs wurde, erklärte amnesty international:

„Ich sah vom Dach meines Kirchengebäudes aus wie um 14:00 Uhr die erste Bombardierung stattfand. Der Himmel war rauchgeschwärzt. Ich zog mich schnell an, um nachzusehen, ob ich helfen konnte. Als ich etwa sieben Minuten später so weit fertig war, kam der zweite Angriff. Ich ging sofort los und erreichte nach ein paar Minuten die Stelle, wo die Bomben eingeschlagen waren. Es war ein grauenhafter Anblick. Ich zählte 23 Körper, fünf Frauen. Sie waren entsetzlich verbrannt. Es gab auch Verletzte. Weil wir befürchteten, daß weitere Bomben folgen könnten, herrschte absolute Panik. Die Opfer aßen gerade zu Mittag, als der Angriff kam. Deshalb waren alle so eng beieinander und es sind so viele getroffen worden. Sie hatten draußen unter einem Blech­dach gesessen, vollkommen schutzlos. Arme, schwache Menschen, Arbeiter, die hierher kamen, um von dem geringen Lohn ihre Familien zu ernähren und deswegen sind sie jetzt tot.“

Die Luftangriffe trieben tausende syrische Arbeiter in die Flucht aus dem Land und verhinderten, daß sich andere, einschließlich der ortsansässigen Bauern noch um die Saat, Aufzucht oder Ernte kümmerten.

Nach Angaben des Veterinäroffiziers der UNIFIL verendete im Verlauf des Konfliktes rund 60 % des Viehbestands.[90] Jihad Bakir, Leiter von acht Hühnerfarmen der Geflügelzuchtkette Tenmiye im Beqa’a-Tal erklärte amnesty international, daß die Tiere nach und nach verhungerten und verdursteten und die Farmarbeiter jene hatten schlachten müssen, die nicht schon ohnehin verendet waren. Nach den wochenlangen, israelischen Angriffen auf die Fahrzeuge in der Gegend –auch auf einen Transporter der Geflügelzuchtbetriebe - war es unmöglich, Futter für die Tiere zu beschaffen. In der Folge sind insgesamt 72.000 Hühner verendet oder mußten geschlachtet werden. „Jetzt haben wir nichts mehr. Unsere Arbeiter können wir auch nicht mehr bezahlen und mußten sie ohne Lohn entlassen“, so Jihad Bakir. Von den 400 Beschäftigten vor dem Konflikt hatten nachher nur noch 20 einen Job.

Seba’ Tahtuh, ein Ziegenhirte, erzählte amnesty international, daß vier seiner 21 Ziegen während der israelischen Attacken umkamen, weil er sie nicht zur Tränke bringen konnte. Seit dem Waffenstillstand war er ständig mit der Frage konfrontiert, womit er die Tiere füttern soll. Die normale, frei zugängliche Nahrung der Ziegen ist mit nicht explodierten Streusprengkörpern durchsetzt.

Der 70-jährige Bauer Hajj ‘Adnan ‘Abd al-Satr arbeitet zusammen mit seiner etwa zehnköpfigen Familie im Kollektiv auf Feldern in Aya'at bei Ba'albek. Sie bauen Tabak, Wassermelonen und Salatgurken an. „Die sind alle verrottet“, sagte er amnesty international und zeigte auf die vertrockneten und vergilbten Pflanzen ringsum. „Was soll ich tun? Alles ist ruiniert.“ Diese Pflanzen werden einmal im Jahr geerntet, so daß fast die gesamte Jahresernte verloren ist.

Fatima und Sikne al-Akhras, die bei einem israelischen Luftschlag auf ihr Wohnhaus in ‘Aitaroun zwölf Familienangehörige verloren haben (siehe Kapitel 4), erzählten amnesty international von den Verlusten, die der Tabakhandel der Familie zu verzeichnen hat:

„Wir haben über zwei Drittel unserer Ernte verloren. Für den Tabakanbau sind Juli und August die ausschlaggebenden Monate. Ein Großteil der Pflanzen hätte gerade in der Zeit des Krieges geerntet werden müssen und ist nun auf den Feldern verkommen. Dann konnten die gepflückten Blätter nicht verarbeitet werden und sind ebenfalls verdorben. Und was jetzt noch auf den Feldern ist, wird ebenfalls verrotten, denn es ist gefährlich auf die Felder zu gehen, weil da überall die nicht explodierten, israelischen Bomben herumliegen, größtenteils Streusprengkörper, aber auch große Bomben.“

Auch die Menschen, die auf den Märkten und in den Läden und Geschäften arbeiten und landwirtschaftliche Produkte verkaufen, wurden durch die israelischen Angriffe auf den libanesischen Agrarsektor getroffen. Auf dem Obst- und Gemüse­markt von Tyre erzählten Standbesitzer amnesty international, daß der Markt während der Bombardierungen bis auf ein oder zwei Stände geschlossen blieb. Dadurch hatten sie über einen Monat lang keinerlei Einkünfte mehr. Die Bauern konnten die wenigen Produkte, die sie noch zusammentrugen, auch nicht am Straßenrand verkaufen, weil die Straßen während der sonst so wichtigen Sommersaison jetzt fast menschenleer blieben.

Die medizinische Versorgungslage

Der Zugang zu medizinischen Diensten wurde durch die israelischen Angriffe auf Krankenhäuser und andere medizinische Versorgungseinrichtungen und -strukturen erheblich beeinträchtigt. Die Zerstörung anderer Infrastruktur, Treibstoffengpässe und der Zusammenbruch der Strom- und Wasserversorgung taten ein Übriges. Gerade als durch den Krieg eine erhöhten Patientenzahl medizinisch versorgt werden mußte, war das Angebot medizinischer Dienste dramatisch eingeschränkt.

Das libanesische Gesundheitsministerium schätzte, daß zum 12. August 2006 etwa 60 % der Krankenhäuser des Landes durch Treibstoffengpässen den Betrieb einstellen mußten. Nach einem Bericht des libanesischen Gesundheitsministeriums und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden 12 medizinische Einrichtungen bei israelischen Angriffen zerstört und 38 weitere schwer beschädigt.[91]

amnesty international besuchte einige der betroffenen Kliniken. So wurde zum Beispiel zwischen dem 15. Juli und dem 13. August 2006 die Außenfront des Bahman Hospitals im Beiruter Stadtteil Dhahiyeh während einer Serie israelischer Luftangriffe erheblich beschädigt und ein großer Teil seiner Ausstattung und Einrichtung zerstört. Unter anderem gingen Säuglingsinkubatoren und 5.000 Liter Sauerstoff verloren. Der Direktor des Hospitals, ‘Ali Krayem, schätzte, daß der Schaden bei circa einer Million US$ liegt.[92]

Die Dar al-Hawra Klinik in Dhahiyeh, die überwiegend Frauen und Kinder versorgte, wurde durch israelische Bombardements erheblich beschädigt. Das Labor und die Röntgenabteilung sowie die Gynäkologie, die Pädiatrie, die zahnmedizinische Abteilung und die Verwaltung wurden komplett zerstört.

In der Ortschaft Tibnin im Südlibanon beschossen die israelischen Streitkräfte nur Stunden vor dem Waffenstillstand das staatliche Krankenhaus mit Streubomben. Hunderte Zivilisten waren dort untergekommen.

Der Bericht der vier Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen stellte fest, daß die israelischen Angriffe „überall in den betroffenen Regionen gravierende Aus­wirkungen auf die Bereitstellung medizinischer Dienste hatten“. Er erläutert, daß infolge des Konfliktes nur jede zehnte Klinik dringende Behandlungen und Notfall­entbindungen durchführen konnte. Nur jede dritte hatte Impfmittel auf Lager und nur jede achte konnte auch psychiatrische Dienste anbieten. [93]

Israelische Angriffe auf Wasser- und Stromnetze erschwerten die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser dramatisch.[94] Müllabfuhr und andere Systeme zur Müllbeseitigung wurden ebenfalls beschädigt und unterbrochen. Dies trat zu einem Zeitpunkt ein, als – verstärkt durch enorme Mengen Schmutz und Staub, sowie durch die vielen Verletzungen und die damit verbundenen, erhöhten Infektionsrisiken – ein besonderer Bedarf an solchen Diensten bestand.

Im Südlibanon wurden „die Strukturen zur Wasserversorgung zerstört“, so die UNICEF im August[95] Im selben Monat verlieh das ICRC seiner Sorge Ausdruck:

„Auf dem Land lebende Menschen haben keinerlei Zugang zu Wasser mehr. Die große Pumpstation in den Bergen ist so beschädigt, daß sie nicht repariert werden kann. Jetzt ist die Bevölkerung auf Brunnen angewiesen, doch um das Wasser aus den Brunnen zu pumpen, brauchen sie Elektrizität und die Stromversorgungsanlagen sind zerstört.“ [96]

Die meisten Menschen, die amnesty international Delegierte während des Monats August im gesamten Südlibanon und den südlichen Stadtteilen Beiruts antraf, mußten das Wasser für ihren täglichen Bedarf in Flaschen kaufen.

Die Ärzte des Krankenhauses in Meis al-Jebel erzählten amnesty international, daß der Wassermangel sowie die Engpässe bei der Treibstoff- und Stromversorgung zu ihrer Entscheidung beigetragen hatten, das erst kürzlich eröffnete Hospital vierzehn Tage nach Konfliktbeginn wieder zu schließen. Um den 27. Juli herum, als die Klinik geschlossen wurde, war der etwa 100 Meter entfernt stehende Wasserturm durch den Schlag einer einzelnen Rakete getroffen und unbrauchbar gemacht worden. Nahe des Wasserturms befinden sich keine weiteren Gebäude und es hatte keinerlei Anzeichen für militärische Aktivitäten in der Gegend gegeben.[97]

Zugang zu Bildungseinrichtungen

Berichten zufolge wurden im Südlibanon bis zu 50 Schulen vollständig zerstört, etwa 300 weitere trugen gravierende Schäden davon.[98] Dadurch verpaßten Hunderttausende von Schulkindern die ersten drei Wochen den neuen Schuljahres, dessen Beginn von Mitte September auf den 16. Oktober verschoben wurde. Viele Schüler mußten zudem in anderen Schulen einen Unterrichtsplatz finden.

amnesty internationals Delegierte besuchten einige der zerstörten und schwer beschädigten Schulgebäude im Südlibanon, in Südbeirut und in Ba’albek. In Ma’roub war die Schule dem Erdboden gleichgemacht. Im nordwestlichen Bint Jbeil war die ‘Oweyna-Mädchenschule erheblich beschädigt - Tische und Stühle konnte man von der Straße aus sehen, weil eine der Hauptwände weggesprengt war. Die staatliche Kawnin-Schule an der Hauptstraße nach Tibnin trug massive äußere und interne Schäden davon, einschließlich der teilweisen Zerstörung der Wände - in der näheren Umgebung der Schule konnten nur wenige oder gar keine weiteren Anzeichen der Zerstörung festgestellt werden. Das läßt vermuten, das tatsächlich die Schule das Ziel dieses Angriffs war. Von fünf Schulen wurden in al-Khiam drei stark beschädigt. Im Beiruter Stadtteil Dhahiyeh wurden die al-Mustaqbal-Schule komplett vernichtet und die Ashbel-Sahel-Grund- und Aufbauschule erheblich beschädigt.

Das todbringende Erbe der Streubomben

„Im Libanon wurden ganze Dörfer mit Streubomben eingedeckt … Was wir dort taten, war verrückt und monströs.“ Zitat eines israelischen Kommandeurs in der Tageszeitung Haaretz[99]

Der sechsjährige ‘Abbas Yousef Shibli spielte am 26. August im südlichen Dorf Blida mit drei Freunden. Sie entdeckten etwas, das sie für eine Parfümflasche hielten. Eines der Kinder ging hin, hob es auf und eine Explosion erfolgte. ‘Abbas trug verheerende Verletzungen davon - Darm und Gallenblase waren geplatzt, die Lunge durchlöchert und ein innerer Nerv durchtrennt. Als der Junge im al-Nabatiyeh-Hospital in Nadje auf dem Krankenbett mit amnesty international Delegierten sprach, weinte er immer und immer wieder: „Schafft die Bomben weg aus meinem Dorf.“

Seine drei Freunde - der achtjährige Ahmed Shibli, der elfjährige ‘Ali Hasan und dessen neunjährige Schwester Sahar - erlitten ebenfalls Verletzungen. Ali hatte ein Bein gebrochenen. Zudem trugen er und seine Schwester Sahar Splitterwunden davon. Sahar erzählte amnesty international:

„Ali's Bein muß anderthalb Monate lang in Gips bleiben und er kann nicht mehr raus zum Spielen kommen. Jetzt ist es ja auch besser drinnen zu spielen, wegen der Bomben. Ich sagte den anderen Kindern, daß sie draußen bloß nichts anfassen, nicht einmal einen Stein, selbst unter dem Laub könnte eine Bombe liegen.“

Während der letzten drei Tage des Konfliktes ließ Israel Streubomben über weite Gebiete des südlichen Libanon niederregnen. Streusprengkörper wurden in Wohnsiedlungen, auf Straßen, in Obsthainen und auf den Feldern deponiert. Viele der kleinen Bomben blieben unexplodiert liegen. Dadurch ist daß der Krieg für Tausende von Menschen im Libanon mit dem Waffenstillstand noch lange nicht beendet. In den ersten vierzehn Tagen nach Eintritt der Waffenruhe, starb durchschnittlich ein Mensch pro Tag durch diese Sprengkörper und fünf weitere wurden jeden Tag durch die Reste von Streubomben verletzt.[100] Nach Informationen des UN-Büros zur Koordination humanitärer Angelegenheiten waren bis zum 2. November 2006 in zivilen Gebieten des Libanon bereits 22 Personen getötet und 134 verwundet worden.[101]

Der israelische Kommandeur einer Truppe, die über ein multiples Raketen­abwurfsystem verfügte, erklärte gegenüber der israelischen Tageszeitung Haaretz, daß die Armee während des Krieges 1.800 Streubomben abgefeuert habe, die allesamt jeweils hunderte kleinerer Sprengkörpern enthielten. „Im Libanon haben wir ganze Dörfer mit Streubomben eingedeckt,“ so sagte er. „Was wir da gemacht haben, war verrückt und monströs.“ [102] Dieselbe Zeitung berichtete, daß israelische Truppen auch 155-mm-Artilleriekanonen zum Abwurf von Streugranaten einsetzten.

Nach Schätzungen des UN Minenaktions-Koordinationszentrums (UN Mine Action Coordination Centre / UNMACC) vom September 2006 sind gut eine Million nicht explodierter Sprengkörper über den gesamten Libanon verteilt zurückgeblieben. Jeder einzelne davon kann Menschenleben zerstören, besonders das von neugierigen Kindern. Das UNMACC schätzte zudem, daß die Räumung dieses nicht explodierten Materials mindestens ein Jahr Zeit in Anspruch nehmen wird.[103]

Ein Sprecher der Organisation erklärte, daß viele der Streusprengkörper, die man gefunden hatte, „in zivilen Gebieten, auf Agrarland und in den Wohnhäusern von Menschen lagen … Wir finden eine Menge davon in Hauseingängen, auf Balkonen und Dächern … Zuweilen waren die Fenster zerborsten, so daß sie auch ins Innere der Häuser gelangen konnten.“ [104] amnesty internationals Delegierte im Libanon kamen zu den gleichen Ergebnissen. Auch sie fanden in Dörfern und in den Innenräumen von Wohnhäusern viele nicht explodierte Streusprengkörper.

Anfang November sagte die UNMACC, daß sie etwa 58.000 Streukörper und andere Teile nicht explodierter Munitionen geräumt habe. [105] Zuvor hatte sie erklärt, daß durch das Ausmaß der Zerstörung und die Kontaminierung mit Streubomben und anderen nicht explodierten Materialien rund 200.000 Menschen noch immer nicht nach Hause zurückkehren konnten.[106]

Jan Egeland, UN-Untersekretär für humanitäre Angelegenheiten verurteilte Israels Einsatz von Streubomben in den libanesischen Wohngebieten als „absolut unmoralisch“. Er fügte hinzu: „Jeden Tag werden Menschen durch diese Waffen verstümmelt, verwundet und getötet. Das hätte nicht passieren dürfen.“ [107]

Die israelische Truppen verwendeten in den USA hergestellte Streubomben und feuerten sie aus der Luft und über Artilleriegeschützen ab. Dabei benutzten sie auch sogenannte 58B CBUs (Cluster Bomb Unit / Streubombeneinheit), Geschosse, die pro Stück etwa 650 Sprengkörper vom Typ BLU 63 enthalten und von der Form her einem Tennisball ähneln, viele davon hergestellt während der Vietnam-Ära. Von diesen alten Lagerbeständen hat man während der letzten drei Tage vor Beginn des Waffenstillstand offenbar überschwenglich Gebrauch gemacht. [108]

Im Libanon sprachen Delegierte amnesty internationals mit etlichen Kindern und Erwachsenen, die durch Streubomben verursachte Wunden auskurierten. Sie sprachen auch mit Verwandten von Menschen, die durch diese Munitionen getötet verletzt wurden.

Einige Mitglieder der Familie Hattab hatten am 14. August vor ihrem Haus in Habboush bei al-Nabatiyeh beim Frühstück zusammengesessen. Auf der gegenüber­liegenden Straßenseite ging eine Katze spazieren und brachte dort einen Gegenstand, zur Explosion. Daraufhin fanden drei Kettenexplosionen statt. Zwei Menschen starben - Hadi Mohammed al-Hattab war sofort tot. Der 34-jährige Moussa Hussein al-Hattab erlag drei Tage später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Fünf Personen wurden verwundet.

Am nächsten Tag, dem 15. August, war der 20-jährige Ali Turkiye mit einer Gruppe junger Männer auf einem Feld in Zawtar al-Gharbiyeh unterwegs. Er langte nach oben, um über seinem Kopf nach ein paar Trauben zu greifen. Dabei kam er an einen Streusprengkörper, der sich in den Blättern verfangen hatte. Er explodierte – Ali Turkiye war sofort tot. Mahmoud Darwish, 24, der dabeistand, wurde am Knie und am Fuß verletzt.

In dem südlichen Dorf al-Sultaniyeh ging am 28. August 2006 zwei Wochen nach dem Waffenstillstand der 19-jährige Student des Fachgebiets Wirtschaftsprüfung des Islamischen Technischen Instituts Beirut, Hussein Qaduh, einen Pfad neben einem Fußballfeld entlang. Dieser eigentlich sehr friedliche Tag wurde durch eine Explosion erschüttert, die seinen Körper aufriß. Er hastete ins Krankenhaus der nahegelegenen Ortschaft Tibnin, wurde dann aber aufgrund der Schwere seiner Verletzungen in eine Klinik nach Tyre verlegt. Dort trafen ihn Delegierte amnesty internationals, nachdem er einige umfangreiche Operationen überstanden hatte. Sein Zustand war jedoch nach wie vor kritisch. Die Delegierten besuchten später die Gegend, in der er sich verletzt hatte und stellten fest, daß das Areal mit unexplodierten Streusprengkörpern verseucht war. Einige davon lagen nur Zentimeter von dem Pfad entfernt, auf dem er gegangen war. Auf der Erde war noch sein Blut zu sehen.

In der Liste der Opfer sind unverhältnismäßig viele Kinder vertreten. So zum Beispiel der 13-jährige Hassan Hussein Hamadi. Er hatte am 27. August 2006 eine dosenähnliche Streubombe vom Boden aufgehoben, während er mit seinen Brüdern und Schwestern im Vorgarten des Hauses der Familie in Deir Qanoun, südlich von Tyre, spielte. Die Bombe explodierte und riß ihm vier Finger seiner rechten Hand ab. Außerdem trug er massive Verletzungen an der Schulter und am Unterbauch davon.

Jean Ziegler, der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung, äußerte die Befürchtung, daß nicht explodierte Munition sich langfristig gravierend auf die Lebensgrundlagen hunderttausender Menschen auswirkt, weil sie die Bewässerung, Ernte und Bepflanzung der Felder und Haine behindert.[109] In Teilen des Libanon gibt es kaum einen Obstgarten oder Olivenhain, kaum ein Tabakfeld oder eine Viehweide, die nicht mit Streusprengkörpern versetzt wäre, die jederzeit explodieren können. Die Hirten und Bauern sehen sich einem tödlichen Dilemma ausgesetzt - entweder lassen sie ihre Tiere verhungern und ihre Ernte verkommen oder riskieren Leib und Leben, indem sie die mit Sprengkörpern verseuchten Gebiete betreten.

Das nicht explodierte Streumaterial wirkt sich auch auf andere wirtschaftliche Belange aus. Es stört die Reparatur unterbrochener Wasser- und Stromleitungen sowie die Instandsetzung und den Wiederaufbau zerstörter Gebäude, Straßen und anderer Infrastruktur.

Der 45-jährige Lehrer Wafiq Kishan aus dem Dorf Sammaaiye im südlich von Tyre gelegenen Bezirk Ras al-‘Ein, erzählte amnesty international, daß die Bananen- und Orangenbäume in den Obsthainen rund um das Haus seiner Familie teilweise des­wegen vertrocknet und beschädigt seien, weil sie mit Streubomben durchsetzt sind und die Familie die Bäume nicht wie erforderlich bewässern oder beschneiden kann. Er sagte, daß es dieses Jahr zu spät sei, um die Früchte zu ernten, auch wenn die nicht explodierten Sprengkörper schnell aus den Hainen entfernt würden.

Khalil Badawi, 64, wurde am 24. August durch eine Streubombe verletzt, als er in einem Hain im Dorf Sammaaiye im Bezirk Ras al-‘Ein arbeitete. Er erzählte, daß die Bombe explodierte, als er mit der Hacke, die er benutzte, daran stieß. Er sagte, er habe keine andere Wahl gehabt, als in den Hain zu gehen, auch wenn die Sprengmittel dort noch nicht geräumt waren. „Wir müssen unsere Familien ernähren. Jeden Morgen verabschieden wir uns von ihnen, weil wir wissen, daß wir vielleicht nicht wieder­kommen … Wir versuchen, so vorsichtig wie möglich zu sein.“

Als die Familie Heriz am 14. August nach Hause zurückkehrte, fanden sie ihre Tiere tot auf einem nahegelegenen Feld. ‘Ali Heriz, 26, ging hin und versuchte eine der Kühe zu bewegen. Dabei löste er offenbar eine Streubombe aus. Der Schlag der Explosion traf ihn vor allem an Brust und Bauch. Aber auch im Gesicht wurde er verwundet. Die Familie sagte, daß sie wegen der Sprengkörper viele ihrer Felder nicht versorgen könne. Wie sie überleben soll, wisse sie nicht.

‘Abd al-Mohsen Heriz, ein Verwandter ‘Ali Heriz‘, sprach mit amnesty international und sagte:

„Etwas Derartiges hab ich noch nicht erlebt. Die Anwesenheit dieser Streubomben zwingt uns jetzt einen weiteren Krieg auf. Sie sind noch gefähr­licher als der Konflikt selbst, und dieser Krieg kann noch 20 Jahre dauern."

Die Bombardierung des Libanon hat nicht nur Menschen getötet und verletzt. Sie hinterließ - vor allem im Süden und in den südlichen Vororten Beiruts - ebenso tiefe Einschnitte im geistigen und seelischen Wohlbefinden der Zivilbevölkerung. Die Organisation Mediziner ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières) berichtete, daß während des Krieges bis zu ein Drittel ihrer Arbeit psychische Probleme betraf.[110]

Für die Kinder im Libanon wird dieser Krieg noch lange erhebliche, negative Folgen haben. Mediziner sehen der Zukunft mit Schrecken entgegen. Bei Kindern gilt das Spiel als eine der wichtigsten, wissenschaftlich anerkannten Methode zur Trauma­bewältigung. Doch in vielen Teilen des Südlibanon sind Spielplätze und andere Orte, an denen Kinder zu spielen pflegten, mit Streubomben versetzt und der Aufenthalt außerhalb des Hauses ist zu einem gefährlichen Unterfangen geworden.[111]

Kapitel 6: ‘Menschliche Schutzschilde’

Für den Schutz der Zivilbevölkerung tragen alle kriegführenden Parteien gleicher­maßen die Verantwortung. Sie sind verpflichtet, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um zu gewährleisten, daß die Zivilisten innerhalb ihres Kontrollbereichs bei militärischen Operationen keinen Schaden nehmen.

Die israelischen Behörden argumentieren, daß die Hisbollah für die durch israelische Angriffe an Zivilisten verursachten Schäden zur Verantwortung gezogen werden müsse. Sie beschuldigen die Hisbollah, die Zivilbevölkerung absichtlich als Deckung für ihre militärischen Aktivitäten zu benutzen, indem sie ihre Basislager in Tunneln oder andernorts in Städten und Dörfern unterhalte und Katjuscha Raketen, Raketenwerfer und andere Waffen in besiedelten Gebieten lagere. Weiter wirft die israelische Regierung Hisbollah-Kämpfern vor, Katjuschas aus der engen Umgebung ziviler Gebäuden abzufeuern und sich danach in denselben Häusern in Deckung zu bringen. Zudem soll die Hisbollah Zivilisten an der Evakuierung ihrer Wohnorte ge­hindert haben. Die Hisbollah weist indes jede Politik der Gefährdung von Zivilisten weit von sich. Offizielle Hisbollah-Vertreter bestätigen offen, daß Kampfeinheiten und militärische Einrichtungen in Städten und Dörfern des Südlibanon und anderswo lokalisiert sind. Doch sei es – ihren Argumenten zufolge – die Rolle der Kämpfer die, ihre eigenen Kommunen gegen die israelischen Attacken zu verteidigen. Daß diese Kämpfer aber Katjuscha-Raketen in Wohngebieten lagerten oder solche von dort aus abfeuerten, bestreitet die Hisbollah. Auch habe man nie und in keiner Weise Zivilisten an der Flucht gehindert.

Militärische Einrichtungen in Zivilgebieten

Als politische Partei, soziale Organisation und als eine der bewaffneten Gruppen ist die Hisbollah in den schiitisch-muslimischen Bevölkerungsteilen vor allem im Süden des Libanon angesiedelt. Die Hisbollah stellt nicht in Abrede, daß sie ein Netzwerk aus Tunneln und anderen militärischen Schlupfwinkeln in der Nähe sowie innerhalb von Städten und Dörfern dort aufgebaut hat und diese benutzt hat, um israelischen Truppen aufzulauern, als diese in den Libanon vorgestoßen waren.[112] Sie weist darauf hin, daß israelische Streitkräfte in libanesisches Territorium eingefallen sind, mit Panzern und Truppen in südlibanesische Dörfer einmarschierten, zivile Wohnhäuser besetzten und Angriffe von diesen Wohnungen aus starteten. Die Hisbollah hält an ihrer Behauptung fest, daß bewaffnete Auseinandersetzungen, die innerhalb oder nahe bei bestimmten Dörfern stattfanden, dazu dienen sollten, israelischen Bodenangriffen Widerstand zu leisten, und daß die beteiligten Kämpfer persönlich aus diesen Dörfern stammten.

Im Zuge ihrer Feldmission fand amnesty international im Schutt zweier Ge­bäude, die israelische Streitkräften zerstört hatten, die Überreste von Kurzstrecken­waffen, wie etwa Maschinengewehre vom PK-Typ und Panzerabwehrraketen. Zum einen handelte es sich um ein unbewohntes Haus am Ortsrand von Marwahin, das andere war ein Gebäude in den Randgebieten von Bint Jbeil gewesen, von dem die Anwohner zu berichten wußten, daß es der Hisbollah gehört.

In Marwahin bestätigten Dorfbewohner gegenüber amnesty international auch, daß ein Laster, der neben einer Moschee geparkt war – und der, wie Filmaufnahmen der israelischen Armee zeigen, Panzerabwehrraketen enthielt – während des Konflikts von der Hisbollah benutzt wurde.

In der Ortschaft Rmeish zeigte man amnesty internationals Delegierten zwei anscheinend unbenutzte Panzerabwehrgeschütze. Dorfbewohner erklärten, daß diese von Hisbollah-Kämpfern in der Nähe eines Rohbaus auf einem Hügel am Dorfrand zurückgelassen worden waren.

Israelische Infanteristen, die amnesty international interviewte, bestätigten, daß sich die israelischen Truppen und die Einheiten der Hisbollah-Truppen ähnlicher Strategien bedienten – oft kam es in den von ihren Bewohnern verlassenen Dörfern zu Kämpfen von Haus zu Haus. amnesty international fand Hinweise auf die Anwesen­heit israelischer Truppen in den Wohnhäusern verschiedener Orte, wie ‘Aitaroun, ‘Ait al-Sha’b, ‘Ainata und Mheibib. Lebensmittelverpackungen und andere Utensilien mit hebräischen Schriftzeichen sowie große Mengen leerer Kartuschen und gebrauchter Raketenwerfer mit hebräischen Markierungen lagen in diesen Wohnhäusern wie Müll verstreut.

Daß militärische und zivile Gebiete zuweilen sehr nahe beieinander liegen, ist auch in Israel nichts Ungewöhnliches. Berichten zufolge sind in Kiryat Shimona und Metulla militärische Einrichtungen angesiedelt und innerhalb einiger nordisraelischer Städte und Dörfer befinden sich militärische Grenzposten. Während des Krieges stieg die Zahl israelischer Militäreinrichtungen und militärischer Aktivitäten in der Nähe oder innerhalb ziviler Gebiete in Nordisrael über das übliche Maß hinaus an. Es wird berichtet, daß die israelische Armee Basen in der Nähe überwiegend von Arabern bewohnter, israelischer Städte und Dörfer einrichtete, so zum Beispiel in Fassuta, in ‘Arab al-‘Aramshe und in Tarshiha. Im zuletzt genannten Ort wurden drei Zivilisten durch einen Raketenangriff der Hisbollah getötet. Laut Berichten führte die israelische Armee auch Übungsmanöver innerhalb arabischer Dörfer in Israel durch, weil die natürliche Umgebung dort der Landschaft um die Dörfern des Südlibanon ähnelt.[113]

Nach dem Tod von zwölf israelischen Soldaten „außerhalb der Pforte“ des Kibbuz Kfar Giladi, wo deren Bataillon seit einer Woche stationiert war, gab es Berichte, daß „sich während des Krieges hunderte Soldaten im Kibbuz aufhielten, inklusive Feldlazarett, Sondereinheiten und Artillerietruppen.“ [114] Eine Reihe anderer Städte und Dörfer des Nordens mit hohem arabischen Bevölkerungsanteil liegen, wie berichtet wird, in der Nähe von Munitionsfabriken.[115] Das Hauptquartier der Hisbollah befindet sich tatsächlich in einem Stadtteil Beiruts – den die israelischen Streitkräfte dann auch auf das Heftigste bombardierten. Indes, auch das Verteidigungsministerium des Staates Israel liegt mitten im Herzen von Tel Aviv.

Obwohl die Anwesenheit von Hisbollah-Kämpfern und Kurzstreckenwaffen in zivilen Wohngebieten nicht bestritten wird, kann dies allein noch nicht als schlüssiger Beweis für die Absicht gelten, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu benutzen. Dann gälte die Anwesenheit israelischer Soldaten in einem Kibbuz für sich betrachtet als Beweis für dasselbe Kriegsverbrechen. Ein solches Verhalten auf seiten beider Parteien entspricht jedoch einem Bruch der Verpflichtung, „in maximal umsetzbarem Maß“ alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerungen innerhalb ihres Kontrollbereichs vor den Gefahren militärischer Operationen zu treffen und ver­stößt insbesondere gegen die Vorgabe „eine Stationierung militärischer Zielobjekte innerhalb oder in der Nähe dicht besiedelter Gebiet zu vermeiden“.

Aufgrund der Tatsache, daß sie Kampfeinheiten und Waffen in Städten und Dörfern stationierten, tragen die Hisbollah und Israel in jedem Fall die Verantwortung dafür, daß die betreffenden Orte als rechtmäßige Ziele angesehen und die eventuell dort anwesenden Zivilisten einem Risiko ausgesetzt wurden. Nichtsdestotrotz waren israelische Truppen wie Hisbollah- Kämpfer zu jeder Zeit verpflichtet, den Prinzipien der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit Genüge zu leisten und im Zuge der Durchführung ihrer Angriffe die nach internationalen Völkerrechten erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen.

Lagerung und Abschuß von Katyuschas

Israel beschuldigte die Hisbollah, Katjuschas und andere Raketen sowie die dazu­gehörenden Geschütze in zivilen Gebieten. vor allem in Wohnungen aber auch in Schulen und Moscheen, gelagert zu haben. Ein Offizier der israelischen Infanterie erzählte amnesty international, daß sein Zug im August in der Ortschaft ‘Ait al-Sha’b in der unteren Etage eines zweistöckigen Hauses 15 Katjuschas, allerdings ohne Ab­schußrampe, gefunden habe. Von der IDF vorgelegte, fotografische Beweise zeigen Gegenstände im Innenhof der Moschee von Marwahin, die beschädigten Raketen vom Typ Katjuscha ähneln und direkt neben dem bereits erwähnten Laster voller Panzer­abwehrraketen liegen. amnesty international gegenüber erklärte die Hisbollah, indes daß sie keine Katjuschas in Städten und Dörfern, sondern lediglich in Wäldern und anderen natürlichen Verstecken gelagert habe.

Israel veröffentlichte und lieferte amnesty international Überwachungsvideos als Beispiele. Diese zeigen, daß Raketen vom Katjuscha-Typ sowie kurzstreckige Panzerabwehrraketen aus dem nahem Umfeld ziviler Gebäude abgefeuert werden. Ein solcher Vorfall war am 7. August 2006 aufgezeichnet worden. Auf diesem Video ist zu sehen, wie im Dorf Sidiqin zwischen zwei Häusern Raketen aufschießen.[116] In den meisten anderen Luftaufnahmen fehlen jedoch maßgebliche Daten wie Datum, Uhr­zeit und Ort der Aufnahme. Die wenigen Vorfälle, die (wie der oben genannte) datiert sind, fanden erst statt, als die Zivilbevölkerung einige der Dörfer bereits verlassen hatte. Andere Aufzeichnungen zeigen Fahrzeuge, die aussehen wie mit aufgetürmten Katjuschas beladene LKWs und die im Inneren von Gebäudeanlagen verschwinden.

Der hochrangige, israelische Kommandant, der im September 2006 mit amnesty international zu einem informativen Gespräch zusammenkam, sagte auch, daß Hisbollah-Einheiten ihre Raketen von Plätzen aus abgefeuert hatten, die nur 30 bis 40 Meter von UNIFIL-Basen entfernt lagen, um so israelische Gegenangriffe zu vermeiden. Bei einer dieser Gelegenheiten hätten sich Hisbollah-Kämpfer gar in den Räumlichkeiten der UNIFIL in Sicherheit gebracht.

Die UNIFIL berichteten über mehr als 20 Vorfälle, bei denen die Hisbollah „aus dem Umfeld“ (bis zu 500 Meter) von Stellungen der Vereinten Nationen im Südlibanon Raketen abgefeuert hat. Außerdem ist eine Reihe von Fällen bekannt, in denen die Hisbollah mit Kleinwaffen und Mörsergranaten „in der Nähe“ (bis zu 100 Meter) von UNIFIL-Posten agierte. Zuweilen wurden Fahrzeuge und Stellungen der Vereinten Nationen von Mörsern, Kleinwaffen oder Raketen der Hisbollah getroffen. Die UNIFIL halten ganz klar fest, daß Kämpfern der Hisbollah zu keinem Zeitpunkt der Aufenthalt in einer ihrer Basen gestattet war. [117]

Die Hisbollah bestritt, Katjuschas von zivilen Wohngebieten aus abgefeuert zu haben und hielt fest, daß sie ihre Angriffe von Wäldern, Schonungen, Flußbetten und anderen Plätzen aus starte, außerhalb der Dörfer und weit weg von Wohngebieten.

In ‘Ein Ebel und Rmeish erzählten Dorfbewohner amnesty international, daß es vor allem zu Beginn des Krieges durchaus vorkam, daß Hisbollah-Kämpfer ihre Raketen von Dörfern aus zündeten, wenn auch nicht gerade aus den Innenhöfen von Gebäuden oder aus der Nähe ihrer Wohnhäuser. Ob diese Angriffe gegen die israeli­schen Truppen vor ihren Dörfern oder auf israelisches Staatsgebiet gerichtet waren, konnten sie nicht sagen. Sie erklärten, daß diese Praktiken generell eingestellt wurden, nachdem man sich bei der Hisbollah beschwert hatte. Einer der Dorfbewohner von ‘Ein Ebel, der den ganzen Krieg über am Ort geblieben war, erzählte amnesty inter­national, daß die israelische Streitkräfte das Dorf, einschließlich der Kirche, oft dann bombardierten, wenn die Hisbollah gar nicht im Dorf anwesend oder aktiv war.

Anhand der wenigen, von der israelischen Regierung vorgelegten Beispiele wird nicht eindeutig klar, ob sich in den Gebäuden, aus denen oder aus deren näherer Umgebung Raketen abgefeuert wurden, Zivilisten befanden. Wenn keine Zivilisten dort waren, haben Raketen abfeuernde Hisbollah-Kämpfer unter den gegebenen Um­ständen auch nicht gegen das Verbot der Verwendung „menschlicher Schutzschilde“ verstoßen. Allerdings hätten Gebäude, die als Abschußbasis für Katjuscha-Raketen benutzt wurden, ein legitimes Zielobjekt für die Angriffe der israelischen Armee dar­gestellt und andere Gebäude in der Nähe solcher Abschußorte könnten hierbei folglich durchaus beiläufige Schädigungen davon getragen haben. Trotz alledem hätte die israelische Armee den Prinzipien der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit entsprechen und die nach internationalem Völkerrecht erforderlichen Vorkehrungen treffen müssen.

Fest steht, daß wenn Hisbollah-Kämpfer ihre Katjuschas in direkter Nähe zu Zivilisten in der Absicht gelagert oder abgefeuert haben, die israelischen Streitkräfte von einem Angriff abzuschrecken, so erfüllt dies den Tatbestand der Benutzung von Zivilisten als menschliches Schutzschilde. Die verfügbaren Beweismittel deuten an, daß in zumindest einigen Fällen, Katjuschas innerhalb von Ortschaften gelagert und aus zivilen Gebieten heraus abgefeuert wurden, doch es ist nicht klar, ob Zivilisten anwesend waren und daß diese dann auch als „menschliche Schutzschilde benutzt wurden. Trotz der insgesamt fast 4.000 Raketen, die auf Israel abgefeuert wurden, sind letztlich nur wenige, einhellige Informationen darüber vor­handen, wo diese genau gelagert und gezündet worden sind. Insofern läßt sich das Ausmaß dieser Vorgehensweise nicht erfassen und kann im Sinne der internationalen, humanitären Völkerrechte auch nicht abschließend bewertet werden.

Zivilisten an der Flucht gehindert?

Israelische Offizielle behaupten, daß die Hisbollah Zivilisten am Verlassen gewisser Gegenden gehindert habe, damit die Zivilbevölkerung die Kämpfer decke. Zu diesem Zweck habe sie Straßen blockiert oder sogar über die Köpfe von Flüchtlingen hinweg Schüsse abgegeben. Die israelischen Behörden konnten hierfür jedoch keine Beweise vorlegen, außer daß sie amnesty international vorschlugen, einem dieser angeblichen, Vorfälle in Marwahin nachzugehen. Die Einwohner Marwahins bestritten, daß ein solches Ereignis je stattgefunden habe – auch jene Ortsansässigen, die politisch aktiv und als Hisbollah kritisch bekannt sind. Tatsächlich waren zu Beginn der Kämpfe viele Dorfbewohner geflohen –ihr Fahrzeugkonvoi war von der israelischen Luftwaffe angegriffen worden (siehe Kapitel 3).

Keine der Personen, die amnesty international in Städten und Dörfern des Süd­libanon und anderswo im Land befragte, beschuldigte die Hisbollah sie am Verlassen ihres Dorfes gehindert oder einen derartigen Versuch unternommen zu haben. Eben­sowenig ließen sich Berichte finden, daß andere solcherart behindert worden wären. Einige erklärten, daß die Hisbollah die Bevölkerung vor der Möglichkeit israelischer Angriffe innerhalb ihrer Gebiete gewarnt habe. In manchen Fällen, vor allem während der 48-stündigen, pausenlosen Luftangriffe der israelischen Armee vom 31. Juli und 1. August 2006, wird berichtet, daß Hisbollah-Aktivisten Menschen dazu ermutigten, ihre Dörfer im Südlibanon zu räumen und sogar jenen dabei halfen, die dies allein nicht hätten bewerkstelligen können. Auch die Zivilbevölkerung im Beiruter Stadtteil Dhahiyeh, wo die Hisbollah ihre Hauptquartier und andere Büros ihrer sozialen und medizinischen sowie ihrer Bildungs- und Medieninstitutionen unterhielt, ist evakuiert worden, bevor die israelischen Bombardierungen einsetzten. Berichten zufolge war es die Hisbollah, die diese Evakuierungsmaßnahmen leitete.

Durch die amnesty international vorliegenden Beweise wird der Vorwurf, die Hisbollah habe Zivilisten an der Flucht gehindert, letztlich nicht gestützt. In einigen Fälle hat sich gerade das Gegenteil als richtig erwiesen.


Kapitel 7: Schlußfolgerungen und Empfehlungen

Der 34-tägige Krieg zwischen der Hisbollah und dem Staat Israel im Juli und August 2006 führte zu Tod und Zerstörung auf weiter Flur in Israel und im Libanon, wobei die Zivilbevölkerungen beider Seiten die Hauptlast der Militäroperationen zu tragen hatten.

Auf der Basis ihren Recherchen und Analysen, sowie einer Überprüfung der israelischen Interpretationen der Kriegsgesetze, kommt amnesty international zu dem Schluß, daß israelische Streitkräfte gravierende Verstöße gegen die internationalen Menschenrechte und das internationale Völkerrecht – einschließlich Kriegsverbrechen – begangen haben. Konkret stellte amnesty international fest, daß israelische Truppen nicht differenzierende und unverhältnismäßige Angriffe in großem Stil durchgeführt haben. Dazu zählen die anhaltende Bombardierung des südlichen Libanon und hierbei besonders der weitverbreitete Anwendung von Streubomben in zivilen Wohngebieten während der letzten Kriegstage.

Wie in einem früheren Informationspapier aus dem August 2006[118] gezeigt und im vorlegenden Bericht weiter ausgeführt, gehören zu solchen Attacken auch jene auf die zivile Infrastruktur – zum Beispiel die Bombardierung des Kraftwerks von Jiyye, die zusätzlich massive Umweltschäden hinterlassen hat. In diesem Zusammenhang verübten die israelische Streitkräfte augenscheinlich auch direkte Angriffe auf zivile Objekte, wie bei der Zerstörung von Fabriken und des kleinen Hafens von al-Ouza’i mit seinen Fischerbooten.

Die Angriffe auf die zivile Infrastruktur, also auf Objekte, die für das Über­leben der Zivilbevölkerung unerläßlich sind, wie auch die Luft- und Seeblockade, die für die Dauer des Krieges und darüber hinaus verhängt worden waren, scheinen in doppelter Absicht angeordnet worden zu sein: zum einen, um dem libanesischen Volk eine Art Kollektivstrafe aufzuerlegen, so daß die Bevölkerung und die libanesische Regierung sich gegen die Hisbollah stellen, und zum anderen, um den militärischen Kapazitäten der Hisbollah selbst Schaden zuzufügen.

Unter Berücksichtigung aller verfügbaren Beweismittel und in Ermangelung einer adäquaten oder überhaupt einer Erklärung seitens der israelischen Behörden, warum so viele Angriffe ihrer Armee zu zivilen Verlusten und Zerstörungen geführt haben, obwohl offenbar keine Anzeichen für militärische Aktivitäten der Hisbollah vorlagen, scheint letztlich klar zu sein, daß israelische Truppen notwendige Vorsichts­maßnahmen regelmäßig außer Acht gelassen haben. Wie schon aus den Drohungen, die hochrangige, politische und militärische Führer des Staates Israel in öffentlichen Stellungnahmen zum Ausdruck brachten und auch aus den im Libanon abgeworfenen Flugblättern ersichtlich, betrachteten die israelischen Streitkräfte jeglichen Verkehr von Zivilisten im Südlibanon als militärisches Ziel – ein eklatanter Verstoß gegen das Prinzip der Unterscheidung. Jeder, in diesem Kontext ausgeführte Angriff, wäre als nicht differenzierender wenn nicht gar als direkter Angriff auf Zivilisten zu werten.

Im Rahmen eines im September 2006 veröffentlichten Informationspapiers untersuchte amnesty international die Bombardierung des Nordens Israels durch die Hisbollah und kam zu dem Schluß, daß auch die Hisbollah gravierende Verstöße gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte, inklusive Kriegsverbrechen begangen hat. Vor allem das Ausmaß der Raketenattacken der Hisbollah auf die Städte und Dörfer Nordisraels, die nicht differenzierende Natur der verwendeten Waffen, zusammengenommen mit den Aussagen des Hisbollah-Führers Nasrallah, zeigen, daß die Hisbollah sowohl direkte Angriffe auf Zivilisten als auch nicht differenzierende Attacken sowie direkte Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Sinne der Vergeltung durchgeführt hat.

Auch haben die Hisbollah-Kämpfer es offenbar versäumt,. die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten im Libanon vor den Folgen der israelischen Angriffe zu ergreifen. Die Beweislage deutet darauf hin, daß – in zumindest einigen Fällen – Katjuschas innerhalb von Ortschaften gelagert und aus zivilen Wohngebieten heraus abgefeuert wurden, wenn auch das Ausmaß dieser Vorgehensweisen unklar ist. Anhand der wenigen, von der israelischen Regierung vorgebrachten Beispiele und der anderen Beweismittel konnte auch nicht geklärt werden, ob sich in den Gebäuden, aus deren näherer Umgebung Raketen abgefeuert wurden, Zivilisten befanden. Fest steht, daß wenn Hisbollah-Kämpfer ihre Katjuschas in direkter Nähe zu Zivilisten gelagert oder abgefeuert haben, in der Absicht die israelischen Streitkräfte so von Angriffen abzuschrecken, so reicht dies an den Tatbestand des Kriegsverbrechens der Benutzung von Zivilisten als menschliches Schutzschild heran. Den Vorwurf, die Hisbollah habe Zivilisten an der Flucht gehindert, konnten die amnesty international zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht untermauern. In einigen Fällen wiesen sie sogar auf eine gegenteilige Sachlage hin.

Ausmaß und Art der von beiden Seiten während des vergangenen Krieges begangenen Verstöße erfordern angemessene Schritte in Richtung strafrechtlicher Verantwortlichkeit und Entschädigung. Im Verlauf der vielen Jahre des Konfliktes zwischen dem Staat Israel und der Hisbollah haben beide Parteien wiederholt massiv gegen internationale, humanitäre Völkerrechte verstoßen, ohne dafür je zur Rechen­schaft gezogen worden zu sein.[119]

Sofortige, unabhängige, unparteiische und gründliche Untersuchungen, die den internationalen Standars solcher Untersuchungen entsprechen, und eine straf­rechtliche Verfolgung derjenigen, die gravierende Verstöße begangen haben, sind jetzt nötig, um die Achtung der internationalen, humanitären Völkerrechte zu unter­mauern.

Die israelischen Behörden behaupten, daß sie Untersuchungen zu diversen Vorfällen durchführen. An internationalen Standards, einschließlich der Verpflichtung zur Transparenz, gehen diese Untersuchungen jedoch vorbei. So hat die israelische Regierung bislang keinerlei Informationen zu den Methoden dieser Untersuchungen offengelegt – inwiefern sich diese von routinemäßigen Kampfeinsatzbesprechungen unterscheiden zum Beispiel, wobei letztere die Standards ordentlicher Untersuchungs­verfahren in keiner Weise erfüllen. Auch ist nicht in Erfahrung zu bringen, welchen Vorfällen hier konkret nachgegangen wird.

Wie schon bei früheren Konflikten in bezug auf den Libanon lieferte die israe­lische Regierung generell keine spezifische Erklärung für Angriffe ab, die zu zivilen Verlusten führten. In den wenigen Fällen, in denen die israelische Regierung Stellung bezog, waren ihre Erläuterungen nicht wirklich klärend. Verweisen darauf, daß zivile Todes- und Verletztenfälle auf Fehlern zurückzuführen waren, folgten keine weiteren Informationen, ob irgend jemand für diese Fehler zur Verantwortung gezogen wurde oder werden würde.

Darüber daß seitens der Hisbollah-Führung oder der libanesischen Regierung je eine Untersuchung zu den Verstößen der Hisbollah gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte durchgeführt worden wäre, ist bis heute nichts bekannt.

Auf internationaler Ebene sind bislang zwei Untersuchungen in Gang gesetzt worden. Anfang September gingen vier unabhängige UN-Experten des Menschen­rechtsrats der Vereinten Nationen den Auswirkungen des Konfliktes hinsichtlich der Rechte auf Leben, Gesundheit und Unterkunft nach und untersuchten die Lage der Vertriebenen. [120] Im August 2006 hatte der Menschenrechtsrat eine Untersuchungs­kommission aus drei unabhängigen Experten eingerichtet. Die Reichweite dieser Untersuchungen war allerdings auf die spezifischen Mandate der jeweils eingesetzten UN-Experten beschränkt. Im Fall der letztgenannten Kommission bezog sich dieses Mandat denn auch nur auf eine Untersuchung der Verstöße des Staates Israel. Die Vergehen der Hisbollah blieben dabei völlig unbeachtet. Zudem mußten beide Unter­suchungen unter – zeitlich wie finanziell –erheblich eingeschränkten Bedingungen durchgeführt werden.

amnesty international fordert seit geraumer Zeit, daß der Generalsekretär der Vereinten Nationen, eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Vorgehens­weisen beider Seiten durch unabhängige Experten einberuft, deren Ergebnisse dann zu veröffentlichen sind und die Empfehlungen beinhalten, die auf eine Beendigung und Prävention zukünftiger Verstöße abzielen. Eine solche Untersuchung sollte alle ver­fügbaren Beweismittel berücksichtigen – einschließlich der von amnesty international in diesem und in früheren Berichten festgestellten Ergebnisse. Das einzuberufende Gremium sollte zudem die Vollmachten besitzen, über die Form der Entschädigung für die Opfer von Verstößen, inklusive finanzieller Kompensationen, zu entscheiden.

Obwohl internationale Untersuchungen eine maßgebliche Rolle bei der Fest­stellung von Fakten und Verantwortlichkeiten spielen und so das Recht auf Wahrheit für die Opfer und die Öffentlichkeit umzusetzen suchen, tragen dennoch letztlich die Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft die vorrangige Verantwortung dafür, daß die Rechte auf juristische Verfahren mit gerichtlichem Entscheid über Schuld oder Unschuld und auf Entschädigung für die Opfer gewährleistet bleiben.

amnesty international ruft die israelische Regierung auf:

§     Beweise dafür, daß ihre Streitkräfte während des Konfliktes gravierende Verstöße gegen internationale Menschenrechte und humanitäre Völkerrechte, einschließlich Kriegsverbrechen begangen haben, unverzüglich, unabhängig, unparteiisch und gründlich zu untersuchen.

§     wo immer solche Beweise in ausreichender Menge vorliegen, jeden, der solcher gravierenden Verstöße verdächtigt wird, in Verfahren, die den internationalen Standards für gerichtliche Prozesse voll entsprechen, strafrechtlich zu verfolgen,.

§     ihre Interpretationen der Regeln und Prinzipien im Hinblick auf die Konzepte des militärischen Vorteils und der Proportionalität zu überprüfen und sicherzustellen, daß diese Konzepte in vollem Einklang mit internationalen Völkerrechten stehen.

§     zu gewährleisten, daß das israelischen Militär bei der Durchführung von Angriffen, wie auch im Verteidigungsfall, der Pflicht zur Ergreifung von Vorsichtmaßnahmen in vollem Umfang entspricht und seine Angriffe nicht als Form der Kollektivstrafe durchführt.

§     ein Moratorium zur Aussetzung der Verwendung von Streubomben zu verkünden und eine Deklaration abzugeben, daß solche Waffen unter keinen Umständen zum Beschuß militärischer Ziele in zivilen Gebieten eingesetzt werden.

§     ohne Verzögerung ausführliche Landkarten der Gebiete des Libanon vorzulegen, in denen während des Krieges Streubomben zum Einsatz kamen, um deren Räumung zu erleichtern und zukünftige zivile Verluste zu vermeiden.

§     ohne Verzögerung Landkarten bereitzustellen, die über die Minenfelder Aufschluß geben, die während früherer Konflikte im Südlibanon angelegt wurden.

§     öffentlich zu verkünden, daß Waffen mit weißem Phosphor in zivilen Gebieten zukünftig nicht mehr verwenden werden.

§     vollständige Reparationen für die Folgen ihrer widerrechtlichen Handlungen und Unterlassungen bereitzustellen.

§      mit einer internationalen Kommission, die zur Untersuchung solcher Handlungen und Unterlassungen aller Konfliktparteien und sowie zur Festlegung der Form von Entschädigungen, einschließlich finanzieller Kompensationen, bevollmächtigt ist, in vollem Umgang zu kooperieren. Sie sollte einer solchen Kommission sämtliche Informationen über durchgeführte Untersuchungen zur Verfügung stellen, wie dies laut internationaler Standards erforderlich ist.

§     Protokoll I der Genfer Konventionen ohne jeden Vorbehalt zu ratifizieren und eine Deklaration nach Artikel 90 abzugeben, die die Kompetenzen der Internationalen Faktfindungskommission anerkennt.

§     das Römische Statut zum Internationalen Strafgerichtshof ohne die Abgabe einer Deklaration nach Artikel 124 - die die Gerichtsbarkeit des Hofes für sieben Jahre ausschließt - zu ratifizieren und eine dem Artikel 12 (3) des Römischen Status folgende Erklärung einzureichen, daß die gerichtliche Zuständigkeit des Hofes den Krieg des Jahres 2006 umfaßt.

amnesty international fordert die Hisbollah auf:

§     öffentlich auf ihre widerrechtliche Vorgehensweise der Raketenangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung im Sinne der Vergeltung zu verzichten.

§     jeglichen Verstößen gegen die internationalen, humanitären Völkerrechte durch ihre Streitkräfte in Untersuchungen nachzugehen und jeden, der solcher Vergehen verdächtigt ist, für weitere Untersuchungen und zur strafrechtlichen Verfolgung an die libanesischen Behörden zu übergeben.

§     sicherzustellen, daß ihre Kampfeinheiten der Notwendigkeit voll entsprechen, bei Angriffen wie im Verteidigungsfall alle erforderlichen Vorsichtmaßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen, einschließlich der Notwendigkeit, sich in größtmöglichem Maß von Personen zu unterscheiden, die nicht an den Kämpfen teilnehmen.

§     vollständige Entschädigungen für die Folgen ihrer widerrechtlichen Handlungen und Unterlassungen bereitzustellen.

§     mit einer internationalen Kommission in vollem Umfang zu kooperieren, die das Mandat innehat, solchen Handlungen und Unterlassungen aller Konfliktparteien nachzugehen und über die Form von Entschädigungen, einschließlich finanzieller Kompensationen, zu entscheiden.

amnesty international ruft die libanesische Regierung auf:

§     Beweisen, die darauf hindeuten, daß Hisbollah-Kräfte während des Konfliktes gravierende Verstöße gegen internationale, humanitäre Völkerrechte, inklusive Kriegsverbrechen begangen haben, im Rahmen einer Untersuchung, die inter­nationalen Standards entspricht, unverzüglich, unabhängig, unparteiisch und gründlich nachzugehen.

§     so die entsprechend zulässigen Beweise in ausreichender Menge vorhanden sind, jeden, der gravierender Verstöße verdächtig ist, in Verfahren, die internationalen Standards für gerichtliche Prozesse voll entsprechen und die nicht zur Verhängung der Todesstrafe führen, strafrechtlich zu verfolgen.

§     zu gewährleisten, daß keine, innerhalb ihres Territoriums operierende, bewaffnete Gruppe gegen internationale Menschen- und Völkerrechte verstößt.

§     für die Konsequenzen widerrechtlicher Handlungen oder Unterlassungen durch libanesische Offizielle und durch die Hisbollah, vollständige Wiedergutmachungen bereitzustellen.

§     mit einer internationalen Kommission, die bevollmächtigt ist, solche Handlungen und Unterlassungen aller Parteien des Konfliktes zu untersuchen und über die Form von Wiedergutmachungen, einschließlich finanzieller Kompensationen, zu entscheiden, in vollem Umfang zu kooperieren.

§     das Römische Statut zum Internationalen Strafgerichtshof ohne die Abgabe einer Deklaration nach Artikel 124 - die die Gerichtsbarkeit des Hofes für sieben Jahre ausschließen würde - zu ratifizieren und eine dem Artikel 12 (3) des Römischen Status folgende Erklärung dazu einzureichen, daß die gerichtliche Zuständigkeit des Hofes auch den Krieg des Jahres 2006 beinhaltet.

amnesty international fordert die internationale Gemeinschaft auf:

§     zu gewährleisten, daß die Vereinten Nationen eine internationale Kommission ein­richten, die bevollmächtigt ist, Hinweisen auf Verstöße gegen die internationalen Menschenrechte, die humanitären Völkerrechte und das internationalen Strafrecht durch alle Konfliktparteien nachzugehen sowie Empfehlungen zum Umgang mit der Straflosigkeit bei begangenen Verstößen, zur Prävention derartiger Vorfälle in der Zukunft sowie zur Form von Wiedergutmachungen, einschließlich finanzieller Kompensationen, abzugeben. Alle Staaten, wie auch die Konfliktparteien, sind zur Zusammenarbeit mit einer solchen Untersuchungskommission verpflichtet.

§     Druck auf alle in den Konflikt involvierten Parteien auszuüben, so daß diese mit einer wie oben beschriebenen Kommission kooperieren und deren Empfehlungen umsetzen.

§     zu gewährleisten, daß der Auftrag der UNIFIL eine Mandat zur Erfassung jeglicher Verstöße gegen internationale Menschen- und Völkerrechte enthält.

§     gegen Israel wie gegen die Hisbollah so lange ein Waffenembargo zu verhängen und durchzusetzen, bis wirkungsvolle Mechanismen in Kraft gesetzt sind, die garantieren, daß Waffen nicht für schwerwiegende Verstöße gegen internationale, humanitäre Völkerrechte benutzt werden. Dazu gehört auch die Garantie, daß eine gründliche Untersuchung der im Verlauf dieses Konfliktes begangenen Verstöße stattfindet und daß alle hierfür verantwortlichen Personen, im Zuge fairer Prozesse gerichtlich belangt werden. Die USA, der Libanon, der Iran, Syrien und andere Staaten sollten gewährleisten, daß Waffen, die für solche Verstöße benutzt werden können, nicht von ihnen selbst an die Parteien geliefert werden oder über durch ihr Staatsgebiet hindurch zu diesen gelangen.

§     ein sofortiges Moratorium gegen die Verwendung aller mit Streusprengkörpern ausgestatteten Waffen zu verkünden, den Transfer dieser Waffen in andere Staaten zu beenden und die Initiativen der UN und des ICRC zur Entwicklung eines neuen, internationalen Völkerrechtsabkommens, das den Risiken von Streusprengkörper­waffen für Zivilisten wirksam begegnet, zu unterstützen

§     sicherzustellen, daß die Staaten ihre juristische Zuständigkeit, einschließlich der allgemeinen Gerichtsbarkeit, über Personen, die anhand des internationalen Rechts eines Verbrechens - auch eines Kriegsverbrechens - verdächtig sind, nötigenfalls wahrnehmen.

 

Übers.: Sabine Isbanner,

Kogruppe Israel/OT/PA,

Sektion Bundesrepublik Deutschland

Verbindlich ist das englische Original



[1] AI Index: MDE 15/070/2006

[2] AI Index: MDE 18/007/2006

[3] AI Index: MDE 02/025/2006

[4]"Israel gelobt Zersprengung der Hisbollah-Miliz, Führer der Gruppe gibt sich kämpferisch",
von Steven Erlanger, New York Times, 14. Juli 2006

[5] Zusätzlich zu den regulär etwa 500.000 Einwohnern des Südlibanon verbrachten bei Kriegsausbruch viele im Ausland lebende Libanesen und Staatsbürger anderer Länder ihre Sommerferien dort. Laut den Angaben des UN-Koordinationsbüros für humanitäre Angelegenheiten (UN-Office of the Coordinator for Humanitarian Affairs / OCHA) befanden sich zum 26. Juli 2006 ungefähr 115.000 Personen aus etwa 20 "Drittländern" im Libanon. Weitere Einzelheiten siehe unter:

http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/SODA-6S42E2?OpenDocument

[6] Interne libanesische Sicherheitsquellen erklärten amnesty international, daß die Identität von 129 Leichen bis Anfang September noch nicht geklärt war und daß es sich bei 56 der Getöteten nicht um libanesische Staatsbürger handelte. http://www.lebanonundersiege.gov.lb/english/F/Main/index.asp

[7] Unter anderen Quellen siehe die Webseiten der israelischen und libanesischen Regierung und den Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, vom 2. Oktober 2006. amnesty international erhielt zudem direkte Informationen von offizieller israelischer und libanesischer Seite.

[8] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober 2006, Abs. 33

[9] Lagebericht Nr. 35 des OCHA, 31. August 2006, http://iys.cidi.org/humanitarian/hsr/ixl79.html. Der
Bericht beinhaltete keine Angaben über die Gesamtzahl der Angriffe, inklusive Artillerie und Marine.

[10] Website des UN-Minenaktion-Koordinationszentrums (UNMACC): http://www.maccsl.org/War%202006.htm

[11]Bis zu 200.000 Vertriebene nach dem Krieg noch nicht zurückgekehrt, so die UN“, IRIN News,
Erhebung vom 4. November 2006, siehe im Internet unter:
http://www.irinnews.org/report.asp?ReportID=56142&SelectRegion=Middle_East&SelectCountry=LEBANON

[12] Website des israelischen Außenministeriums:

http://www.mfa.gov.il/MFA/Terrorism-+Obstacle+to+Peace/Terrorism+from+Lebanon-+Hizbullah/Hizbullah+attack+in+northern+Israel+and+Israels+response+12-Jul-2006.htm

[13] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober

 2006, Fußnote 53

[14] Bei den Soldaten handelt es sich um Ehud Goldwasser und Eldad Regev.

[15] Die drei Gefangenen, die sich erwiesenermaßen noch in Haft befinden sind: Muhammed Srour, Maher Kourani und Hussein Suleiman (auch bekannt als ‘Ali Mahmoud Suleiman).

[16]Dreizehn Leichen von Pistolenschützen für möglichen Tausch festgehalten”, Jerusalem Post, Ausgabe vom 23. Juli 2006

[17] „Nasrallah bedauert Ausmaß des Krieges“ BBC Web News

http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5291420.stm?ls

[18] Siehe: http://www.msnbc.msn.com/id/13827858/

[19] Dieses Abkommen wurde von Frankreich, Israel, Libanon, Syrien und die USA unterzeichnet. Es verbot Angriffe auf Zivilisten in Israel und im Libanon und legte zudem fest, daß: “zivile Wohngebiete sowie Industrie- und elektrische Anlagen nicht als Ausgangsstellungen für Angriffe benutzt werden dürfen”. Teil der Vereinbarung war auch die Einrichtung eines Kontrollgremiums, das im Falle von Verstößen gegen das Abkommen über Beschwerden Israels oder des Libanon zu befinden hatte. Die Arbeitsgruppe stellte ihre Tätigkeit im Februar 2000 ein. Im Mai desselben Jahres zog sich Israel aus dem Libanon zurück. Weitere Details hierzu finden sich im Internet unter:

http://telaviv.usembassy.gov/publish/peace/documents/ceasefire_understanding.html, siehe auch: Adir Waldman, Aushandlung bewaffneter Konflikte: Entscheidungen der Israel-Libanon Kontrollgruppe (Arbitrating Armed Conflict: Decisions of the Israel-Lebanon Monitoring Group), Juris 2003, S. 27

[20] Das gewohnheitsmäßige, internationale Völkerrecht, ICRC, 2005

[21] Artikel 8(2)(b)(i)

[22] Die autorisierten Kommentare des ICRC zu den Zusatzprotokollen der Genfer Konventionen (Abs. 2024) interpretieren den Ausdruck „eindeutiger, militärischer Vorteil“ mit der Feststellung, daß „es nicht legitim ist, einen Angriff zu starten, der nur einen potentiellen oder unbestimmten Vorteil bietet.“

[23] Römisches Statut zum Internationalen Strafgerichtshof, Artikel 8 (2)(b)(iv)

[24] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, 2005, Band I, Regeln, Regel 156, S. 589, Artikel 8 (2)(b)(i)

[25] Die ICRC-Kommentare erläutern (Abs. 1980): „Es hat auch Bestrebungen zur Beförderung der Idee gegeben, daß selbst sehr hohe zivile Verluste und Schäden annehmbar sind, wenn der auf dem Spiel stehende militärische Vorteil von großer Bedeutung ist. Diese Vorstellung steht den Grundregeln des Protokolls entgegen. ... Das Protokoll offeriert keinerlei Rechtfertigung für Angriffe, die massive, zivile Verluste und Schäden verursachen. Es kann nicht sein, daß beiläufige Schäden und Verluste ein erheb­liches Ausmaß annehmen.“

[26] Römisches Statut zum Internationalen Strafgerichtshof, Artikel 8 (2)(a)(iv)

[27] Römisches Statut zum internationalen Strafgerichtshof, Artikel 8 (2)(b)(xxiii)

[28] Eine Erläuterung zur Verwendung und Wirkung des weißen Phosphors in Waffen bietet der Bund Amerikanischer Wissenschaftler (Federation of American Scientists) in seinem „Informationsblatt Weißer Phosphor“ unter: http://www.fas.org/biosecurity/resource/factsheets/whitephosphorus.htm

[29]Der Gerichtshof geht davon aus, daß der durch Menschenrechtskonventionen verankerte Schutz in Zeiten bewaffneter Konflikte nicht nachläßt und bestätigt wird durch die Gültigkeit der Bestimmungen zur Abweichung von der Art wie sie in Artikel 4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte zu finden sind“, Die rechtlichen Konsequenzen des Baus einer Mauer auf besetztem, palästinensischem Territorium, Rechtsgutachten vom 9. Juli 2004, ICJ Berichte 2004. Näheres dazu siehe auch unter Menschenrechtskommission, Allgemeiner Kommentar Nr. 31, Abs. 11: „Der Pakt gilt auch in Situationen bewaffneter Konflikte, auf die die Regeln der internationalen, humanitären Völker­rechte anwendbar sind. Während hinsichtlich bestimmter, im Pakt verankerter Rechte, spezielle Regeln des internationalen Völkerrechts zur Interpretation dieser Paktrechte besonders relevant sein dürften, gilt, daß sich beide Rechtssphären ergänzen, und nicht etwa gegenseitig ausschließen.“ Allgemeiner Kommentar Nr. 31: Die Besonderheiten der den Paktstaaten auferlegten, allgemeinen Rechtsverbind­lichkeiten, UN-Dokument CCPR/21/Rev. 1/Add. 13.

[30] Menschenrechtskommission, Allgemeiner Kommentar Nr. 31, Abs. 10

[31] Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeiner Kommentar Nr. 15, Das Recht auf Wasser, UN-Dokument E/C.12/2002/11 (2002)

[32] laut Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine Kommentare Nr. 7, Zwangsvertreibung und das Recht auf adäquate Unterkunft (sechzehnte Sitzung, 1997) UN-Dokument E/1998/22, Anhang IV an 113 (1997), Abs. 4

[33] laut Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine Kommentare Nr. 7, Text zitiert, Abs. 7

[34] laut Kommission für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Allgemeine Kommentare Nr. 14: Das Recht auf Erhalt des bestmöglichen, verfügbaren Standards der Gesundheit (Artikel 12), Abs. 29, verabschiedet auf der 22. Sitzung (2000). UN-Dokument E/C.12/200/4 (2000)

[35] Resolution der Generalversammlung, Die Verantwortlichkeit von Staaten für international wider­rechtliche Handlungen, UN-Dokument A/Res/56/83 (28. Januar 2002), Abs. 3

[36] Siehe zum Beispiel ICCPR, Artikel 2 (3) und die Arabische Charta der Menschenrechte, Artikel 9

[37] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, Band I, Regeln

[38] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, Band I, Regeln, Regel 150

[39] Das gewohnheitsmäßige, internationale, humanitäre Völkerrecht, ICRC, Band I, Regeln, Regel 139

[40] Pressekonferenz der israelischen Armee (IDF) nach dem Vorfall von Qana, 30. Juli 2006

http://www.mfa.gov.il/MFA/Terrorism-+Obstacle+to+Peace/Terrorism+from+Lebanon-+Hizbullah/IDF+press+conference+following+the+Kafr+Qana+incident+30-Jul-2006.htm.

[41] Briefing durch die Assistentin des Generalsekretärs für friedenserhaltende Maßnahmen Jane Holl Lute, 26. Juli 2005, in dessen Verlauf sie konkret darlegte: „Nach unseren Informationen hat es – anders als im Umfeld anderer unserer Patrouillebasen – in der direkten Nachbarschaft dieser Basis kein Geschützfeuer der Hisbollah gegeben.“ Siehe: http://www.un.org/News/dh/infocus/jane.htm

[42] Website der israelischen Armee (IDF), „Bezüglich des UN-Postens bei al-Khiam”, http://www1.idf.il/DOVER/site/mainpage.asp?sl=EN&id=7&docid=55107&Pos=27&last=0&bScope=False

[43] UN-Generalsekretär, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, „Bericht über getötete Beobachter bei Attacke in Khiam, Libanon, bei, geht bei Generalsekretär ein“, SG/SM/10666 http://www.un.org/News/Press/docs/2006/sgsm10666.doc.htm

[44] Brigadegeneral Amir Eshel, Generalstabschef der Luftwaffe, zitiert laut der israelischen Nachrichten-Website YNet, am 30. Juli 2006, http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3283816,00.html

[45] „Abschluß der Untersuchung des Vorfalls von 30. Juli in Qana”, 2. August 2006, Website des israelischen Außenministeriums, http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Communiques/2006/Completion+of+inquiry+into+July+30+incident+in+Qana+2-Aug-2006.htm

[46] Näheres hierzu im Internet unter: http://www.ctv.ca/servlet/ArticleNews/story/CTVNews/20060725/Israel_lebanon_fighting_060727/20060727?hub=CTVNewsAt11 und: http://www.jpost.com/servlet/Satellite?cid=1153292014162&pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull.

[47] Israel. Tageszeitung Yedioth unter http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3282314,00.html

[48] siehe Website des israelisches Außenministeriums unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/Terrorism-+Obstacle+to+Peace/Terrorism+from+Lebanon-+Hizbullah/Chief+of+Staff+Halutz-+No+intention+of+hurting+Syria+or+citizens+of+Lebanon+27-Jul-2006.htm

[49] Israelisches Außenministerium in Reaktion auf Hisbollah-Angriffe auf den Norden Israels: Fragen der Proportionalität, Juli 2006, http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Law/Legal+Issues+and+Rulings/Responding+to+Hiszbullah+attacks+from+Lebanon-Issues+of+proportionality+July+2006.htm

[50] Siehe amnesty international: Absichtliche Zerstörung oder “Kollateralschaden”? – die israelischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur (Deliberate destruction or “collateral damage”? Israeli attacks against civilian infrastructure), AI Index MDE18/007/2006, wie zitiert

[51] http://www.cnn.com/2006/WORLD/meast/07/12/mideast/

[52]Israelische Luftwaffe (IAF) setzt Angriffe auf Libanon fort“, Jerusalem Post, 17. Juli 2006

[53] „Hochrangiger Offizier: Halutz ordnete Vergeltungspolitik an“, Jerusalem Post, 24. Juli 2006

[54] New York Times, „Israel gelobt Hisbollah mit der Wurzel auszureißen“, 15. Juli 2006

[55] Ein von der Kommission für Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der Union für den Erhalt der Welt (World Conservation Union on Environmental, Economic and Social Policy) und Green Line (Beirut) gesponserter Bericht, geschrieben von Professor Richard Steiner, Eilerhebung zur Ölpest im Libanon / Antwortmission, 11. September 2006

[56] libanesische Regierung, Grundvoraussetzungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen: Die frühe Phase des nationale Erholungsprozesses, Stockholmer Konferenz zur baldigen Erholung des Libanon, 31. August 2006, S. 10, sowie amnesty international Interview mit Jihad al-Bina von der Hisbollah. – Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen schätzt, daß insgesamt 35.000 libanesische Wohn- und Geschäftshäuser zerstört wurden.

[57] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober 2006, Fußnote 68, die Bezug nimmt auf die Erhebungen vor Ort, durchgeführt von Jihad al-Bina, Hisbollah.

[58] Pressekonferenz der IDF im Anschluß an den Vorfall in Qana, 30. Juli 2006, wie zitiert

[59] Der Offizier kommentierte hier vor allem den Artillerieschlag vom 8. November 2006 auf Beit Hanoun im Gazastreifen, bei dem 19 Zivilisten starben. Haaretz, 9. November 2006

[60] http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/SODA-6S42E2?OpenDocument.

[61] am 21. Juli 2006 abgeworfenes Flugblatt – amnesty international Übersetzung aus dem Arabischen

[62] Flugblatt vom 25. Juli 2006, siehe die Website des israelischen Außenministeriums unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/Terrorism-+Obstacle+to+Peace/Terrorism+from+Lebanon-+Hizbullah/IDF+warns+Lebanese+civilians+to+leave+danger+zones+3-Aug-2006.htm

[63] Flugblatt vom 7. August 2006, das auch von Radiosendungen begleitet wurde, die dieselbe Warnung aussprachen. Ibid.

[64] Die israelischen Flugblätter, die die Bevölkerung zur Evakuierung der Beiruter Vororte al-Shiyah, Hay Selloum und Bourj al-Barajneh aufriefen, wurden erst Tage nachdem al-Shiyah bombardiert worden war, abgeworfen.

[65] UN-Sicherheitsrat, 14. Juli 2006, http://www.un.org/News/Press/docs/2006/sc8776.doc.htm

[66] UN: Sicherheitsrat muß dringende Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten im Israel-Libanon-Konflikt verabschieden, amnesty international (AI-Index: IOR 41/012/2006), 18. Juli 2006
sowie
UN-Nachrichtenzentrale am 19. Juli 2006: UN-Vertretungen äußern „ernste Besorgnis“ über zivile Verluste in Israel und im Libanon, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=19243&Cr=Leban&Cr1

[67] Damals hatte Israel behauptet, daß es sich bei dem Artillerieangriff auf die Unterkünfte der UNIFIL um einen Fehler gehandelt habe, der zustande kam, als man versuchte israelischen Soldaten das Leben zu retten, die unter Granatenbeschuß der Hisbollah aus der direkten Umgebung der Unterkünfte geraten waren – doch auch hier waren keinerlei Angaben bezüglich der Ergebnisse oder Einzelheiten der ange­wandten Untersuchungsmethoden erhältlich. Eine nachfolgende Untersuchung der Vereinten Nationen ergab, daß „ alldieweil die Möglichkeit nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, bleibt es doch unwahrscheinlich, daß die Bombardierung der UN-Unterkünfte insgesamt auf technisches Versagen oder verfahrenstechnische Irrtümer zurückzuführen ist.“ Auf der Basis aller verfügbaren Informationen kam amnesty international zu dem Schluß, daß die IDF die UNIFIL-Unterkünfte absichtlich attackierte, wenn auch die Motive hierfür unklar bleiben. Siehe hierzu: Israel/Lebanon – Unlawful killings during Operation “Grapes of Wrath”, (AI-Index MDE 15/042/1996), Juli 1996

[68] Pressekonferenz der IDF nach dem Vorfall in Qana, 30. Juli 2006, Text zitiert

[69]Abschluß der Untersuchung des Vorfalls vom 30. Juli in Qana“, 2. August 2006 israelisches Außenministerium, siehe im Internet unter:

http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Communiques/2006/Completion+of+inquiry+into+July+30+incident+in+Qana+2-Aug-2006.htm

[70] „Roland Huegenin ICRC Interview” Sendung Four Corners, Australian Broadcasting Corporation, 18. September 2006

[71] Die UNIFIL sagte aus, daß sie auf Anfrage der libanesischen Regierung an die IDF herangetreten sei, um den Rückzug libanesischer Streitkräfte aus Marjayoun zu erleichtern und daß “Israel die UNIFIL informierte, daß man einer solchen Anfrage zustimme”, Presse-Erklärung der UNIFIL vom 12. August 2006, siehe: http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr027.pdf

[72] Berichten zufolge bestand der Konvoi aus rund 465 zivilen Fahrzeugen und etwa 100 Fahrzeugen der libanesischen Armee. Siehe Presse-Erklärung der UNIFIL vom 12. August 2006, Text zitiert.

[73]Libanon – Israel: ICRC bedauert steigende Zahl ziviler Verlustfälle und mangelnden Respekt vor medizinischem Auftrag“, Pressemitteilung des ICRC, 12. August 2006 http://www.icrc.org/web/eng/siteeng0.nsf/htmlall/lebanon-news-120806?opendocument

[74] „Reaktion der IDF auf Konvoiangriff im Südlibanon“, 12. August 2006, siehe im Internet unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/Government/Communiques/2006/IDF+response+on+convoy+hit+in+south+Lebanon+12-Aug-2006.htm

[75] „Roland Huegenin ICRC Interview” Sendung Four Corners, Australian Broadcasting Corporation, 18. September 2006

[76] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, Textzitat, Abs. 49

[77] UNIFIL Pressemitteilung, 17. Juli 2006 (http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr01.pdf)

[78] UNIFIL Pressemitteilung, 9. August 2006 (http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr024.pdf)

[79] Weitere Details im Internet unter: http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr030.pdf und http://www.un.org/Depts/dpko/missions/unifil/pr031.pdf

[80] „UN geht ‘Schande’ um Libanon-Nothilfe an“, BBC News, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/4778591.stm

[81] „Annan sagt, israelische Blockade darf keine ‘Kollektivstrafe’ darstellen“, UN-Nachrichtenzentrum, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=19688&Cr=Leban&Cr1

[82]Israel beendet Blockade im Libanon“, BBC, siehe im Internet unter: http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5327244.stm

[83] Angaben des Ingenieurkonsortiums veröffentlicht in den libanesischen Medien am 17. August 2006

[84] Für die meisten Hotels ging durch den Konflikt die gesamte Sommersaison verloren. Hatten sie eben noch kurz vor der Ausbuchung für den Rest des Sommers gestanden, so leerten sich mit zunehmender Eskalation des Konfliktes die Zimmer schnell wieder. Ein Hotelier erzählte amnesty international, daß sein Hotel am 11 Juli üblicherweise zu 80 % ausgebucht war und er in wenigen Tagen ein volles Haus erwartete. Stattdessen war das Haus nun zu unter 5 % belegt. Er entschied, das Personal auf absehbare Zeit in unbezahlten Urlaub zu schicken. Ähnlich wirkte sich der Krieg auch auf das Restaurant– und Gaststättengewerbe aus.

[85] Israel/Libanon: Absichtliche Zerstörung oder „Kollateralschaden“? (Israel/Lebanon: Deliberate destruction or “collateral damage”?), Zitat. Die Regierung sagte, daß 31 „vitale Punkte“ (Flughäfen, Häfen, Wasser- und Abwasseranlagen und Einrichtungen zur Stromversorgung) ganz oder teilweise zerstört wurden, außerdem mindesten 70 Brücken und 94 Straßen.

[86] Die Regierung des Libanon, Die Bedingungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen: Die frühe Phase des nationale Erholungsprozesses, Stockholmer Konferenz für eine baldige Erholung des Libanon, 31. August 2006

[87] Nabil Itani, Leiter der staatlichen libanesischen Behörde für Investment und Entwicklung, zitiert nach einem Artikel bei ReutersLibanon erwartet Investitionswelle wenn Waffenstillstand hält“, veröffentlicht im Daily Star, 24. August 2006

[88] Die Regierung des Libanon, Die Bedingungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen, Zitat

[89] Bericht der vier Sonderberichterstatter zum Recht auf Nahrung, Jean Ziegler zu seiner Mission in den Libanon, 29. September 2006

[90] Reuters, „Indischer UN-Veterinär behandelt tierische Opfer des Libanonkrieges“, 25. Oktober 2006

[91] http://www.who.int/hac/crises/international/middle_east/Lebanon_2Sept2006/en/index.html

[92] Er beschrieb das Krankenhaus als „nicht gewinnorientierte, medizinische Einrichtung, die keiner religiösen oder politischen Gruppe zuzurechnen ist.“

[93] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, Zitat, Fußnote 42

[94] Für weitere Informationen siehe: Die libanesische Regierung Die, Bedingungen für den langfristigen Wiederaufbau schaffen: Die frühe Phase des nationale Erholungsprozesses, 31. August 2006, unter:

http://www.reliefweb.int/library/documents/2006/govlbn-lbn-31aug.pdf und den Bericht von amnesty international Israel/Libanon: Absichtliche Zerstörung oder „Kollateralschaden"? (Israel/Lebanon: Deliberate destruction or “collateral damage”?), Zitat

[95]UNICEF und UN-Partner stocken humanitäre Hilfen für den südlichen Libanon auf“, UNICEF, vom 28. August 2006, siehe: http://www/unicef.org/emerg/index_35455.html

[96]Rotes Kreuz zeigt Mut im Libanon“, Britisches Rotes Kreuz, August 2006 http://www.redcross.org.uk/news.asp?id=58445

[97] In dem Bericht Absichtliche Zerstörung oder „Kollateralschaden“ - Die israelischen Angriffe auf die Infrastruktur des Libanon, (Deliberate destruction or “collateral damage”? - Israeli attacks against civilian infrastructure) berichtete amnesty international, daß die Krankenhäuser in Bint Jbeil und in Meis al-Jebel vollständig zerstört” wurden und zitierte als ihre Quelle den Rat für Entwicklung und Wiederaufbau. Dem ist nicht so. Im August besuchten Delegierte der Organisation beide Kliniken und stellen fest, daß diese nicht zerstört sind, sondern aufgrund der Angriffe ihren Betrieb nicht aufrecht­erhalten konnten. Auf dem Gelände des Krankenhauses in Bint Jbeil waren nicht explodierte Spreng­körper zu sehen und eine nahegelegene Privatklinik war erheblich beschädigt worden.

[98] „Schulkinder im Südlibanon - der lange Weg zurück zur Schule”, UNICEF, Pressemitteilung vom
7. September 2006.

[99]Wenn Raketen und Phosphor sich bündeln“ von Meron Rapaport, Haaretz, 14. September 2006 http://www.haaretz.com/hasen/spages/761910.html

[100] Libanon: Streubomben gefährden das Leben von Zivilisten, (AI-Index MDE 02/024/2006)

[101] Siehe: http://www.maccsl.org/War%202006.htm

[102]Wenn Raketen und Phosphor sich bündeln“ von Meron Rapaport, Haaretz, 14. September 2006, siehe unter http://www.haaretz.com/hasen/spages/761910.html

[103] http://www.maccsl.org/reports/Leb%20UXO%20Fact%20Sheet%204%20November,%202006.pdf Außerdem sind schätzungsweise noch 15.000 nicht explodierte Munitionsreste verschiedener Art, größtenteils 155-mm-Panzergeschosse, aber auch Granaten, Raketen und Bomben der israelischen Luftwaffe im Libanon vorhanden.

[104]USA prüfen Israels Einsatz von Streubomben“, http:/news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5286352.stm

[105] weitere Einzelheiten im Internet unter:

http://www.maccsl.org/reports/Leb%20UXO%20Fact%20Sheet%204%20November,%202006.pdf

[106] UN Nachrichtenzentrum, 29. September 2006

[107]UN rügen Israel wegen Einsatz von Streubomben“, 30. August, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5299938.stm

[108] Interview mit Andrew Gleeson, Mitglied des Minenbeirats

[109] http://www.un.org/apps/news/story/asp?NewsID=19900&Cr=leban&Cr1=

[110] Mediziner ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières), „Humanitärer Korridor in den Südlibanon ist eine Illusion“, 1. August 2006

[111] Daily Star, „Einfache, ungetrübte Freude kann den jüngsten Opfern helfen, die Belastungen des Krieges zu überwinden“, 26. September 2006

[112] Siehe zum Beispiel: „Hiwar maftuh“ („Offener Dialog“), eine Sendung bei al-Jazeera über den Islamischen Widerstand, der im Libanon gegen die israelische Armee kämpft, in einer Ausstrahlung vom 19. August 2006

[113] Arabischer Menschenrechtsverband (Arab Association for Human Rights / AAHR), Wochenchronik (Weekly Review), Nr. 286, 4. – 11. August 2006, weitere Detail im Internet unter: http://www.arabhra.org/publications/wrap/wraphome2006.htm, sowie: „Einwohner Majd al-Krums erklärten UN-Sonderberichterstattern, daß Artillerie während des Konfliktes in der Nähe ihrer Stadt stationiert war“, http://www.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/2session/A.HRC.2.7.pdf

[114] Laut der israelischen Tageszeitung Haaretz, „Rakete traf ein Gebiet in dem Bedienstete der Logistik- und Kommandoebene des Reservebataillons der Fallschirmspringertruppe ... stationiert waren“, sowie „Drei Militärlaster vollgeladen mit Munition wurden abgestellt“ ( im Kibbuz), und „Reservisten gelang es nicht, sich nach Sirenenalarm in Deckung zu bringen“, Haaretz, 7. August 2006, siehe auch unter: http://www.haaretz.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=747042; „Truppen benötigten während des Krieges Genehmigungen zum Betreten von Kommunen“, Haaretz, 20. September 2006

[115] siehe Jonathan Cook, „Nazareths menschliche Schutzschilde“, (The Human Shields of Nazareth), 19. Juli 2006, http://www.jkcook.net/Articles2/0261.htm#Top

[116] Siehe das Archiv der israelischen Armee: Der Mißbrauch von Zivilisten und Bevölkerungszentren durch die Hisbollah: Fotografische Beweise, im Internet unter: http://www.mfa.gov.il/MFA/MFAArchive/2000_2009/2006/Operation+Change+of+Direction+Video+Clips.htm

[117] UNIFIL Pressemitteilung während des Krieges siehe: http://www.un.org/depts/dpko/missions/unifil/unifilpress.htm sowie das Gespräch mit Milos Strugar, leitender Berater der UNIFIL, 6. November 2006. Nach Angaben der UNIFIL feuerten die Streitkräfte Israels oft mit Panzer- und Artilleriegeschosse, Luftwaffen und Maschinengewehren in UN-Positionen oder in deren „direkte Umgebung“ hinein Zum Beispiel während der letzten 24 Stunden vor Beginn des Waffenstillstands am 14. August, trafen insgesamt 85 Artilleriegeschosse innerhalb von UNIFIL-Basen auf, 35 davon allein im Hauptquartier der ghanaischen Bataillons in der Gegend von Tibnin. Weitere zehn kamen im Umkreis von 70 Metern dieser Basis zur Wirkung.

[118] Siehe Absichtliche Zerstörung oder „Kollateralschaden“? – Die israelischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur des Libanon (Deliberate destruction or “collateral damage”? Israeli attacks against civilian infrastructure), Zitat.

[119] Siehe Israel/Libanon: Angriffe auf libanesische Zivilisten im Südlibanon durch israelische Streit­kräfte, Juni 2000 (AI-Index MDE 02/006/2000) und Israel/Libanon: Widerrechtliche Tötungen bei Militäroperation – „Früchte des Zorns“, Zitat

[120] Bericht der vier Sonderberichterstatter zur Libanon-Israel-Mission, 2. Oktober 2006.